Auf der Donau ins „wilde“ Banat

Die frühe Ansiedlungszeit der Banater Schwaben im Spiegel der Literatur/ Romane von Karl Wilhelm von Martini, Adam Müller-Guttenbrunn und Gerda von Kries

Prinz Eugen von Savoyen, "der edle Ritter", befreite mit seinen Heeren die Festung Temeswar und das Banat vom Türkenjoch Foto: privat

1. Zur Einführung

 

Die Besiedlung des Banats vorwiegend mit deutschen Einwanderern  unmittelbar nach der Eroberung des Gebiets durch die Habsburger entfaltete sich mit Höhepunkten und auch Unterbrechungen das ganze 18. Jahrhundert hindurch. Man spricht von drei Ansiedlungsphasen: von der karolinischen, der theresianischen und josephinischen Kolonisation. Bei den Banater Schwaben hat sich – nicht zuletzt dank der Populären Literatur - dafür der Begriff „Schwabenzüge“ eingeprägt. Dieser historische Prozess, innerhalb dessen sich die Volksgruppe der Banater Schwaben - im weiteren Sinne die der Donauschwaben -   konstituierte, nimmt sowohl in der regionalen Geschichtsschreibung als auch in der literarisch-künstlerischen Gestaltung eine Sonderstellung ein. Über die ereignisreiche und auch dramatische  Entstehungszeit einer banatschwäbischen Siedlungs- oder Volksgemeinschaft haben sich die nachfolgenden Generationen auf Grund des jeweiligen historiographischen Informationsstandes, unter dem Eindruck der mündlichen Überlieferung sowie der literarischen Darstellungen und nicht zuletzt unter dem Einfluss der jeweils vorherrschenden politischen Verhältnisse ihr Geschichtsbild geformt. Es war einem steten Wandel unterworfen und setzte sich aus vielen Facetten zusammen.

In einem Gespräch bezeichnete der bekannte Geisteswissenschaftler und Pädagoge Dr. Johann Wolf  die Siedlungszeit der Banater Schwaben insgesamt als „Umweg der Geschichte“. Dieser Umweg vollzog sich in drei Jahrhunderten.  Wenn man will, kann man sich ihn abstrakt als Kreis vorstellen. Als Ausgangspunkt gilt allgemein das Donau-Ufer in Ulm. Hier begann die weite, nicht ungefährliche Reise Tausender  Auswanderer auf den „Ulmer Schachteln“, die sie wie in einem imaginären  Halbkreis bis ins Banat führte. Dort wurden die deutschen Siedler zum Völkchen der Banater Schwaben, die ihre eigene Geschichte haben sollten. Nach zehn Generationen folgte der zweite Bogen des Kreises, die Rückwanderung zum Ausgangspunkt, an dem wir uns jetzt im weitesten Sinne des Wortes befinden.

Zu den  prägenden Grunderfahrungen, die durch die Literatur auf spezifische Weise vermittelt und aufgehoben  werden, gehören neben dem gemeinschaftlichen Erlebnis der Auswanderungsgruppen  aus  deutschen Landen ins Banat auch die individuellen Schicksale.  Wir wissen es aus den Jahren der „Rückwanderung“, dass  jede Familie, auch jeder Einzelne ganz eigene Spannungen und Belastungen zu meistern hatte, zunächst bis zur endgültigen Entscheidung, auf die große Reise zu gehen, und dann nach der Ankunft im fremden Land beim Aufbau einer neuen Existenz. Diese menschlichen, also inneren Wirkungen und äußeren Existenzprobleme der Siedler im Kontext der Ansiedlungsgeschichte spiegeln die  hier erörterten literarischen Darstellungen auf ganz unterschiedliche Weise.

 

2. Historischer Hintergrund und Inspirationsquellen

2.1. Daten zur Ansiedlungsgeschichte. Schwabenzüge

 

Entscheidend für den Ansiedlungsprozess im Banat nach dem Türkenkrieg 1714-1718 waren die „staatlichen Kolonisationsmaßnahmen“ der Habsburger, (Siehe dazu und zum Folgenden J. Wolf, Die theres. Ansiedlung im Banat 1763-1772. In Ban. Kalender 2017, S.63) die aus militärisch-strategischen und wirtschaftlichen Gründen ergriffen wurden, nicht zuletzt zur Sicherung der  nach 1718 noch Jahrzehnte lang fragilen Grenze im Südosten zum osmanischen Machtbereich.

Diese vorwiegend staatlich gelenkte Besiedlung des nach den Türkenkriegen öden und nur spärlich bevölkerten Banats hat sich gemäß der älteren Geschichtsschreibung in drei Zeitabschnitten vollzogen, wobei sich die dafür geschaffenen staatlichen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen in der Zielregion, also im Banat selbst, immer wieder gewandelt haben. Es handelt sich um die drei Kolonisationsphasen, die  vereinfacht als Schwabenzüge bezeichnet werden:

 I. 1722-1726 – die karolinische Kolonisation zur Zeit Karls VI.  (Kaiser 1711-1740;  Lebensdaten:1685 gest. 1740)

 

II. 1763-1772 – die theresianischen Schwabenzüge: Maria Theresia  (Kaiserin1740-1780; Lebensdaten: 1717-1740)

 

 III. 1782-1788 – die josephinische. Kolonisationszeit: Joseph II. (Kaiser 1780-1790, davor ab 1765 Mitregent; Lebensdaten: 1741-1790)

 

Zusammengefasste Statistik der Auswanderung nach Ungarn - nicht nur ins Banat - in den drei „Schwabenzügen“:

 

          I.  Etwa 10.000 bis 15.000 Personen;

          II. rund 45.000 (von 1763 bis 1768: etwa 25.000;  von 1769-1772: 19.108  Personen);

          III. allein von 1784 bis 1787 waren es rund 22.300 Personen.

 

Insgesamt kamen nach 1740, d.h. in der 2. u. 3. Einwanderungswelle etwa 100.000 deutsche Siedler nach Ungarn.(Immo Eberl u.a.)

Über den Zustand des Banats zur Zeit der Ansiedlung berichtet Franz Griselini  in seinem vielbeachteten „Versuch einer politischen und natürlichen Geschichte des Temeswarer Banats in Briefen“, auf deutsch erschienen in zwei Bänden 1779 /1780 in Wien. Hans Diplich veröffentlichte daraus „den sogenannten fünften Brief und Anfang des sechsten“ in der Publikationsreihe des Südostdeutschen Kulturwerks heraus. Darin heißt es u.a.:

Die vielen Moräste und stehenden Wasser machten damals die Luft äußerst ungesund; das Volk war wenig; und dieses ohne alle Kultur, zur Barbarei herabgesunken …

Unter der  Landesadministration eines vortrefflichen Generals Mercy und anderer würdiger Minister, die nach seinem Plane (…) fortarbeiteten, sah man aus Temeswar, einem bis dahin unbedeutenden Orte, einen beträchtlichen Waffenplatz hervorsteigen.  Moräste wurden ausgetrocknet; reißende Ströme in ihre Ufer zurückgewiesen; lange und tiefe Kanäle gegraben: damit mehrten sich die Dorfschaften, wo vorher nur elende Hütten standen; aus Wüsten wurden bewohnte Ländereien. (Franz Griselini)

 

Fortsetzung folgt