Bildung in der Pandemie

Temeswarer Hochschullehrer äußern sich

Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen haben auch den Unterricht gehörig durcheinander gebracht. Zum einen gehen die Absolventen des Lyzeums mit einer anderen Art von Vorbereitung an die Uni, zum anderen mussten auch die Hochschulen umstellen. Welche Auswirkungen der ungewöhnliche und sicher nicht so intensive Lernprozess auf Lernende und Studierende hat bzw. haben könnte, befragten wir deutschsprachige Hochschullehrer. Mitarbeiter mehrerer Hochschulen aus Temeswar antworteten auf die Problematik, die sich über das von Schule zu Schule bzw. Lehrkraft zu Lehrkraft unterschiedlicheVortragen erstreckt und bis hin zu den Optionen, inwiefern sich die fehlenden Lerninhalte auf die künftigen Studierenden auswirken.

Dozentin Laura Cheie, Leiterin der Germanistikabteilung, an der West-Uni Temeswar

Der Umstieg auf den Online-Unterricht war sicherlich eine Herausforderung für Lehrende und Studierende. Doch die West-Universität hatte bereits eine diesbezügliche Komponente in Arbeit, so dass das Unterrichten mit Hilfe von Plattformen wie Elearning/Moodle, Google Classroom oder Google Meet ziemlich schnell als alternative Lösung eingesetzt werden konnte und von den meisten Studierenden auch entsprechend wahrgenommen wurde. Leider verfügen nicht alle Studierenden über eine gute technische Ausstattung, was ihnenden Zugang zum Unterricht erschwert aber im Vergleich zu den Schulen sprechen wir an unserer Universität eher von einer Minderheit.  

Nach fast einem Semester intensiven Online-Unterricht kann ich zumindest feststellen, dass das Online-Unterrichten sehr wohl eine brauchbare Notlösung ist, jedoch den Präsenzunterricht nicht wirklich ersetzen kann, denn es gibt klare Einschränkungen in der Interaktion zwischen den Teilnehmern an einer Lehrveranstaltung. Das Lehren kann dadurch weniger differenziert stattfinden und der Dialog mit den Studierenden erfolgt mit einer gewissen Schwierigkeit. Außerdem ist es ermüdend, so lange vor einem Bildschirm zu sitzen. 

Wie fehlende Kenntnisse kompensiert werden können hängt nicht nur vom fehlenden Präsenzunterricht ab - die meisten Kenntnisse konnten in unserem Fall sehr wohl auch durch den Online-Unterricht vermittelt werden - , sondern auch vom eigenen Engagement, also davon, wie ernst das gewählte Studium tatsächlich genommen wird.  

Die West-Universität und damit auch die Philologie und Germanistik organisiert in diesem Jahr wegen der Pandemie keine Aufnahmeprüfung. Künftige Studierende werden aufgrund eines Abiturabschlusses angenommen und zu Beginn des kommenden Semesters mittels Einstufungstests in Gruppen, nach Sprachniveaus - da wir auch Null-Anfänger unterrichten - eingeteilt. Im Laufe der ersten beiden Semester werden sie konstant evaluiert. Ich glaube also, dass die Kenntnisse und Wiederholungen, vor allem für die Abiturprüfung wichtig wären, denn künftige Studierenden werden bei uns aufgrund der Note dieser Prüfung zugelassen. 

 

Lektorin Cristina Circa PhD, Deutsche Abteilung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Temeswarer West-Universität

Für uns wird das nicht ein wesentliches Problem sein, glaube ich. Die meisten Informationen, die wir Studierenden übermitteln, sind sowieso neu, denn es handelt sich um Fachkenntnisse, die im Gymnasium nicht angesprochen werden. Was wir von Studierenden brauchen ist eher die Fähigkeit, selbständig und logisch zu denken, wobei diese Fähigkeit in mehr als nur einem Semester entwickelt wird.

Ana-Maria Dascălu-Romițan, Hochschul-Assistentin an der TU Politehnica, Fakultät für Kommunikationswissenschaften

Die Krisensituation beeinflusst uns alle und unser ganzes Leben - ob wir uns aber schon dessen bewusst sind oder das noch nicht akzeptieren wollen, das hängt von jedem von uns ab.

