„Arad ist die Summe aller Werte”
Der Haushalt, die Großinvestitionen, aber auch die weit von der Realisierung befindlichen bedeutenden Projekte der Stadt Arad waren die Themen, die Izabella Vogel und Andreea Aștefănoae mit dem Arader Vizebürgermeister Levente Bognar besprachen. Der Kommunalpolitiker und Mitglied des Ungarnverbandes, UDMR, übte dieses Amt bereits in mehreren Mandaten aus. Selbst ein wenig Deutsch sprechend, steht er auch dieser Gemeinschaft und seinen Spitzen sehr nahe.
Wie ist der Haushalt in diesem Jahr im Vergleich vom Vorjahr, davon ausgehend, dass die Gehälter in der Verwaltung im Vorjahr sehr stark angehoben wurden?
Auf lokaler Ebene ist der Haushalt im Vergleich zum Vorjahr gesunken, denn einige Finanzquellen wurden dem Gemeinderat abgenommen. Somit haben wir 16 Millionen Euro verloren. Wir sind unzufrieden, weil den Lokalverwaltungen gegenüber kein Respekt gezeigt wird. Ich denke da an die fehlende lokale Autonomie – die Fonds, die wir auf lokaler Ebene einnehmen, können nicht auch hier verwendet werden.
Welche Folgen hat dies auf die Investitionen? Konkret gesagt, wo müssen Sie schneiden? Bei welchen Punkten eigentlich?
Im Allgemeinen sind die Auswirkungen negativ auf den lokalen Haushalt und auf die Tatsache, damit wir einige Ausgleichsvarianten vornehmen müssen, um in erster Linie ein gewisses Level bei den Gehältern zu erhalten. Natürlich haben wir größere Probleme bei neuen Investitionen und deswegen müssen wir auf einige vertraglich festgelegten Projekte verzichten. Die Reduzierung von bestimmten Ausgaben in den Bereichen Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten war notwendig und deswegen haben diese leider in diesem Jahr ein wenig gelitten.
Welchen Nachteil hat die Stadt, weil der Bürgermeister nicht zur Regierungspartei gehört?
Leider hat das Niveau der Demokratie heute im Land und generell in den postkommunistischen Ländern noch nicht das Niveau erreicht, das wir uns erhofft hatten, als wir 1989 begannen, vor dem Rathaus zu protestieren, um der Diktatur ein Ende zu setzen. Der Gedanke, alles vom Zentrum des Landes aus zu beherrschen, ist leider noch sehr präsent und wenn der Bürgermeister nicht in der gleichen Partei und der gleichen politischen Couleur angehört, wie die Regierung, leidet nicht nur er, sondern auch die lokale Gemeinschaft. Das Problem ist, dass Städte, deren Leitung nicht der Regierungspartei angehören, es generell mit negativen Auswirkungen für die lokale Gemeinschaft zu tun haben. Deshalb sollten wir Gesetze haben, die sicherstellen, dass, egal wer in der Regierung ist, also welche Partei, Fonds die die lokalen Gemeinschaften sammeln, garantiert bleiben. Es sollte schon vom Jahresanfang der Entwurf des Haushaltsplans für die langfristige Planung vorhersehbar sein.
Sprechen Sie über die neuesten Entwicklungen zur Aufstellung der Statue der Großen Vereinigung, die der Künstler Florian Codre geschaffen hat.
Die Statue der Großen Union ist ein Denkmal zum 100-Jährigen Jubiläum. Wir haben einige Stimmen aus der lokalen Szene in Betracht gezogen, weil es eigentlich normal wäre, dass dieses Monument von einem Arader Bildhauer hergestellt wird. Die Entscheidung wurde aber auf Landesebene getroffen, und wir kannten den Künstler leider nicht. Es ist ziemlich untypisch, dass diese Entscheidungen getroffen werden, ohne dass Arad zu einer Statue in der eigenen Stadt nach der Meinung gefragt wird. Das heißt, die Entscheidung lag nicht bei der Stadt und selbst die Arader Künstlerszene war nicht beteiligt. Ich finde, dass es keine normale Vorgehensweise ist, sondern wieder mal das Merkmal einer übertriebenen Zentralisierung. Es gab zudem einige unangenehme Momente, weil der Künstler das vertraglich abgesprochene Datum zur Einweihung der Statue nicht einhalten konnte. Diese ganze Situation ist ins Stocken geraten, vor allem als die örtliche Behörde in eine schlechte Lage geraten ist und man sich gegenseitig den schwarzen Peter zugeschoben hat. Wenn der Bildhauer alles vollendet hätte, was er im Vertrag zugesagt hat, würde man nicht in dieser Situation sein, immer das Konzept ändern zu müssen.
