Im letzten Jahr fanden einige von der Deutschen Botschaft Bukarest initiierte Maßnahmen zur Förderung der deutschen Sprache in Rumänien statt. Über die Bedeutung derselben für die deutsche Minderheit, aber auch für Rumänien im Allgemeinen, standen Ovidiu Gan], Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, und Josef Karl, Leiter des Kultur- und Minderheitenreferates der Deutschen Botschaft Bukarest, Rede und Antwort. Die Fragen stellte ADZ-Redakteurin Nina May.
Herr Ganţ, was sind aus Ihrer Sicht die Hauptanliegen und Probleme betreffend die Förderung der deutschen Sprache in Rumänien?
Ovidiu Ganţ: Das ist eine schwierige Frage, vor allem, weil es Unterschiede gibt. Einerseits geht es um die Muttersprache, andererseits um die Weltsprache Deutsch als Fremdsprache. Ein Problem ist, dass wir kaum qualifizierte Lehrkräfte finden, die – abgesehen von deutscher Sprache und Literatur – noch imstande sind, sämtliche Fächer auf Deutsch zu unterrichten. Ansonsten sieht es nicht schlecht aus, dank deutscher Kulturzentren mit einem reichhaltigen Angebot an Sprachkursen und einem rumänischen Bildungssystem, das Deutsch als Fremdsprache anbietet. Die Masse der Rumänen hat längst begriffen, wie wichtig Deutsch als Weltsprache für sie sein kann: Viele Rumänen schicken ihre Kinder auf unsere Schulen, aus rein wirtschaftlichen Gründen, weil sie dann leichter eine gut bezahlte Arbeitsstelle finden. In der letzten Zeit hat man aber – vor allem bedingt durch die Bemühungen der Deutschen Botschaft – langsam auch auf höchster politischer Ebene zu begreifen begonnen, welches Asset Deutsch für einen Rumänen bedeutet und dass der Staat dafür etwas tun muss.
Eines der Hauptbetätigungsfelder der Deutschen Botschaft Bukarest ist die Förderung der deutschen Sprache als Fremdsprache und Muttersprache. Welche dieser beiden Bereiche würden Sie als vorrangig betrachten?
Ovidiu Ganţ: Muttersprache und Fremdsprache potenzieren sich gegenseitig. Die Fremdsprache gibt uns die Masse, die Muttersprache den politischen Aspekt. Diese Symbiose ist äußerst wichtig für Rumänien. Das differenziert uns zum Beispiel von Japan oder Australien, wo auch Deutsch gelehrt wird, aber die historische Tradition fehlt. Hierzulande haben die Sachsen und Schwaben Deutsch als Muttersprache ins Bildungssystem integriert. Zusammen mit Deutsch als Fremdsprache ist dies aus meiner Sicht die perfekte Konstruktion für ein Land wie Rumänien.
Herr Karl, wo liegen hierzu die Schwerpunkte aus Sicht der Deutschen Botschaft?
Josef Karl: Das sind auch für uns zwei Seiten einer Medaille. Die starke Stellung, die Deutsch als Fremdsprache in Rumänien genießt, kann man nicht verstehen, wenn man nicht weiß, dass es hier eine Minderheit gibt, die ein eigenes Schulsystem unterhält, in dem 20.000 Schüler pro Jahr in deutscher Sprache – und zwar in allen Fächern – unterrichtet werden. Deshalb setzen wir auch an verschiedenen Ebenen an: Wir haben hier 31 aus Deutschland entsandte Lehrer und drei Fachberater von der Zentralstelle für Auslandsschulwesen, wir haben das Goethe-Institut, das die Fortbildung der Deutschlehrer in Rumänien unterstützt, und den Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD), der sich um die deutschsprachigen Studiengänge bemüht. Es gibt 73 deutschsprachige Studiengänge in Rumänien – das ist außergewöhnlich und einzigartig! Deswegen finden wir, dass wir hier in einer sehr, sehr guten Situation sind und diese Stellung des Deutschen natürlich weiterentwickeln müssen.
