Die Pedalen sind klobig, der Scheinwerfer ist groß wie eine Kokosnusshälfte, der Rahmen und der Lenker sind aus Stahl, der Sattel aus Leder und auf dem Vorderrad ein verchromtes Schutzblech – so sahen einst Fahrräder aus. So können sie auch heute aussehen. Doch heutzutage ist ein Fahrrad mehr als nur ein Verkehrsmittel, es ist zum bunten, schicken Accessoire geworden. Mit der Urform des Fahrrads, das 1817 von Karl Freiherr von Drais erfunden wurde, haben heutige Modelle nur noch wenig zu tun. Heutzutage müssen sie mehr als nur nützlich sein. Sie müssen auch ein gutes Aussehen haben, gerade dann wenn die Straßen von banalen Fahrrädern gefüllt werden. Gerade diese Banalität wollen zwei Temeswarer Fahrrad-Kosmetiker - ein Architekturstudent und ein Architektur-Anwärter - verhindern. Wie alle erfolgreichen Geschichten, begann auch ihre aus einem purem Zufall.
Vor gut einem Jahr wurde die Leidenschaft von Mihai Borcescu (25) und Raul Gârleanu (26) zum Leben erweckt. Seit dann restaurieren die beiden Temeswarer Fahrräder und starteten das „Bicicle Te Me“-Geschäft.
Ein altes Fahrrad aus dem Keller der Großeltern oder aus dem Flohmarkt restaurieren lassen und somit ein einzigartiges Fahrrad besitzen, darum kümmern sich die zwei Architekten. Mihai und Raul leiten das „Bicicle Te Me“-Geschäft und machen aus alten Fahrrädern einen Blickfang. Sogar ein nagelneues Mountainbike lässt jedes ihrer Fahrräder nach einer Restaurierung blass aussehen.
Fahrradrahmen, Röhre, Ketten, Sattel oder Pedallen liegen oder hängen überall in der Werkstatt der beiden Velo-Designer. Die 60-Quadratmeter-Garage in der Lev Tolstoi-Straße Nr. 17 ist ein Sanktuar für alte Drahtesel. Insgesamt neun Fahrräder haben sie derzeit in Arbeit. Manche werden restauriert, andere einfach neu gebaut. Der Architekturstudent Mihai Borcescu erinnert sich wie alles angefangen hat. Vor einem Jahr baute er sich selber ein Fahrrad. „Einem Freund von mir gefiel es so sehr, dass er mich überzeugte, es ihm zu verkaufen“, sagt er. „Ich hatte nun einen Grund, ein neues zu bauen“, fährt er fort. Auch dieses Fahrrad hatte ein ähnliches Schicksal. Dann kam auch der Architekturanwärter Raul Gârleanu ins Spiel.
Er wollte auch ein einzigartiges Citybike haben. So dass wir zusammen eins bauten. Nach dem Bau fuhren sie mit ihren schicken Fahrrädern durch die Stadt. „Die Leute fragten uns immer wieder, woher wir unsere Fahrräder gekauft haben oder wer sie uns hergestellt hat. Wir sagten einfach, dass wir sie gemacht haben. So entstand auch die Idee, daraus ein Geschäft zu machen“, erzählt Mihai. Zuerst restaurierten sie Fahrräder für ihre Freunde in ihren Wohnungen. Die Einzimmerwohnungen wurden letztendlich doch zu klein für die vielen Bestellungen. Nun haben die beiden Architekten Handvoll zu tun. In ihrer neuen Werkstatt haben sie seit Anfang des Jahres etwa 60 Fahrräder neu - und umgestaltet. Die Kunden kommen aus ganz Westrumänien und sogar aus Bukarest. „Viele bringen Bilder als Vorlage, andere lassen uns selber entscheiden, was wir aus einem alten Fahrrad machen können. Aber wir sprechen immer alles mit dem Kunden ab und legen vor dem Start auch das Budget fest“, sagt Mihai Borcescu. Die Bestandteile können neu oder alt sein. Die beiden Temeswarer sind mittlerweile auch offizielle Vertreter der Brooks-Sattel in Westrumänien sowie der Brompton- und Paschley-Fahrräder geworden.
Für die Zukunft wünschen sich die beiden Designer einen eigenen Showroom in der Innenstadt zu eröffnen. Bis dahin aber wollen die jungen Architekten das Kulturleben in Temeswar fördern. Somit nehmen sie bei verschiedenen Veranstaltungen teil. Sie machten vor Kurzem beim Street Delivery mit und veranstalteten im Winter eine Wohltätigkeitsaktion, indem sie ein von ihnen hergestelltes Fahrrad versteigerten und das Geld dem Temeswarer Kinderkrankenhaus spendeten.