Die Nöte der Menschen, ihre meist nicht realisierbaren Träume, und ihr Alltag sind im neuesten Kurzprosa-Band von Balthasar Waitz, „Menschen und andere Träume“, auf Schritt und Tritt gegenwärtig. Viele Szenen sind aus dem normalen Leben gegriffen und kommen einem Streifzug durch eine heruntergekommene Gesellschaft gleich, die oft noch in der Nostalgie des Kommunismus dahinvegetiert.
Den Regeln der klassischen Kurzgeschichte entsprechend, sind die handelnden Personen meist nur mit dem Vornamen angegeben. Die Frau von Georg - wiederholt als zentrale Figur gehandelt - wird namentlich gar nicht genannt, genauso, wie viele andere Personen, nur „der Lehrer von Nummer 12“, der „ältere Herr auf einem offenen, traurigen Balkon, der möglicherweise ein pensionierter Genosse oder ein frustrierter Major, ist“. Kleine, und wohl gerade deshalb geduldete Schmuggler, einsame Menschen mit verschrobenem Verhalten werden in Arbeiterviertel verlagert. Die meist kurzen Namen der Personen - Silvia, Klara, Marin, Guszti, Georg, Gogu – sind spezifisch für eine Multi-kulti-Stadt wie Temeswar. Nicht zuletzt sind einige Stadtviertel klar definiert, die Handlungen spielen sich in Hinterhöfen und in Freiräumen hinter den Wohnblocks ab. Besonders prägnant fällt die Schreibweise der allbekannten Abkürzungen auf: Beha (für BH), Vauweh (für VW), Aiti (für IT/ Informationstechnik).
Relevant für die deskriptive Schreibart, mit der Balthasar Waitz seine Leser mitnimmt, ist eine Passage aus „Briefe aus dem Wald“. Mit der genauen Angabe der Uhrzeit, zu der er den „Personal“, also den Personenzug, sich anschaut, der „eng an unserem Akazienwäldchen, an seiner windigen Seite“, vorbeifährt, beginnt der Abschnitt. Verstummende und neu entfachte Geräusche schaffen reichlich Atmosphäre. Die Gedankengänge des Beobachters, „Ein wenig Angst hat man immer, der Zug könnte in den Fluss stürzen“, führen den Leser, lassen ihn auch einige Zeit im Unklaren. Und dann: „Hinter der Lok ist der Postwagen angehängt (...). Drin ist mein Brief für dich, Angela“. Daraus ersichtlich, wie der Autor den Spannungsbogen hoch hält und dann mit einem Überraschungseffekt der Handlung eine Kehrtwende verleiht und danach ein ganz neues Thema behandelt.
Mit Milieusprache taucht Balthasar Waitz in die Seelen seiner Personen ein, zeigt ihre Gemütszustände und ihren Bildungsgrad. Nicht selten bringt er mit Figurenkomik Szenen, die eigentlich aus der Gedankenlogik heraus entstehen. So lässt die Putzfrau Silvia wissen, dass ihr zweiter Ehemann „außer der Putzfrau auch noch Kinder kriegen“ wollte. Genauso heiter dieselbe Silvia, die sich in einen Wirrwarr von Gedanken verstrickt: „Ich bin nicht blöd, ich sehe alles. Doch ich halte besser meinen Mund. Ich bin ein Profi. Man hat´s mir schon angeboten, doch ich will gar nicht in die anderen Berufe hinein. Ich hab auch eine Handynummer“.