Mario Monti, dem das Berlusconischillern gänzlich fehlt, der aber mit beiden Beinen fest auf dem harten Boden der Tatsachen steht und demnächst gern vom Interims- zum gewählten Regierungchef Italiens werden möchte, hat eine Sondertagung des Europarats gefordert, die in Rom stattfinden soll. Ihn beunruhigen die zentrifugalen Tendenzen und die wiederaufflammenden Nationalismen – einschließlich ein vehementer Diskurs auf höchster Ebene der Politik bezüglich nationaler Souveränität, zuungunsten des europäischen Annähungs- und vertieften Integrationsprozesses. Monti spricht von „den Kräften, die zu einem Auseinanderbrechen Europas führen könnten“.
Der „heiße Sommer Rumäniens“ und die besorgten Stimmen aus Brüssel und aus den großen europäischen Regierungskanzleien haben auch in unserem Land ein Feuerwerk von Stimmen entfacht, die immer offener Rückfälle auf die Hoch-Zeit des Protochonismus und den Nationalkommunismus Ceauşescu-scher Prägung ausmachen lassen.
Freiheit ist längst nicht mehr die Freiheit des Andersdenkenden, sondern nur noch die Freiheit der beweisbefreiten Behauptungen zur Stützung eigener nationalistischer Borniertheiten, die im krassen Gegensatz stehen zur von den Gründervätern der EU angedachten europaeinigenden Entwicklungsgrundrichtung.
Wie anders ist es zu deuten, wenn Politiker des tatsächlich immer noch dem Mentalitätsdiktat des Balkans und von Byzanz verhafteten Bukarest Mahnungen oder Zurechtweisungen von der Europäischen Kommission in Brüssel mit jenen von der Hohen Pforte in Istanbul von vor mindestens 250-300 Jahren gleichsetzen? Oder das ständige strammnationale Meckern und Schimpfen über Brüssel und Straßburg, das als „Einmischung in unsere nationalen/inneren Angelegenheiten“ – einschließlich von Regierungschef und Iliescu-Famulus Victor Ponta, öfter aber von Parlamentsmitgliedern und Mitgliedern der Regierung – kategorisiert wird?
So etwas schlägt in den Reihen der rumänischen Durchschnittsbürger ein und offensichtlich bei der Jugend. Auf einer unlängst stattgefundenen kurzen Rumänienreise notierte ich mir Losungen, die auf den Bergstraßen an den Stützmauern angesprayt waren.
Eine dem Zufall und der Reihenfolg der Aufzeichnung überlassene Auswahl: „Bruxelles = Înalta Poartă/Hohe Pforte“, „Basarabia e România“, „Bucureşti şi Chişinău – 2 inimi româneşti/2 rumänische Herzen“, „Antonescu – Erou Naţional/Nationalheld“, „Prin noi înşine/Aus eigener Kraft“, „ţiganii sînt de vină!/Die Zigeuner sind schuld!“. Es ist mit Sicherheit besorgniserregend, was da im Untergrund, aber vor unser aller Augen vor sich geht bzw. sich anscheinend zusammenbraut. Dass die Geisteshaltungen, die hinter solchen Botschaften stecken, nicht selten von den Politikern selber in diesem Wahljahr 2012 gefördert und vertreten werden, ist umso schlimmer.
Und das Schlimmste: es gibt in Rumänien überhaupt keine öffentliche Diskussion darüber. Als ob das nicht auch uns alle angeht!