Seit etwa drei Monaten füllt die PEGIDA-Bewegung die deutschen Schlagzeilen. In Dresden finden seit dem 20. Oktober wöchentlich Demonstrationen gegen die Islamisierung des Abendlandes statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte PEGIDA in ihrer Neujahrsansprache. "Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion“, so die Kanzlerin.
Vor acht Tagen hielt William Totok im Pädagogischen Lyzeum „Carmen Silva“ in Temeswar/Timisoara eine Ansprache vor rund 50 Schülerinnen und Schülern. Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust eröffnete die Friedrich-Ebert-Stiftung mit Unterstützung des Deutschen Kulturzentrums Temeswar die Wanderausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“. Totok ist ehemaliges Mitglied der Aktionsgruppe Banat und bekannter Aktivist für die Aufarbeitung der sozialistischen Vergangenheit in Rumänien. In seiner Rede vor den Jugendlichen sprach der Schriftsteller über den Nationalsozialismus in Rumänien – ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Landes, welches uns mit Deutschlands Geschichte und der aktuellen PEGIDA-Debatte verbindet. In seiner Rede verwies er auf die damaligen Mitläufer, sowohl aus den Reihen der deutschen Minderheit als auch aus der Mehrheitsbevölkerung. Er sprach auch von der realen Bedrohung, die von den Rechtsextremen in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges im Banat ausging: Im November 1937 explodierte in Temeswar eine Bombe und forderte das Leben drei unschuldiger Menschen. Anhänger der Nationalsozialisten hatten es auf die jüdische Bevölkerung abgesehen. Es war ein Zeichen für das, was noch kommen mochte. Nur ein Jahr später würde in Deutschland die Reichskristallnacht stattfinden. Totok nannte drei Banater Persönlichkeiten, die während des Zweiten Weltkriegs das Dritte Reich unterstützten. Zu ihnen gehörte der Schriftsteller Hans Moga. Dieser soll in den 1960er Jahren der Geheimpolizei Securitate gestanden haben, Wärter in Auschwitz gewesen zu sein.
Europa gegen Rechtsextremismus
Rechtsextremismus war und ist ein europäisches Problem. Rechtsextreme Organisationen haben in den letzten Jahren europaweit einen Aufschwung erlebt. Auch in Rumänien grassieren Fremdenfeindlichkeit und Chauvinismus. Weil aber Studien dazu fehlen, ist man sich über das genaue Ausmaß nicht sicher. Die politische Stiftung Friedrich Ebert möchte dazu Untersuchungen anstellen. In Deutschland hat sie ein Projekt gegen Rechtsextremismus gestartet und schon zahlreiche Studien veröffentlicht. Die Jüngste geht auf den Rechtsextremismus in der Mittelschicht ein. Sebastian Serafin von der Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Berlin stellte einige der Ergebnisse bei der Ausstellungseröffnung vor. Die Zahlen deuten auf einen Rückgang rechtsextremer Tendenzen hin. Serafin zweifelt daran. Er glaubt, dass die Menschen eher vorsichtiger geworden sind und weniger offen ihre Meinung ausdrücken. Der Grund dafür könnte man unter anderem auf die aufgedeckten Machenschaften der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle zurückführen. Auch die PEGIDA-Anführer haben sich inzwischen von den islamfeindlichen Motiven distanziert. PEGIDA würde inzwischen mehr dafür stehen, wie politikverdrossen deutsche Bürger geworden sind. Die Bewegung bleibt weiterhin kontrovers. Der Polizei sind viele der Anführer als kriminell bekannt.
Cristian Chiscop von der Friedrich-Ebert-Stiftung Bukarest mahnte die Anwesenden bei der Vernissage, die Gefahren des Rechtsextremismus in Rumänien Wahr zu nehmen. Auch wenn es keine eingetragenen rechtsextremen Organisationen gibt, so werden doch viele Bürger Opfer rassistischer Aussagen oder Schikanen. Besonders die Roma-Minderheit gerät immer wieder ins Fadenkreuz rechtsextremer Übergriffe.
Rechtsextremismus ist eine Gefahr für die Demokratie. Darum versucht die Wanderausstellung auf 17 Tafeln die Gefahren aufzuzeigen, die vom Rechtsextremismus ausgehen. Nach der Eröffnung fanden auch Werkstätten für die Schüler vom „Carmen Silva“-Lyzeum statt. William Totok war einer der Workshopleiter. Die allgemeinen Fragen, die die Ausstellung und die Werkstätten stellten, gingen nicht nur auf den Rechtsextremismus sondern auch auf die Demokratie ein. „Demokratie braucht Demokraten“, zitierte Serafin den SPD-Politiker und Namensstifter Friedrich Ebert.
Darum sucht die Stiftung den Dialog mit Jugendlichen und jungen Menschen. Die Wanderausstellung soll darum nächste Woche in der Eugen-Todoran-Bibliothek der West-Universität umziehen. Danach übernimmt das Kunstmuseum Temeswar die Ausstellung.
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wurde mit einem Gebet den sechs Millionen Toten gedacht. William Totok beendete seine Ansprache mit einem Zitat aus Paul Celan Holocaust-Gedicht „Todesfuge“, als Erinnerung an das Schrecken und das Grauen, zu dem ein rechtsextremer Staat in der Lage ist.