Helmut Stürmer projiziert die angekränkelte Dorfgesellschaft aus Herta Müllers Niederungen in die Gegenwart. Dafür besuchte der Bühnenbildner das inzwischen Schwabenverlassene Nitzkydorf –Heimat der Nobelpreisträgerin und Gegenstand der sechzehn Erzählungen ihres Debüt-Prosabandes. Die fotografischen Funde seiner Entdeckungsreise, schmückten als Fotoausstellung die Wände des Foyers bei der Vorpremiere der jüngsten DSTT-Produktion. Sie dienten als Vorgeschmack auf eines der großen Höhepunkte des neuen Stückes, das genauso schonungslos und offen über Sünde und Scheinheiligkeit redet wie Müllers Erzählungen.
Nicht ausschließlich, möchte Stürmer betonen. Der Temeswarer bediente sich auch seinem eigenen Erinnerungsschatz und kommentiert durch seine Arbeit an „Niederungen“ Umstände, die ihn auch persönlich störten. Dabei wollte der preisgekrönte Bühnenbildner eine Symbiose zwischen Andrei Tarlkovsky und Herta Müller schaffen. Und tatsächlich bringt die gegenständliche Collage eine surreale Welt auf die Bühne, die sich scheinbar weder im Gestern noch im Heute ansiedelt, sondern auf einer subjektiven Gedankenebene, die von der Zeit schwer erfassbar ist. In einem Tümpel liegt eine abgemagerte Pferdeleiche und atmet sich das Leben aus. Der Jahrmarkt wurde im alten Kleiderschrank verbannt. Der alte Röhrenfernseher liegt unter Schutt begraben, während das Schwabenhaus zur Seite kippt und das Dach Wasser und Schnee durchlässt.
Stürmer fängt durch das Bühnenbild den Untergang des Banater Schwabendorfs ein und die damit verbundene Melancholie und Nostalgie. Es ist eine brache Welt, die in ihrer Hässlichkeit schön wird. Und der erfahrene Bühnenbildner behandelt die einzelnen Elemente, wie Ausstellungsgegenstände. Ihre Anordnung und der nahtlose Übergang von einem Schauplatz in das Nächste unterstreichen den musealen Charakter.
Abgerundet wird die aufwendige Installation durch eine große Leinwand, als Teil eines Dorfkinos, worauf kontinuierlich nachgestellte Szenen aus dem Buch gezeigt werden.
Das Bühnenbild zu „Niederungen“ ist zweifellos eine Visitenkarte für den angesehenen Helmut Stürmer. Darin erkennt man nicht nur das Talent und die Erfahrung des Künstlers, sondern auch dessen persönlichen Werdegang.