Das Doppelfestival FEST-FDR ist seit mehreren Tagen im Gange; die Temeswarer Theaterbesucher erleben nach langer Pause wieder die geliebten Live-Aufführungen: Über das ganz besondere Jahr 2020 mit seinen Herausforderungen sprach Ada Hausvater, die Intendantin des Nationaltheaters Temeswar mit der Redakteurin Ștefana Ciortea-Neamțiu.
FEST-FDR 2020 – bis zuletzt war es doch möglich! Wie sieht man diese Auflage des doppelten Theaterfestivals und wie „fühlt sie sich an“, wenn man aus dem Inneren des Theaterbetriebs darauf schaut?
„FEST-FDR – S.O.S. 2020“ – so haben wir diese Auflage des Festivals betitelt – ist eine notwendige Geste, die Antwort auf das Notrufsignal, das von einer aufgewühlten Gemeinschaft kommt. Die täglichen, durch die Corona-Pandemie verursachten Unbekannten, die die letzten sechs Monate dominiert haben, schienen diese Gemeinde zu entfremden, zu isolieren, nicht nur physisch, sondern vor allem mental. Wie immer war das Nationaltheater solidarisch mit seinem Publikum und der gesamten Gemeinde und hat Tore errichtet, die Richtung Normalität öffnen. Das Festival ist so ein Tor und als solches war es uns sehr wichtig, es in die Praxis umzusetzen.
Diese Auflage steht unter dem Motto „S.O.S. 2020 “und in der Tat haben die Kultur und insbesondere der Kulturakt, der „indoor“ und mit breitem Publikum stattfindet – wie das beim Theater der Fall ist – in diesem Jahr aufgrund der Pandemie enorm gelitten. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie für das Nationaltheater Temeswar in Zahlen, Daten, aber auch in Emotionen und Gefühlen?
Wie gesagt, ist FEST-FDR eine Antwort, eine Formel, die Freude und Hoffnung ausdrückt. Natürlich war es in jeder Hinsicht schwierig, ein Drittel der letzten Saison nicht zu spielen. Unsere letzte Aufführung fand am 6. März statt, „Die Nashörner“, ein wichtiger, ein wesentlicher Text von Eugène Ionesco und der universellen dramatischen Literatur, eine Vorstellung, die auf metaphorischer Ebene zu verkünden schien, was kommen sollte. Für die Schauspieler, für die das Treffen mit den Zuschauern von grundlegender Bedeutung ist, war diese Halbjahrespause sowohl auf emotionaler als auch auf professioneller Ebene eine wichtige Schwelle. Wir blieben online mit unseren Zuschauern in Kontakt und starteten glücklicherweise mit zig Tausenden neuer Zuschauer das Projekt „Întâlniri la voi acas²“ („Treffen bei euch zu Hause“), über das anderthalb Monate lang einige Produktionen aus dem Repertoire des Nationaltheaters auf YouTube verfügbar waren. Ebenfalls im letzten Teil der Spielzeit begannen die Online-Proben für eine Triptychon-Vorstellung, „Homer. S.O.S. 2020“, eine Produktion, die ihrerseits den Aufruf des Theaters zur Kommunikation durch diese Formel rüberbringt: Die Regisseure des Nationaltheaters – Mihaela Lichiardopol, Ion-Ardeal Ieremia und Sabin Popescu – haben drei Vorstellungen in einer einzigen zusammengefügt, in einem Projekt, das sich vornimmt, drei verschiedene künstlerische Visionen in Einklang zu bringen. Wir werden nach dem Festival mehr über dieses Projekt sprechen, jetzt kündige ich nur an, dass die Premiere für den 9. Oktober geplant ist.
Das Nationaltheater war während des Lockdowns die sichtbarste Kulturinstitution aus Temeswar im Online-Bereich und wahrscheinlich eine der aktivsten im ganzen Land. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, auf diese Weise mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben? Ich meine hier die Shows, die man auf dem YouTube-Kanal des Theaters sehen konnte. Wie haben sich die Schauspieler und Regisseure gefühlt, die diesmal in einem indirekten Kontakt zum Publikum standen? Was haben sie erzählt?
Das Projekt „Treffen bei euch zu Hause“ war eine logische Antwort und die einzige, die wir unter den Bedingungen der Isolation im Ausnahmezustand geben konnten. Der Sinn des Seins des Nationaltheaters ist das Treffen mit dem Publikum. Wir haben daher die absolute Einschränkung mit unseren Zuschauern zusammen zu sein, in eine Gelegenheit umgewandelt und so haben wir anderthalb Monate lang jeden Abend durch die Vorstellungen betreten. Natürlich fehlte das Wesentliche der Theatervorstellung, die Beteiligung, die von den Zuschauern freigesetzte Energie, die jede Aufführung anders gestaltet und einzigartig macht, aber es war eine Formel, mit der wir gemeinsam – wir und das Publikum – ein scheinbar unüberwindbares Hindernis überwunden haben.