Die Effekte sieht man nicht immer sofort, manche wird man später erkennen, spüren oder an ihren weiteren Folgen leiden. In der Bildung waren diese Effekte sofort zu spüren, da die Umstellung auf den Online-Unterricht für viele (Lehrer und Schüler) zum Teil eine große Herausforderung war. Manche Lehrer, manche Schulen, konnten sofort umstellen und den Unterricht weiterführen, für manche jedoch brache die neue Situation viele Probleme. Manche Stunden konnten nicht gehalten werden, da nicht alle über die nötigen technischen Mittel verfügen. Für manche Schüler, die aus ärmeren Familien kommen, ist die Anschaffung von Laptop, Computer, Drucker usw. schwer oder gar nicht möglich, vor allem da einige Eltern wegen der Krise ihre Jobs verloren haben und arbeitslos sind. In anderen Fällen erschwerte die Benutzung von Lernplatformen oder das fehlen von technischen Kenntnissen die Fortsetzung des Unterrichts online. Diese Umstellung betrifft nicht nur die Lehrer und die Schüler, sondern sie ist ohne den Einsatz und die Hilfe der Eltern (vor allem bei den Schülern aus den kleineren Klassen) oft gar nicht möglich. Dies wiederum hat Auswirkungen auf das Leben und den Arbeitsalltag der Eltern, denen oft die Zeit dafür fehlt, die Hausaufgaben der Kinder zu fotografieren und an die Lehrer weiterzuleiten oder auf die Lernplatform hochzuladen. Für viele Eltern ist es auch nicht einfach, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen oder diese zu kontrollieren, vor allem dann wenn der Unterricht in einer Fremdsprache erfolgt. Bezüglich der direkten Teilnahme der Schüler an den Online-Unterricht, kann man hier auch mehrere Aspekte feststellen. Manche Schüler sind weiterhin sehr motiviert und machen mit, auch wenn es online anstatt face-to-face erfolgt. Andere jedoch spüren das Fehlen des Lehrers viel mehr und für sie die Teilnahme am Onlineunterricht schwer oder gar nicht erwünscht. Es gibt aber auch viele Lehrer und Schüler, die all diese Provokationen gut meistern können, sehr aktiv sind, viel arbeiten und für welche der Online-Unterricht eine positive Umstellung im Lernalltag ausgelöst hat. Manche Lehrer sind jedoch online weniger aktiv und geben mehr Hausaufgaben und lassen die Last auf die Schultern der Kinder und der Eltern. Hier spürt man die Effekte der Krisensituation im Bereich der Bildung sofort. Was man aber noch nicht sehen kann sind die Folgen des fehlenden direkten Unterrichts, des Online-Unterrichts und seine Auswirkung auf das spätere Studentenleben. Wenn manche Fächer im 2. Semester in der 12. Klasse nur teilweise oder fast gar nicht gemacht wurden, werden die Folgen beim Abitur und direkt danach bemerkbar sein. Die mangelnden Fachkenntnisse oder Sprachkenntnisse werden sich nicht nur in den schlechteren Noten beim Abi widerspiegeln, sondern auch bei den Aufnahmeprüfungen und später im Studentenalltag. Viele Fachkenntnisse bilden die Grundlage und die Voraussetzung für viele Fächer, die an der Uni unterrichtet werden. Wenn diese in der Schule nicht vermittelt wurden, kann man es vor allem aus Zeitmangel selten oder oft gar nicht im Rahmen der Vorlesungen oder Seminare an der Uni nachholen. 

Einige Studenten werden große Mühe haben, die fehlenden Kenntnisse alleine nachzuholen, um sich im Studium durchzukämpfen und die Prüfungen bestehen zu können. Durch Selbststudium und mehr Arbeit könnte man diese fehlenden Kenntnisse teilweise nachholen, doch oft ist hier erneut der Einsatz des Lehrers gefragt, der den Lernenden Fragen beantworten und verschiedene Fachbegriffe oder Themen erklären muss. Hier wird man gleichzeitig auch eine Diskrepanz zwischen den Studenten erkennen, da der Unterricht an den Schulen und in den einzelnen Fächern unterschiedlich erfolgt ist. 