Herr Ganţ, wenn Sie auf das Jahr 2011 zurückblicken, welche Bilanz würden Sie generell zu den Bemühungen der Deutschen Botschaft bezüglich der Förderung der deutschen Minderheit ziehen?
Ovidiu Ganţ: Die Bemühungen der Botschaft haben sich vor allem in den letzten Jahren stark intensiviert. Dies ist natürlich immer mit dem Engagement der gerade zuständigen Person verbunden. Aktuell versteht man es, mit uns zu kommunizieren, auf unsere Probleme einzugehen und sich zu informieren, anstatt – wie in den letzten 20 Jahren oft geschehen – den Eindruck zu vermitteln, bereits alles zu wissen und „obergescheit“ zu sein. Die Botschaft hat in diesem Jahr eine ganze Reihe von Projekten unterstützt, speziell in den Regionen, wo in der Sprachkampagne nicht nur Deutsch als Fremdsprache präsentiert wurde, sondern auch Vertreter der Minderheit zu Wort kamen.
Gibt es bestimmte Maßnahmen, die vertieft werden sollten?
Ovidiu Ganţ: Essenziell ist das Lehrerentsendeprogramm. Die Deutsche Botschaft macht den Leuten in Berlin klar, wie wichtig es für uns ist, dies zu unterstützen – aus meiner Sicht die effektivste Maßnahme zugunsten der Bildung in deutscher Sprache. Ich bin sicher, dass dies auch weiterhin passieren wird, zumal ja Staatspräsident Băsescu Herrn Bundespräsidenten Wulff expressis verbis gebeten hat, das Entsendeprogramm weiterzuführen. Natürlich brauchen wir auch weiterhin Lehrbücher und Lehrmaterialien, wie auch Ausstattungen für die Kulturzentren landesweit. Da hilft mit Sicherheit die Botschaft auch weiter.
Herr Karl, welche Projekte zur Förderung der deutschen Sprache und der deutschen Minderheit liegen der Botschaft für die Zukunft besonders am Herzen?
Josef Karl: Wir haben bereits 2010 unsere Förderlinie etwas angepasst. Schwerpunkte liegen jetzt mehr auf Jugendförderung und Arbeitsförderung der deutschen Minderheit. Der Kulturbereich wird institutionalisiert gefördert. Diese Dinge sind im Dialog mit der deutschen Minderheit entstanden, der natürlich fortgesetzt werden soll. Auch die Sprachkampagne zur Förderung von Deutsch als Fremd- und Muttersprache soll weitergehen. Derzeit tourt eine im letzten Jahr realisierte Ausstellung zum Thema „Deutsch, Sprache der Ideen“ durchs ganze Land. Da haben wir 20 Personen zu Wort kommen lassen, warum sie Deutsch in ihrem Leben brauchen, wieso sie es gelernt und wo sie es verwendet haben. Begonnen in Bukarest, reiste die Ausstellung weiter nach Klausenburg/Cluj-Napoca, Jassy/Iaşi, Hermannstadt/Sibiu, Reschitza/Reşiţa, Temeswar/Timişoara, Bistritz/Bistriţa, Sathmar/Satu Mare und in andere Städte, die sich dafür interessieren. In dieser Kampagne war es uns sehr wichtig, mit der Minderheit vor Ort zusammenzuarbeiten, die als Multiplikator tätig war. In Reschitza wäre die Ausstellung ohne deren Unterstützung und organisatorische Mithilfe nicht möglich gewesen. Diese Synergien wollen wir auch in anderen Projekten fortsetzen.
Herr Ganţ, was würden Sie sich noch für die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Botschaft und der deutschen Minderheit wünschen?