In diesem Frühjahr musste die Stadt den Forderungen des Verteidigungsministeriums nachkommen um die Arader Festung zu sanieren. Wann ist der Stichtag und welches ist die Lage momentan?
Ich hoffe, dass wir das Problem der Festung lösen. Es gibt großes Interesse, die Festung zu besuchen und diese kulturell und touristisch auszulasten. Leider wurden keine geeigneten Entscheidungen zum passenden Zeitpunkt getroffen. Ich glaube, dass diese sofort der Gemeinde in den 90er Jahren übergeben werden sollte und ein kulturelles Tourismusobjekt werden sollte. Leider wurde diese Entscheidung aus Ambitionen immer wieder verzögert. Im Moment haben wir noch ein Denkmal ersten Ranges, sogar von nationalem Interesse und dieses wird zerstört. Die Bitte war, dass die Gemeinde zunächst Investitionen aus dem lokalen Budget zur Verfügung stellen sollte, um die Verlagerung der Aktivität und der Armee aus der Stadt sicherzustellen. Ich denke, es ist keine glückliche Entscheidung, weil ich auch von ähnlichen Situationen in anderen Ländern Europas gehört habe, in denen der Staat die Zuteilung eines Areals und die Übersiedlung der Armee übernahm, damit die jeweilige Festung kulturell und auch touristisch genutzt werden kann.
Welche Beziehung haben Sie gegenüber dem Deutschen Forum?
Ich habe einen besonderen Respekt für unsere Mitbürger. Ich denke, dass unsere Stadt, die Situation, in der wir sind, auch auf die Beteiligung der deutschen Gemeinschaft zurückzuführen ist. Wir können sagen, dass das heutige Arad die Summe aller Werte ist, die von ethnischen und religiösen Gemeinschaften geschaffen wurden. Die deutsche Gemeinde hat eine fast 300-jährige Präsenz in Arad. Wir wissen, dass Neuarad eine rein deutsche Kommune war, aber jetzt ist sie in die Stadt Arad integriert. Die Beteiligung der deutschen Gemeinschaft am Wohlergehen unserer Stadt war und ist immer vorbildlich. Jeder verantwortliche Mensch hat in einer Stadt einen Wert und deshalb glauben wir, dass die Beteiligung der Mitglieder der deutschen Gemeinschaft am Leben unserer Stadt besonders wichtig für Arad ist. Wir respektieren die Traditionen aller Gemeinschaften und die schönen Traditionen der deutschen Gemeinschaft. Wenn ich Zeit habe, gehe ich auch zur Kirchweih und feiere dieses Fest mit der deutschen Gemeinschaft. Auch mit dem Vorsitzenden des deutschen Forums, Michael Szellner, habe ich eine sehr gute Beziehung. Ich finde, dass Arad stolz auf die deutsche Gemeinde in unserer Stadt sein sollte.
Wie lebenswert ist Arad?
Eine Umfrage unter Neuarader Bürgern
Was gefällt Ihnen an Arad? Was gefällt Ihnen nicht? Was würden Sie verändern? Mit dieser Frage spazierten wir während des Journalistik-Seminars auf den Straßen in Neuarad und befragten die Menschen, die uns entgegenkamen. Wir, das sind Ruxandra und Stefania aus Sanktanna, Sara aus Temeswar und Xintea aus Reschitza. Bislang war noch keiner von uns länge Zeit in Arad. Also wollten wir die Stadt und seine Bewohner besser kennen lernen. Doch es war schwerer als gedacht, denn die Arader stellten sich auf den ersten Blick als eher schweigsame und „kurz angebundene“ Menschen heraus. Wir begegneten einer jungen Frau.
Frage: „Was gefällt Ihnen in Neuarad?“. Antwort: „Nichts.“. Frage: „Was würden Sie verändern?“. Antwort: „Nichts“.
