Groß war die Freude in vielen Schulklassen in dieser Woche, als für die meisten Schülerinnen und Schüler nach den Winterferien der Unterricht wieder in den Schulgebäuden begonnen hat. Viele haben sich fast vier Monate lang nicht mehr gesehen, außer im Online-Unterricht auf dem Bildschirm. Groß war die Freude, die Freundinnen und Freunde zu sehen und auch manche Lehrkraft war erstaunt, wie viel Wiedersehensfreude ihr entgegenkam und wie sehr sich die Kinder schon auf die nächste Unterrichtsstunde und auf das nächste Wiedersehen freuen. Sichtlich befreit und entspannt sind sie herumgelaufen und auch auf dem Heimweg war sie noch spürbar, diese Freude. So kam ich auf das Lied „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 260), das dieselbe Melodie hat wie das Wochenlied für diesen Sonntag, „Lasset uns mit Jesu ziehen“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 314).
Soll ich meinem Gott nicht singen? Sollt ich ihm nicht dankbar sein? Denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir meint. So beginnt die erste Strophe und endet mit: Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit. Eine tiefe Dankbarkeit ist daraus zu lesen und Freude über das, was ist. Der bekannte Liederdichter Paul Gerhardt (1607–1676) hat diese Zeilen geschrieben, fünf Jahre, nachdem der Dreißigjährige Krieg endlich ein Ende gefunden hatte. Nach viel Zerstörung und Entbehrung kamen ihm diese Worte aus der Feder und über die Lippen.
Wir sind natürlich nicht in einer Situation wie der des Dreißigjährigen Krieges und in dieser Woche gab es durchaus auch Klassen, in denen es eher stumm blieb und alle lieber auf ihre Smartphones geschaut haben, als sich über die Anwesenheit ihrer Klasse und ihres Lehrers oder ihrer Lehrerin zu freuen. Aber was Entbehrungen sein können, merken wir seit nun schon beinahe einem Jahr durchaus deutlich. Auch, wenn sich darin und dadurch Neues auftut, viel ausprobiert wurde, neue Wege beschritten worden sind und man sich durch neue Formen der Kommunikation näher gekommen ist. Das Gespräch miteinander und mit Gott hat sich an so manchen Stellen verändert. So kann aus dem Lied „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ ein Gebet werden, wie es vor einigen Jahren mein ehemaliger Kollege Klaus-Martin Bresgott vom Kulturbüro der Evangelischen Kirche in Deutschland weitergeschrieben hat:
1 Sollt ich meinem Gott nicht singen
wider alle Traurigkeit?
Sollt ich nicht die Angst durchdringen,
gegen Tatenlosigkeit
meine Stimme frei erheben?
Meinen Händen neuen Mut,
meiner Seele wache Glut
schenke mir mein ganzes Leben.
Aus Distanz und aus Klausur
deiner Freiheit auf der Spur.
2 Freiheit, die du mir gegeben,
Freiheit, die frei vor mir steht
soll mich täglich neu beleben,
eines Tuns Realität.
Hier, im Strom des eignen Lebens,
hier, in meiner Alltag Hast,
will ich ohne Unterlass
etwas tun, das nicht vergebens.
Warte nicht in guter Ruh –
du ermutigst mich dazu.
3 In dir lerne ich erkennen,
was ich selber kann und bin,
unverdrossen zu bekennen
eines Lebens Kern und Sinn.
Unverhärtet, ohn’ Fassade
mutig in mein Leben geh’n,
ohne Ängste zu besteh’n
vor dir, Vater, deine Gnade
ist mir Mantel, macht mir Mut.
Deine Freiheit ist mein Gut.