Der ökumenische Lesegottesdienst anlässlich 75 Jahre seit Beginn und 70 Jahre seit Beendigung der Deportation der Rumäniensdeutschen in die Sowjetunion, zelebriert in der Reschitzaer römisch-katholischen „Maria-Schnee”-Kirche, war auch der Abschluss-Gottesdienst der ökumenischen Gebetsoktave für die Einheit der Christen. Deshalb hat der Temeswarer römisch-katholische Bischof Josef Csaba Pál sich in seiner Predigt einerseits an das Tagesmotto der Gebetsoktave gehalten („In Evangeliumsfragment, der vom ökumenischen Kreis aus Malta für heute, den letzten Tag der Weltgebetsoktave für die Einheit der Christen gewählt wurde, lesen wir: „Tut Gutes, verkündet das Himmelsreich”.), andrerseits den Bogen zum aktuellen Gedenkanlass geschlagen. Die Predigt wurde rumänisch gehalten (Übersetzung ins Deutsche für die Berglandseite der BZ: Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin, Redaktionelle Bearbeitung: Werner Kremm).
Anbei die Predigt Seiner Exzellenz, Josef Csaba Pál, Bischof von Temeswar, anlässlich der ökumenischen Gedenkfeier am 75. Jahrestag der Russlanddeportation:
„1. Lasset uns Trost erfahren! – Im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther durften wir lesen: „Gepriesen sei Gott, der Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes. Er tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden.“ (2 Kor 1, 3-4) Wie ist dieser Trost, wie lautet das? Was sagt uns der liebe Gott, um uns zu trösten? „Du bist nicht alleine, ich bin bei dir, ich hab auch dein Leid auf mich genommen. Und dein Leid ist nicht umsonst, auch wenn es aus menschlicher Sicht so aussehen könnte. Dein Leid ist ein Teil meines Leides, dein Leid kann erlösendes Leid werden.“ – Im bereits zittierten Paulusbrief an die Korinther dürfen wir weiter lesen: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteilgeworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil.“ (2 Kor 1, 5)
Der Heilige Apostel Paulus kämpft nicht mit einer Keule gegen die Dunkelheit, sondern, er wagt einen ersten Schritt: er zündet ein Lichtlein an. Er will, daß dieses Licht je mehr Menschen erreichen soll... Die, die in einem solchen Licht leben werden, die werden ihren Brüdern kein Leid antun... Dieses Lichtlein erreichte sogar den Kaiser Konstantin den Großen, der selbst dannach zum Christen wird und den Christen Freiheit ihres Glaubens schenkt. Es ist wichtig, dieses Licht zu haben! Wenn jemand sich nur formell als Christ bekennt, dann erfreut er sich nicht dieses Trostes und wir haben nicht unbedingt die Gewissheit, daß er auch wahrhaft seinen Mitmenschen gegenüber den Respekt für die Würde der menschlichen Person praktiziert oder daß er ihn auch praktizieren wird.
2. In Christus geliebte Brüder und Schwestern! Eine Epoche ist vorbei! Die letzten Opfer der Russlandverschleppung haben, unter uns, ein hohes Alter erreicht. – Wir wünschen uns, diese Epoche der Folter und der Hinrichtung vieler unserer Mitmenschen definitiv als abgeschlossen zu sehen und daß so etwas uns nie wieder heimsuchen soll. Ein ganz neues Zeitalter muss folgen, ein Zeitalter, wo der Ausdruck „homo homini lupus” (Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) keine Bedeutung mehr hat, und während dessen der Mensch im anderen Menschen einen Bruder, eine Schwester, einen Nächsten entdeckt.
3. Das Gedächtnis des Leides und der Bedrängnis darf nicht ausgelöscht werden! Dadurch muss das Gewissen der Menschheit wach gehalten werden, um Ähnliches nie wieder passieren zu lassen. Aber man braucht etwas mehr als nur Gedächtnis oder Erinnerung! Ihnen folgen Versöhnung und Vergebung, so daß danach Brüderlichkeit Tag für Tag, Stunde für Stunde aufgebaut werden kann.