Wir liefen vorbei an alten Häusern, am Supermarkt, an unserer Schule. Das Wetter war schön, vielleicht der heißeste Tag bisher in diesem Jahr. Eigentlich müssten die Menschen gute Laune haben, denken wir. Dann treffen wir einen älteren Mann auf einer Bank. Wir fragen: „Was gefällt Ihnen an Neuarad?“. Er antwortet: „An Arad? Die Kultur und die Geschichte.“. Dabei soll es bleiben. Neuarad – so erfahren wir später – war früher eine rein deutsche Gemeinde und wurde erst spät in die Stadt Arad eingegliedert. Wir fragen weiter: „Was würden Sie verändern?“. Der Mann antwortet: „Ich bin unzufrieden mit dem Bürgermeister. Die Gebäude werden nicht renoviert. Geld verschwindet und keiner weiß wohin.“. Immerhin, es wird ein wenig gesprächiger hier. Auch an mangelnder Schulausbildung und Korruption lässt er sich schließlich aus.
Dann gehen wir weiter und treffen nach und nach mehr Menschen. Die meisten sind schon ein bisschen älter, denn es ist Freitagnachmittag, die Schule in der ältesten Schule Arads – des Adam-Müller-Guttenbrunn-Lyzeums – ist bereits zu Ende, die Kinder sind zu Hause. Zugequatscht werden wir weiterhin von niemandem. Aber warum zeigt sich auch schon bald: Die meisten Menschen antworten auf die Frage, was Ihnen an Neuarad gefällt: „Die Ruhe.“. Scheinbar möchte man diese mit langen Antworten auch nicht weiter stören. Doch dann bohren wir etwas nach und schließlich fallen den auffällig entspannten, spazierenden Menschen in Neuarad noch ein paar andere Dinge ein: Auf die Marosch ist man stolz und auf das viele Grün in der Gegend. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich der Ceala-Wald. Überall scheint es sehr grün zu sein, lange Fahrradwege erstrecken sich entlang am Flussufer.
Insgesamt 21 Menschen fragen wir an diesem Nachmittag. Man lobt die Parks, die Gemütlichkeit, die Architektur. Aber man bleibt auch gerne anonym, selbst dann wenn hauptsächlich positive Worte gefunden werden.
Vor dem Supermarkt begegnen wir einem jungen Mann, der doch noch etwas klarere Kritik formuliert. Frage: „Was würden Sie an Neuarad verändern“. Antwort: „Ich finde, dass unsere Stadt zu viele Kirchen hat und zu wenige Krankenhäuser.“. Auch die vielen Schlaglöcher, die wenigen Parkplätze, zu wenige Möglichkeiten für behinderte Menschen, sich durch die Stadt zu bewegen und manchmal die Mentalität der Menschen werden kritisiert. Während die einen die grüne, schöne Stadt loben, regen sich die anderen über den Schmutz auf und dass viele Menschen ihren Müll auf den Straßen liegen lassen. Sauberkeit ist eben auch Ansichtssache.
Langsam spazieren wir zurück. Schließlich fragen wir uns gegenseitig. Was gefällt uns eigentlich an Arad? Ja, die Ruhe ist schön. Aber auch unser Gästehaus, die gemütlichen Zimmer dort und das Essen im Restaurant. Es scheint ein schöner Ort für Besucher zu sein, überall gibt es attraktive Parks und bewundernswerte Kirchen. Wir besuchten auch einen sehr schönen Park, auch hier genossen wir die Ruhe. Schließlich fassen wir ein gemeinsames Urteil: Wir haben zwar erst einen kleinen Eindruck gewonnen. Aber wir kommen gerne für einen zweiten zurück.
Rucsandra Moise, Xintea Roxner, Ștefania Trihenea, Sara Wasicsek
Das AMG-Lyzeum in Arad: Die älteste Banater Schule im Portrait
Seit ganzen 293 Jahren gibt es eine deutsche Schule in Neuarad. Seit 28 Jahren arbeitet Mircea Mario Stoica an dieser traditionsreichen Schule. Und seit einem Jahr ist er - nach mehrjähriger Unterbrechung – erneut Direktor der Bidungseinrichtung.
Auf die Gebäude seiner Schule blickend, erkennt er viel Verbesserungsbedarf. Die Turnhalle ist zu klein. Die Gebäude müssten schon lange einmal wieder renoviert werden. Doch für eine umfassende Erneuerung fehlt es der Schule an Geld. Als Witz sagt er auch, dass die Schule vom Mond beobachtet werden kann, wegen der vielen Farben die sie hat – eine Konsequenz der vielen qualitativ minderwertigen schlechten Anstreichung, die nach und nach abblättert. Das letztes Mal wurde die Schule 1993 gestrichen, als der damalige Englischlehrer Cristian Moisescu Bürgermeister war. Nun, im Jahr 2018 gibt es erneut Pläne für die Renovierung der Schule und auch eine neue Sporthalle soll gebaut werden. Natürlich mit dem Vorbehalt: Sobald genügend Geld dafür verfügbar ist.