Ovidiu Ganţ: Ich wünsche mir, dass wir in diesem Jahr anständig 20 Jahre Deutsch-Rumänischen Staatsvertrag feiern, das heißt, mit einer hohen Vertretung der Bundesrepublik. Ich hoffe, dass wir 2012 mindestens ein-zwei Bundesminister hierzulande begrüßen dürfen und vor allem als Minderheit die Ehre und Freude haben werden, Herrn Bundesinnenminister Friedrich zu Gast zu haben. Für die bilateralen Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland wäre es auch an der Zeit, dass ein Bundeswirtschaftsminister den Weg nach Rumänien fände. Deutschland ist unser wichtigster Handelspartner und ein bedeutender Investor. Auch der Deutsch-Rumänische Wirtschaftskooperationsrat wäre fällig, alles in allem gibt es viele Anlässe für Besuche in diesem Jahr und wir würden uns freuen, wenn all die hohen Gäste aus Deutschland auch in Hermannstadt vorbeischauen würden.
Inwiefern ist die deutsche Sprache in Rumänien für die Wirtschaft wichtig?
Ovidiu Ganţ: Deutschland und Österreich haben Tausende von im Vergleich gutbezahlten Arbeitsplätzen hier durch Investition geschaffen, dementsprechend suchen die Firmen deutschsprachiges Personal. Der rumänische Bildungsminister hat vor Kurzem ein Gespräch mit Vertretern deutscher Unternehmen in Temeswar geführt und gesagt, er wäre interessiert, das duale Bildungssystem der Deutschen hierzulande einzuführen. Das wäre ein historischer Schritt! Ich nehme das als bare Münze und werde ihn daran erinnern, dass er es den deutschen Unternehmen versprochen hat. Ich habe persönlich miterlebt, wie wichtige deutsche Konzerne und mittelständische Unternehmen im letzten Jahr den Weg nach Rumänien gefunden haben, während frühere sogenannte Partner kaum noch in Rumänien investieren. Es ist nun Aufgabe der Regierung, diesen Leuten die Bedingungen zu schaffen und Staatshilfen zu gewähren – insofern das legal ist und die EU-Kommission es zulässt – auch weil dies die einzigen positiven Signale im letzten Jahr gewesen sind.
Welche Bilanz kann man von beiden Seiten aus der im letzten Jahr initiierten Sprachkampagne ziehen?
Josef Karl: Alle an der Kampagne beteiligten Personen aus dem öffentlichen und nichtöffentlichen Leben haben sich sehr positiv geäußert. Eine belastbare Statistik liegt noch nicht vor, doch die gefühlte Statistik ist auf jeden Fall positiv. Derzeit ist die Nachfrage nach Deutsch größer, als wir tatsächlich befriedigen können, was ein sehr gutes Ergebnis ist und für uns auch verpflichtend wirkt.
Ovidiu Ganţ: Die positive Resonanz ist nicht verwunderlich, in Anbetracht der Tatsache, wie beliebt die Deutschen und Deutschland hierzulande sind. Würde eine deutsche Bundesbehörde mal eine Umfrage machen über Sprache, Kultur und das Image Deutschlands in Rumänien, man würde vermutlich eine Überraschung erleben! Vor Jahren, als ich noch in der Regierung war, gab es eine Umfrage, welche Nation bei den Rumänen am beliebtesten ist, da war Deutschland mit 95 Prozent mit Abstand an erster Stelle! Dies ist bedingt durch mehrere Faktoren – einerseits das historische Zusammenleben der Rumänen mit den Deutschen hierzulande, andererseits durch die Tatsache, wie die Bundesregierung es verstanden hat, sich in den letzten 22 Jahren Rumänien gegenüber zu positionieren. Es hat im Winter 89/90 angefangen, als die Regierung Kohl dem rumänischen Staat Strom im Wert von damals 100 Millionen DM geschenkt hat, damit wir nicht frieren müssen. Als wir 97 Pleite waren, sprach Präsident Constantinescu beim selben Kanzler Kohl vor und der meinte, „wir garantieren für euch im Falle des Falles“. Man muss sich eine solche Aussage heutzutage mal verinnerlichen! Für mich hat es aber auch Symbolwert, dass wir just unter deutscher Ratspräsidentschaft der EU beigetreten sind. So wie die bilateralen Beziehungen zwei Jahrzehnte lang gelaufen sind, kann man verstehen, dass das Image der Bundesrepublik und der Deutschen so positiv ist. Dies alles fördert natürlich auch das Interesse an der deutschen Sprache.
Ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.