Die Kommunikation in Krisenzeiten (ob direkt oder Online) ist für uns alle besonders wichtig und wir sollten daher die Interaktion mit unseren Schülern weiterführen und für sie da sein. Viele von ihnen brauchen jetzt ihre Lehrer mehr als früher, für viele ist es sehr schwer, sich an die neue Situation anzupassen und manche haben auch noch mit finanziellen Problemen oder mit Problemen in der Familie zu kämpfen.

 

Prof. Dr. Habil. Eleonora Ringler-Pascu, Hochschule für Musik und Theater, West-Universität Temeswar

Die Aufnahmeprüfung an den Universitäten nähert sich mit Riesenschritten und jeder ist sich dessen bewusst, dass die Absolventen der verschiedensten Schulen unter ganz besonderen Bedingungen das noch laufende Semester abschließen werden, nachdem sie sich ihre Kenntnisse ausschließlich in Form des Online-Unterrichts aneignen mussten. Somit stehen sie vor ganz neuen Herausforderungen, denn der Umgang mit der digitalen Technik ist einerseits kreativ, doch andererseits oft sehr anstrengend und ermüdend. Obwohl für die Jugendlichen der Umgang mit Informationen aus dem Netz, die Kommunikation über E-mail, Whatsapp, Facebook, Instagram  usw. gängig ist, ändert sich die Situation wenn es sich um Online-Learning handelt. Der dauerhafte virtuelle Unterricht fördert die Interaktion, hilft so manchem sein eigenes Lerntempo zu finden und auch die eigene Schüchternheit zu überwinden, doch es führt auch zur Isolation, denn die tägliche Arbeit vor dem Laptop oder PC ist schon frustrierend, ohne die face-to-face-Kommunikation mit den Mitschülern und Lehrern.

Als Lehrende an der Hochschule für Musik und Theater der West-Universität Temeswar stelle ich mir die Frage, inwieweit die potentiellen Kandidaten mit Erfolg ihr Abitur erlangen werden, um danach den Anforderungen einer künstlerisch orientierten Hochschule nachzukommen, da vorwiegend praktische Aufnahmeproben anstehen, die schauspielerische Kompetenzen, Improvisationskraft, Körpereinsatz, rhythmisches bzw. musikalisches Gefühl und Spontaneität voraussetzen, die im Online-Unterricht mehr oder weniger gefördert werden. Die unterschiedlichen Unterrichtsmethoden, die unter den gegebenen Bedingungen der Corona-Krise eingesetzt werden, stellen moderne Lehrhilfen dar, wobei es sich erst später zeigen wird, inwieweit sie den Schülern die notwendigen Kenntnisse für ein weiteres Studium anbieten konnten.

Voraussichtlich werden die Aufnahmeprüfungen im Juli online verlaufen, wiederum eine Herausforderung für alle Beteiligten und zugleich ein Experiment, das trotz allem eine Lösung darstellt, die ohne Ängste angenommen werden soll. Somit wird auch bei den Aufnahmeprüfungen ein gewisses Verständnis seitens der Prüfer abverlangt, weil man den künftigen Studierenden Unterstützung gewähren sollte, damit sie Versäumtes nachholen bzw. sich mit Selbstvertrauen ihrem Studium widmen. Also sind Flexibilität und Verständnis wichtige Voraussetzungen für die Zukunft! Die aktuelle Lage darf sich nicht zu einem Dauerzustand werden, auch wenn die gesundheitliche Lage Vorsicht erfordert.

 

Cristian Stăniloiu, Lektor an der Hochschule für Wasserbau der TU Politehnica und mit Lehraufträgen an der Deutschen Abteilung der Baufakultät

Ich denke, der Unterrichtsstoff, der in den letzten Monaten nicht so komplex wie üblich vermittelt werden konnte, ist nicht das Wichtigste. Das kann man verschmerzen. Wichtiger sind jedoch die intensiven Wiederholungen des Stoffes aus den Jahren zuvor, die die Kenntnisse auffrischen und auch intensives Lernen voraussetzen. Und gerade dies könnte den künftigen Studenten fehlen.