Stoica arbeitet seit 1984 als Lehrer - also bereits seit 34 Jahren. Er unterrichtet Mathematik und mag seinen Beruf. Auf die Frage, ob er heute einen anderen Job wählen würde, sagt er, dass er gerne Lehrer ist. Falls er sich aber einen anderen Beruf aussuchen müsste, wäre es vielleicht einer im Bereich Informatik. Dies studierte Stoica neben der Mathematik, unterrichtete es jedoch nie. Jedem 18-Jährigen kann er heute mit auf den Lebensweg geben, dass es nicht gelingen wird, viel Geld zu verdienen ohne auch viel zu arbeiten. Aber nicht nur das, denn: „Man braucht Geld zum Leben und nicht nur zum Überleben.”, so Stoica.
Auf seine Schule und die Leistungen der Schüler blickend, stellt Stoica fest, dass die Adam Müller Guttenbrunn Schule im Vergleich mit anderen Schulen aus Arad im Mittelfeld steht. Doch dies ist nur die Schlussfolgerung des ersten Blicks. Denn das Adam Müller Guttenbrunn Lyzeum und seine Schüler haben es im Vergleich zu anderen großen deutschsprachigen Schulen in Rumänien, wie zum Beispiel der Nikolaus Lenau Schule in Temeswar, dem Brukenthal-Lyzeum in Hermannstadt oder der Honterus-Gymnasium in Kronstadt schwieriger, da weniger Geld zur Verfügung steht um die besten Lehr- und Lernmöglichkeiten anzubieten. Beachtet man dies, dann steht die Schule und seine Schüler für die Gegebenheiten tatsächlich ganz gut da.
Denn auch im Adam Müller Guttenbrunn Lyzeum gibt es immer wieder Schüler, die sich mit hervorragenden Leistungen hervortun und es mit ihren Kollegen aus den sogenannt besser situierten Schulen Rumäniens aufnehmen können. Viele Schüler sind in den letzten Jahren zu Wettbewerben und Schüler-Olympiaden gefahren. Zum Beispiel hatte die Schule in diesem Schuljahr ganze 14 Teilnehmer in die Landesphasen der 6.Klassen für Deutsch als Muttersprache geschickt. Dazu nahmen vier Schüler für Rumänisch als Unterrichtssprache teil. Die 7.-Klässerin Ingrid Fazakas gewann dabei den 3. Preis und die 8.-Klässerin Iulia Nicolaescu den Annerkennungspreis. Weitere drei Schüler haben an der Geschichtsolympiade teilgenommen und dabei erhielt der 9.-Klässer Vlad Sfârâială sogar den 1.ten Preis. Und auch in anderen Bereichen errangen Schüler aus Arad Erfolge: Der aus 34 Schülern bestehende Chor des Lyzeums qualifizierte sich ebenfalls für die Landesphase.
Doch bei allen Erfolgen, welche die Schüler in Arad erzielen: Absolventen des Lyzeums bleiben meistens nach Schulabschluss nicht in der Stadt. Arad schafft es nicht, die Absolventen in der Stadt zu halten, weil sie nicht genügend Berufsperspektiven bietet und auch als Universitätsstadt nicht attraktiv genug ist. Denn im Gegensatz zu anderen Städten in Rumänien, die eine große Entwicklung erfuhren – hier sind besonders Temeswar, Klausenburg oder Großwardein zu erwähnen, blieb Arad schlicht hinter den Entwicklungen zurück.
Das Lyzeum bleibt weiterhin wichtig. Die Anzahl der Schüler ist in den letzten Jahren noch einmal gestiegen, denn die deutsche Sprache ist Europa weit gefragt. Und so bleibt auch das Lyzeum weiterhin beliebt, da fortlaufend neue Schüler kommen, die Deutsch lernen wollen, weil sie sich damit eine bessere Zukunft erhoffen. Nun müsse nur noch auch Arad als Stadt der positiven Entwicklung ausreichend nachziehen.
Eric Bălan, Oscar Wild