Auf der Donau ins „wilde“ Banat (9)

Die frühe Ansiedlungszeit der Banater Schwaben im Spiegel der Literatur/ Romane von Karl Wilhelm von Martini, Adam Müller-Guttenbrunn und Gerda von Kries

Die legendäre Veterani-Höhle am Eisernen Tor, heute vom Donaukraftwerk überstaut Foto: privat

Hirten und Knechte kamen durch diesen Rückzug vor der Macht des Winters so nahe ihren Heimwesen, daß sich die meisten nicht versagen konnten, noch ein paar Schritte bergabwärts zu thun, um bei der Kirmeß als flinke Tänzer und feurige Liebhaber zu erscheinen.

In Trandafirus Hütte, dessen Schafe nach Tausenden gezählt wurden, sprachen auch mehr Knechte ein als anderswo. Darob herrschte Leben und Bewegung genug unter dem Dache des Propheten, und da jeder Hirte auch Dichter und Sänger ist, so wurde schon mit Anbruch des 10. September viel gesungen, viel gelacht und viel getrunken. (Martini)

Die landschaftlich und historisch, ethnisch und kulturell so bunte Banater Ecke an der unteren Donau hat kaum ein anderer deutscher Schriftsteller in solch malerischen Bildern beschrieben, mit soviel Einfühlungsvermögen und Sympathie für Land und Leute wie Karl Wilhelm von Martini. Natürlich steht ihm das Haus Habsburg näher als der Sultan, doch nach beiden Seiten – wie weiland nach dem patrizischen Kasperle-Theater - forscht sein satirisch-ironischer Blick und verweilt gern auf komischen Szenen bis hin zum Grotesken. Noch wähnten sich um 1750 die Türken jenseits der Militärgrenze bei Orschowa, auch auf der Donau-Insel Ada-Kaleh, in ihrem ureigenen Reich, so dass unser Erzähler das luxuriöse Zelt des bei Herkules Bad gastierenden Safim Pascha in orientalischer Pracht erscheinen lässt, nachdem er kurz davor das wenig ansprechende Anwesen des Trandafiru beschrieben hatte.

Der Leser wird geradezu an der Hand genommen und durch die orientalische Pracht geführt, die allerdings Zerfallserscheinungen aufweist:

Lieber Leser, wir stehen im Harem des Osmanli. Geblumte Teppiche und Kissen mit Samtüberzügen aus Scutari machen Deinen Tritt, und kämest Du auch in ´Kanonen´ von einer deutschen Universität, völlig unhörbar. Einschleichen wie der Fuchs in den Hühnerpferch wollen wir uns dennoch nicht, d´rum pochen wir bescheidentlich an. Doch, wo denn? Nirgends ist ein solider Thürflügel zu finden, bloß schwere Aladscha-Stoffe aus Damask wollen von den Eintretenden bei Seite gedrückt werden. Es geschieht, und wir stehen in einem engen, wenn auch üppigen, doch keineswegs behaglichen und prächtigen Raum. Uns gegenüber neigt sich ein Frauenbild im weitgebauschten Seidenkaftan aus dem anatolischen Brussa der Zeltwand zu. Es scheint ein Marmorbild zu sein, so starr, so regungslos ist die Erscheinung, so geisterbleich das Gesicht voll griechischen Adels. (Martini)

Martin Initram genießt inzwischen die Anerkennung des Commandanten und erobert die Zuneigung von dessen Tochter Bertha, eine Geschichte wie in Ritterromanen. Unser Held erzählt nun Bertha über sich selbst, über die Beweggründe seiner fluchtartigen Reise ins Banat. Er habe es es in den „grauen Wänden“ seines Vaterhauses nicht mehr ausgehalten, wollte nicht Goldschmied wie sein Vater werden. Und die „finstren Straßen“ seiner Vaterstadt Regensburg waren ihm „zu enge geworden“, auch die Universität behagte ihm nicht. Es hatte ihn ein „rastloses Drängen und Treiben nach der Ferne und nach Abenteuern“ ergriffen, von denen er „in den Ritterbüchern gelesen“, [1]wie er dem „gnädigen Fräulein“ gestand. Aber die Abenteuerlust sei ihm in den letzten Monaten vergangen.

Doch Martin und die anderen, inzwischen dem Leser bekannten Gestalten des Romans, werden erneut in spannende Abenteuer an der Donau verwickelt. An der Spitze mit Hauptmann de Hauranne und dessen Tochter Bertha begibt sich eine „Gesellschaft“ aus dem Castell Mehadia – der Cantonverwalter Zitterer, Martin Initram, der Expandur Mißfinkos ist wieder dabei, u.a. - auf eine „Excursion“ durch die „Wildnis“ entlang und auf der Donau. Auf dem Reiseplan steht die berühmte Veterani-Höhle und die Türken-Insel Ada-Kaleh, wo der Pascha höchst selbst die Reisenden erwarten sollte. Damit greift unser Erzähler weitere historische Motive auf, die in der Militärgrenze auch ein Jahrhundert nach Prinz Eugen in der Überlieferung lebendig geblieben sind. Die sagenumwobene Veterani-Höhle – selbst der vielzitierte erste Banat-Historiker Griselini hat sie um 1770 besucht - hatte strategische Bedeutung in den österreichisch-türkischen Kampfhandlungen und war bereits zum Mythos geworden.

Der Hauptmann hatte den Ausflug dahin lange hinausgeschoben, da er durch gefährliches Gelände führte, auf dem der gefürchtete Marko, genannt Urs de Margina, und seine Kumpane ihr Unwesen trieben. Inzwischen hatte Marko seine große Anhängerschaft jedoch verloren, während Trandafiru auf tragische Weise umgekommen war. Aber die Gefahren waren noch nicht gebannt.

Der erfahrene Serbe Infrem tritt wieder auf den Plan, geleitet die Gruppe durch die unwegsame felsige Landschaft und setzt sie über die Donau, nachdem das versprochene türkische Schiff weggeblieben und der walachische Reiseführer verschwunden war. An dem Geschichtsverständnis des Serben zeigt unser Erzähler, wie nationale Geschichtsmythen jenseits historischer Wahrhaftigkeit entstehen und gepflegt werden:

Es graute bereits der Morgen und milchweiße Nebel verschleierten die Uferwände, als unsere Freunde die Donau übersetzt hatten. Infrem mahnte noch immer zur Eile (…), schüttelte unbefriedigt das Haupt und besah sich den trümmerigen Thurm Tataglia, der wohl nur mehr dem Raubvogel gastlich erscheinen mochte. Die Grundsteine des alten Baues waren trotzig und herausfordernd in das Bett des Stromes hinausgeschoben und schon von Römerhänden gekittet. Infrem aber wußte nichts von den Römern und lebte der Überzeugung: Tataglia sei von Zar Milosch erbaut. Und so halten´s die Serben noch heutzutage: das Andenken der Römer ist unter ihnen überall von der heimischen Sage verdrängt worden; nur diese wandelt über Berg und Thal und verklärt altes Gemäuer; nur diese läßt das Volk zuversichtlich hoffen auf ein besseres Einst. (Martini)

 

Fortsetzung folgt