Anina – Es gibt in Anina, auf dem Gelände des Sägewerks, noch ein Kohlendepot von geschätzt zehntausend Tonnen, das nach Einstellung des Kohlenbergbaus und Auflösung des Grubenbetriebs vor zehn Jahren nicht mehr verkauft wurde. Und darunter Kohlenflöze, die eine Zeit lang im Tagebau gefördert werden könnten. Nun hat sich die Möglichkeit ergeben, diese Kohle an ein Wärmekraftwerk in Bosnien zu verkaufen. Die Verhandlungen dazu befänden sich in „einem fortgeschrittenen Stadium“, ist aus dem Rathaus Anina zu hören, das als Verhandlungsführer fungiert.
Die Frage, um welche sich letztendlich alles dreht, ist die des Preises. Was die Bosnier bislang bieten, entspricht nicht den Vorstellungen der Aninaer. Rund 23 Euro pro Tonne sichere einen sehr dürftigen Gewinn, sagen die Aninaer zum Angebot aus Bosnien, sie stellen sich 32 Euro/Tonne vor, was die Bosnier vorläufig kategorisch ablehnen. „Nun haben wir den Interessenten vorgeschlagen, ihnen erst mal 1500 Tonnen zu ihrem Vorstellungspreis zu liefern, probeweise sozusagen“, sagt Bürgermeister Ion Românu (PNL), „und wenn sie mit den Nutzungsergebnissen zufrieden sind, wie die Kohle brennt und so und zusätzliche Lieferungen möchten, sollen sie ihr Angebot mal höherschrauben.“
Seit Ion Românu Bürgermeister in Anina ist, spielt man in der strukturschwachen Region oft mit der Idee der Wiederaufnahme des Kohlenbergbaus im Aninaer Revier. Das Projekt dazu ist schon mehrmals aufgeschoben worden, zuerst, weil nicht alle Genehmigungen vorhanden waren, um den Abbau der Steinkohle wieder aufzunehmen, danach, weil das Kohlenkraftwerk Mintia bei Diemrich/Deva pleitegegangen war, als als nächster Abnehmer in Frage kam, später wegen der Insolvenz des gesamten Energetischen Komplexes des Raums Hunedoara-Diemrich-Petroschen. So pokert nun das Rathaus Anina mit den potenziellen Abnehmern aus Bosnien weiterhin um die unverkauften Kohlenberge und -flöze, die ungenutzt herumliegen, während die Stadt dringend Geld für andere Projekte bräuchte. Immer im Bewusstsein, dass das Budget der Stadt in diesem Jahr drastisch reduziert werden musste – weil der Stadt laufend Einkommensquellen wegbrechen.
„Gegenwärtig warten wir auf eine Antwort aus Bosnien, die unser Probeangebot angenommen haben“, meint Bürgermeister Românu. „Außerdem sind wir weiterhin auf der Suche nach anderen Käufern für unsere Kohle, und die Aussichten sind gar nicht so schlecht: eine Firma aus Ungarn und eine aus Rumänien haben Interesse signalisiert.“
Das Gelände des noch vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammenden Sägewerks gehört seit ein paar Jahren einer Firma aus Serbien, welche die Kohlenförderung im Aninaer Becken wieder aufnehmen möchte. Die Stadt hat das Gelände zwar an die Serben verkauft, hat sich aber vorbehalten, im Falle einer Wiederaufnahme der Kohlenförderung einen Gewinnanteil von 25 Prozent zu bekommen. Im Rathaus Anina geht man davon aus, dass es beim geschätzten Umfang des Kohlenlagers (200.000 Tonnen) und bei der beabsichtigten Abbaukapazität so um eine Million Euro im Jahr sein sollten, die aus diesem Geschäft abfallen müssten. Die Flöze befinden sich hier bloß in drei bis neun Meter Tiefe, können also im Tagebau ausgebaggert werden, und an ihrer Stelle sollen die entstandenen Kuhlen mit Taubgestein wieder aufgefüllt werden, das es in Anina im Bereich der alten Kohlenwaschanlagen massenhaft gibt. Man gewänne damit zusätzlich eine Art Sanierung der Industriebrachen dazu.
Wie günstig der Tagebau hier gegenüber dem früheren Abbau wäre, suggeriert allein schon die Tatsache, dass Anina als tiefste Kohlengrube Südosteuropas gilt. Zuletzt, 2006, wurde hier auf Sohle -1200 m abgebaut, mit allen Problemen einer solchen Abbautiefe: mit der Belüftung, der Entwässerung, den Transport der Kumpel vor Ort (es gab Abbaustellen, wo die Kumpel bis zu einer Stunde, hin und eine weitere zurück, in den unterirdischen Galerien unterwegs waren, bevor sie überhaupt zu arbeiten begannen), und der Schaffung der Kohle ans Tageslicht, mit der laufenden Wässerung des Kohlenstaubs durch Sprühwände, durch welche er gebunden wurde, mit den drohenden schlagenden Wettern usw. Zudem haben die Kohlenflöze in Anina eine sehr starke Neigung und man musste Richtstrecken, Flözstrecken und Querschläge ständig neu abteufen, um überhaupt (und kaum mit Möglichkeiten maschineller Förderung durch Vortriebsmaschinen) an förderbare Flöze heranzukommen. Wer im 21. Jahrhundert sehen wollte, wie im Mittelalter Bergbau betrieben wurde, der musste bloß eine Genehmigung ergattern, um die Kohlenzeche Anina zu besuchen. Und vorher ein Papier unterschreiben, dass er so etwas auf eigene Verantwortung tut.