Eben: Beim Ansehen der Theatervorstellungen auf YouTube fehlt die Interaktion, die Sozialisation, die Atmosphäre im Raum, die Emotion, den Kulturakt individuell, aber doch gemeinsam, live zu erleben. In dieser Hinsicht ist FEST-FDR trotz der Präventionsmaßnahmen, die eine gewisse Distanzierung vorsehen, eine Rückkehr zu dem, was die Theaterbesucherkennen. Wie hat das Publikum reagiert?
Diese Auflage von FEST-FDR wurde in Übereinstimmung mit den Präventionsregeln entworfen, die auferlegt wurden, als die „Lockerung“ der Maßnahmen die Organisation von Aufführungen ausschließlich im Freien bedeutete. Inzwischen hat der Pandemiekalender entschieden, dass die Theatervorstellungen auch in den Sälen stattfinden können. Natürlich erfordern die Ausarbeitung und Umsetzung von funktionalen Regeln gemäß der vom Gesundheitsministerium und dem Kulturministerium ausgearbeiteten Normen – die für jeden Spielraum des Nationaltheaters speziell erarbeitet werden müssen – Zeit und Vorbereitung. Deshalb unsere Entscheidung, die „A ut DOR“-Bühne für die FEST-FDR-Vorstellungen beizubehalten. Diese Entscheidung wurde zunächst sowohl durch eines der Auswahlkriterien gerechtfertigt – die Fähigkeit der Vorstellungen, sich an die Aufführung im Freien anzupassen, als auch durch unseren Wunsch, der Öffentlichkeit einen neuen Raum für Theateraufführungen im Freien anzubieten. Auch wenn sie jetzt durch Abstand und das Tragen einer Maske gekennzeichnet ist, bleibt die Bühne „A ut DOR“ im Bewusstsein der Zuschauer, um an eine Zeit zu erinnern, in der sie beschlossen haben, die Emotionen einer Theatervorstellung zu teilen, über alles hinweg schauen, was sie dazu bewegt hätte, dies nicht zu tun. Und ich muss sagen, dass die Vorstellungen, mit denen das Nationaltheater die Spielzeit eröffnete – „Aeroport“ („Flughafen“), „M-am hot²rât s² devin prost“ („Ich beschloss, dumm zu werden“) und „Cloaca“ („Die Traufe“) – sowie die Vorstellungen aus dem Festival dem Publikum genau das vermittelt haben, was wir uns wünschten, und dass das Publikum entsprechend reagiert hat. Ich hätte gerne gesagt, dass wir viele Zuschauer hatten, aber unter den gegebenen Bedingungen werde ich sagen, dass wir immer alle 96 Zuschauer hatten, so vielees die Kapazität der Bühne „A ut DOR“ ermöglicht.
Was schlägt das Nationaltheater Temeswar für die Spielzeit 2020/2021 vor, da es in den Medien Meinungen gibt, dass Kulturinstitutionen aufgrund der Pandemie „sich neu erfinden oder umdenken müssten“?
Wir haben viele Pläne, aber natürlich hängen sie zu stark von Faktoren ab, die außerhalb des Willens und der Aktionskapazität des Nationaltheaters liegen, um sie jetzt detaillieren zu können. Wie bereits erwähnt, wird vorerst die Premiere der Vorstellung „Homer. S.O.S. 2020“ Anfang Oktober auf der „A ut DOR-Bühne“ stattfinden. Wir bereiten auch ein neues Projekt im Rahmen des Programms „Central Park“ vor, ein Projekt zum Thema Kommunikation, das heute aufgrund des Covid-Phänomens wiederaufgenommen wird. Wir werden auch in Kürze wieder in den Sälen spielen – im großen Theatersaal sowie im Saal Nr. 2.
Ich möchte darauf hinweisen, dass sich das Theater und die darstellenden Künste immer wieder neu erfinden, das liegt in ihrer Struktur. Der Begriff, der von Ihnen verwendet wird „sich neu erfinden“ ist eine Art zu sagen, dass es jedermanns Sache ist, wie er es meistert. Aber es ist nicht so. Die Stabilität jeder Gesellschaft hängt entschieden vom Entwicklungsstand ihrer Kultur ab und ist oder sollte eine Landespriorität sein. Neuerfindung ist nicht gleichbedeutend mit Akzeptanz, Anpassung oder Überleben.
Das Nationaltheater möchte dieselbe „Lokomotive des Bürgersinns" in der Gesellschaft bleiben – unabhängig von den Umständen, Hindernissen und Unbekannten der Gegenwart.