Ion Cristoiu (72), ein in kommunistischer Zeit massiv geförderter „Journalist” (er war u. a. Chefredakteurstellvertreter der „Scînteia Tineretului“), der nach der Wende eine Karriere in diversen Leitungsposten der Medien vorlegte und bis heute Dauergast, Politik-(Weg-)-Weiser und Prophet diverser Fernsehsendungen ist, hat unlängst ein Interview mit dem Ex-Justizminister Tudorel Toader (Februar 2017 – April 2019, in den PSD-Regierungen Grindeanu, Tudose und Dăncilă) geführt, das es in sich hat.
Einerseits sollte es in Rumänien niemand überraschen, dass ein so „flexibler“ Journalist wie Cristoiu einem so „flexiblen“ Ex-Justizminister die Gelegenheit bietet, das gesamte Chaos, das letzterer beim Verdrehen der Gesetze und des gesamten Justizsystems in zwei Jahren angerichtet hat, als fremddirigiert darzustellen und dabei sich selber, den Justizminister, als Ritter der Ehrlichkeit und Kämpfer für die Integrität des Justizsystems, ja als Kreuzritter der Gerechtigkeit herauszustreichen. Andrerseits ist es ein gutes Beispiel dafür, wie man keine journalistischen Zwiegespräche macht. Vor allem, wenn der Befragte so viel Unheil angerichtet hat wie ein Tudorel Toader, der nicht einmal Mitglied der PSD, sondern parteilos war, aber dieser und ihrem straffällig gewordenen Parteichef Liviu Dragnea so kriecherisch diente wie niemand sonst in der Regierung (zeitweilige Ausnahme: die Regierungschefin Vasilica Viorica Dăncilă). Wobei der Fragende unterwürfig die Wege zu einer erlogenen Rechtfertigung des Ex-Justizministers Toader ebnet.
Dieser Justizminister, der es geschafft hat, zum Feindbild aller Demokraten Rumäniens zu werden, hat die Frechheit und die Kaltschnäuzigkeit, allen Protestlern aus seiner Machtperiode, die verzweifelt für den Erhalt der Integrität der Justiz demonstrierten (die Toader im Schweiße seines Angesichts – zugegeben, auch mit viel Rechtswissen und Bauernschläue – untergrub) 13 Monate nach seinem Rücktritt groß zu verkünden, sie hätten recht gehabt. Ihre Proteste wären ganz in seinem Sinn gewesen. Diese Proteste seien nicht umsonst, sogar gerechtfertigt gewesen. Späte Einsicht?
Falsch liegt, wer meint, dass der Ex-Justizminister aus der Schule plaudert und Aussagekräftiges enthüllt über Hintermänner und Drahtzieher der Unterwühlung der Justiz – wie bei so viel Einsicht zu erwarten wäre. Schon als Minister zeigte er, dass so etwas ihm charakterfremd ist. Die Angaben, die sein Befrager ihm entlocken möchte, werden geschmeidig umgangen, mit vagen Andeutungen „beantwortet”. Pikanterien im Interview? Keine. Toader bestätigt aber, dass die PSD 2016 die Macht mit einer Geheimagenda ergriff: die Justiz und ihre Beamten in die Knie zu zwingen und die Gesetze so umzubiegen oder zu verharmlosen, dass alle unbestraft davonkommen, die Rumänien ausgeraubt haben oder diese Absicht künftig verfolgen. Der Handlanger bestätigt blauäugig, was ihm und der PSD seit Januar 2017 – auch von Präsident Johannis – vorgeworfen wurde: das Verbrechen an der Justiz war Absicht, Ziel ihre Zahnlosigkeit. Toader fehlt in dieser Phase nur noch das Erkennungszeichen für #rezist, jener Protestbewegung, die er federführend auslöste.
Der Neoprotestler Toader „vergisst“ seine Ferien mit Ex-PSD-Chef Dragnea in Neptun, „vergisst” seine Interventionen für diverse Richter, die er gern im Verfassungsgericht gesehen hätte, „vergisst” seine Intervention für seinen Sohn, der ohne Wettbewerb Universitätsassistent wurde, „vergisst” die Ministerverordnung, durch welche er seinen Sohn zum Notar beförderte.
Verfolgt man sein Interview aus dem Blickwinkel des Zweiflers, bleibt nur eins: Da spricht einer, der Spuren verwischt, der falsche Spuren legt, um die Mitwelt – die die von ihm gestaltete Realität anders erlebt hat – davon zu überzeugen, dass sie, was sie sah, nicht gesehen hat, weil es das gar nicht gab…