In Deutschland gibt es diese Bilder von rumänischen Frauen: Dass es den „Ostblockfrauen“ gefiele, sich für ihre Männer aufzuopfern. Ob es sich bei den vielen Anzeigen auf Partnerportalen mit dem Titel „Rumänische Frauen sind Ihr bester Ost-West-Traum“ schon um verbale Gewalt handelt, bleibt den Adressaten überlassen… Auf tatsächliche geschlechterbezogene Gewalt zu reagieren gibt es viele Möglichkeiten: Einfach nichts wissen wollen. Oder doch die Scheuklappen runterfahren und zum heutigen feministischen Kampftag auf die Straße gehen. Sich präventiv von einem potenziell gewalttätigen männlichen Partner trennen. In einen Staat migrieren, wo die Polizei zumindest etwas konsequenter auf Anzeigen von Gewalt reagiert. Die neuste Studie des FILIA-Zentrums lesen, denn die stellt aktuelle Zahlen zu Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2022 in Rumänien bereit.
Das FILIA-Zentrum ist eine gemeinnützige, politisch unabhängige und feministische Organisation, die Geschlechterungerechtigkeit mit Aktivismus und Forschung bekämpft. Laut der Studie sieht die Mehrheit der Befragten alle Formen von verbaler, körperlicher und sexueller Gewalt als inakzeptabel an. Entscheidend dafür, wie Gewalt gegen Frauen beurteilt wird, ist laut der Umfrage vor allem der Familienstand und der Zugang zu Bildung. Die größten Diskrepanzen zwischen den Angaben der Befragten sieht die Studie durch das Bildungsniveau bestimmt. Die niedrigste Sensibilisierung haben aber Personen, die in Haushalten mit mehr als fünf Mitgliedern leben, und Personen mit drei oder mehr Kindern. Auch stellt die Studie fest, dass der Prozentsatz derjenigen, welche die Kontrolle von Frauen durch Männer für akzeptabel halten, in den letzten 20 Jahren hinweg konstant geblieben ist.
Der Bericht „Violence against women: every day, everywhere“ der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) aus dem Jahr 2014 bestätigt, dass 24 Prozent aller Frauen in Rumänien von ihrem Partner missbraucht werden, sich aber nur 17 Prozent an die Polizei wenden, was weit unter dem – ohnehin niedrigen – europäischen Durchschnitt von 33 Prozent liegt. Außerdem sind 70 Prozent der Gefängnisinsassinnen, die wegen Mordes inhaftiert sind, eingesperrt, weil sie den gewalttätigen Partner getötet haben.
Gewalt gegen Frauen ist keine „häusliche“ Gewalt, sie passiert nur besonders oft dort. Gewalt gegen Frauen ist aber überall ein Problem. Diese gesamtgesellschaftliche Gewalt wird dann zu einem spezifisch rumänischen Problem, wenn Institutionen, patriarchale Diskurse und Normen diese fördern und reproduzieren. Eine deutliche Mehrheit der rumänischen, sich als Frauen identifizierenden Bevölkerung sieht geschlechterspezifische Gewalt als Problem, zeigt diese aber nicht an – nicht weil sie aufgrund von Geschlechterordnungen „Ja“ zu Patriarchat sagen, sondern weil ökonomische und soziale Handlungsfreiräume und das Vertrauen in den Staat fehlen.