Ein solcher „Frevler am Landfrieden“ ist Marko von Corniareva, auch „Urs de Margina“ genannt, der gefürchtete Anführer walachischer Bergbewohner, während Trandafiru, der „reichste Walache an der Czerna“, als einer der „einflußreichsten Eingeborenen“ der Gegend gilt. Dessen Tochter Ellena, „die schöne Walachin“ wird als Geisel im Castell Mehadia festgehalten, damit ihr Vater die immer wieder aufgewiegelten rumänischen Bergbewohner mäßigen möge. Mit diesen Gestalten und jenen aus der Festungsgarnison – dem Commandanten, Hauptmann de Hauranne,
und dessen recht hübschen Tochter Bertha sowie dem „Canton-Verwalter“ Zitterer, einem Ulmer – erweitert der Erzähler sein Personal in mehrere Richtungen. Daraus ergeben sich spannende Geschichten. Marko liebt und umwirbt nämlich Ellena, die ihrerseits unserem Haupthelden Martin zugeneigt ist. Doch dieser verehrt ganz im Stillen Bertha, die Tochter des Festungskommandanten. Zu diesen Konstellationen gesellt sich noch der auffallend freundliche Besuch des Orschowaer Türken-Anführers Safim Pascha, an der Spitze eines geradezu operettenhaft anmutenden Gefolges. Der muselmannsche Kommandant logiert sodann in Herkules-Bad, verwöhnt wie in Tausend-und-einer-Nacht. Man wird an das bereits erwähnte Kasperle-Theater erinnert, das dem Erzähler reichlich Gelegenheit zu humorvoll-ironischen Schilderungen bietet. Kein Wunder, dass auch der uns bekannte Mißfinkos und auch der Serbenführer Infrem wieder auftauchen. Sie spielen in der Auseinandersetzung mit dem Urs de Margina noch eine tragende Rolle.
Die erzählten Abenteuer in der Banater Militärgrenze reihen sich aneinander. Marko stellt sich überraschend seinen Verfolgern, riskiert dadurch sein Leben, um Ellena in der Festung nahe zu sein, wenn auch als Gefangener. Seine Erscheinung wird vom Erzähler besonders anschaulich beschrieben:
Eine beinahe riesengroße Mannesgestalt kam mit festen Tritten auf die Wohnung des Verwalters zugeschritten.. Sie hatte die mächtigen Gliedmaßen in die Sommertracht der Walachen gehüllt, das heißt, in ein grobes Leinenhemde und in ein weites Beinkleid von demselben anspruchslosen Stoffe. Ein breiter Gürtel aus rotem Leder hob den Wuchs des Mannes auf das Beste hervor und barg zugleich dessen Gewaffen: zwei lange doppelschneidige Messer mit Horngriffen und Lederscheiden. Sein Haupt bedeckten einzig und allein die dichten Ringellocken seiner schwarzen Haare, die bis auf die Achseln niederfielen und ein Broncegesicht teilweise verschatteten, dessen Züge zwar weder häßlich noch widrig genannt werden konnten, aber doch nur unbeugsamen Trotz und Härte zur Schau trugen. Als er nähergekommen war, so daß man auch das unheimliche Feuer seiner dunklen Augen wahrzunehmen vermochte, schrie der Verwalter, buchstäblich die Hände über dem Kopf zusammenschlagend: „Marko von Corniareva!“
„Urs de Margina“, ergänzte der Hauptmann. (Martini)
Die Aufmerksamkeit des Erzählers richtet sich immer deutlicher auf die rumänischen Bergbewohner des Gebiets. Sie rücken Ende des ersten Bandes und auch im zweiten Band des Romans immer wieder ins Zentrum der Begegnungen und Erlebnisse des Martin Initram. Dieser hat noch manches Abenteuer gegen den gewaltbereiten Marko und den prophetisch begabten Trandafiru zu bestehen, überflügelt aber gleichzeitig den Verwalter Zitterer in der Gunst des Hauptmanns und selbstverständlich auch in jener der sanften und holden Bertha. Seine größte Tat war schließlich die Auffindung und Bergung der von dem entflohenen Marko entwendeten Kompanie-Kasse. Dies konnte ihm nur dank der uneigennützigen Hilfe Ellenas gelingen, die ihn übrigens von seiner dabei erlittenen lebensgefährlichen Verwundung gesund pflegte.
Neben diesen und anderen Geschichten, darunter Rückblenden auf die Römerzeit und deren Spuren an der unteren Donau sowie auf den byzantinischen Einfluss in diesem Raum u.s.w., die den Horizont unseres Haupthelden Martin in seiner neuen Lebenswelt, auch jenen des geneigten Lesers erweitern, bezieht der Erzähler Szenen aus dem Volksleben der Banater Rumänen in das Geschehen ein. So das große Herbstfest im Cerna-Tal, das vom Erzähler aus deutschen Landen einfach „Kirmeß“ genannt wird und das die Lebenslust des Naturvolkes zum Ausdruck bringt:
Wogte so an den Ufern der Czerna buntes Menschengedränge, so waren auch die Berglehnen des paradiesischen Thales bevölkerter als im Lenze oder im verscheidenden Sommer. Auf der ´Muntje´ (Hochgebirge) war nämlich früher, als sonst wohl, weideverhüllender Schneefall gekommen. So mußten die ´Stinen` (Sennhütten) geräumt und die Wollvieherden an den Quellrändern auf die Triften der Mittelgebirge getrieben werden. (Martini)
Fortsetzung folgt