4. Rekonziliation und Vergebung kommen nur von Gott. Das Böse war so groß, daß die Wunden immer noch offen sind und weh tun. Gott allein kann uns helfen, daß wir, nach dieser Trauer und nach dieser Schande im Namen der Menschheit, (die solche abscheuliche Taten verrichten konnte), den Weg vorwärts vertrauens- und hoffnungsvoll wagen sollten. Wir wünschen uns nicht nur, daß solche Taten nie wieder passieren sollen, sondern noch mehr: daß wir positiv zusammenarbeiten sollen, daß wir gemeinsam sogar in alltäglichen, scheinbar unbedeutenden Situationen kooperieren sollen, so daß unsere Welt – einschließlich wir selber – eine brüderliche Einstellung, eine respektvolle Denkweise der menschlichen Würde, einem jeden Menschen gegenüber zutage legen! Diese Mentalität wird in unseren eigenen Häusern aufgebaut, dort, wo Kinder geboren und erzogen werden, Kinder, die morgen als Mitglieder in unserer Gesellschaft einen Platz einnehmen werden, Menschen die vielleicht ein mehr oder weniger schweres Wort in der Welt zu sagen haben werden.
5. Es scheinst so, daß es in der Welt immer wieder zu solchen Gräueltaten kommt, wie die Christenverfolgung, die Verfolgung von anderen, bestimmten Nationen. Allein in Nigeria, in den letzten Wochen, wurden Theologiestudenten, Priester, Laienchristen entführt und viele von ihnen auch hingerichtet. Wir alle tragen eine Verantwortung! In welcher Art und Weise reagieren wir darauf, wie stehen wir zu all dem, was in der Welt passiert? Gleichgültigkeit ist keine würdige Antwort unsererseits, sie ist kein gangbarer Weg! Welche Zeichen setzen wir in der Welt? – Die Welt ist globalisiert. Wenn in einer Ecke dieser Welt etwas vorgelebt wird, dann hat diese Realität einen Einfluß auf viele Menschen, sogar auch auf solche, die weit fern davon, in anderen Teilen der Welt, leben.
Von hier können wir Gebetszeichen, Botschaften, Zeichen der in unserem Lande und in unseren Gemeinden gelebten Brüderlichkeit in die ganze Welt senden.
Denn so lange es in der Welt Menschen gibt, die ausgegrenzt, verfolgt, deportiert, gefangen und zu etwas gezwungen werden, so lange dürfen und können wir uns nie komfortabel fühlen. Wir können viele Gegenargumente bringen, aber Jesus Christus ist der, der die Barmherzigkeit brachte. Heute, wenn wir verschleppte und verfolgte Mitmenschen sehen, die im tiefen Schmerz dastehen, ermahnt uns dies zu einer aktiven, konkreten Barmherzigkeit und ermutigt uns, zur Tat zu schreiten.
6. Ökumenismus bedeutet auch das: gemeinsam in Christus Jesus Vertrauen zu haben, zusammen das Evangelium zu leben, gemeinschaftlich für unsere leidenden Mitbrüder zu arbeiten.
In Evangeliumsfragment, der vom ökumenischen Kreis aus Malta für heute, den letzten Tag der Weltgebetsoktave für die Einheit der Christen gewählt wurde, lesen wir: „Tut Gutes, verkündet das Himmelsreich”. Das Himmelsreich, das Reich Gottes, ist die Gemeinschaft, in der Gott herrscht, in der seine Denkweise erkennbar ist, wo man nach seiner Lebeunsweise lebt, wo die Barmherzigkeit, die Vergebung und die Güte gegenüber allen Menschen vorgelebt werden
7. Tut das Gute! „Verkündet und sagt: das Himmelreich ist nahe” – durften wir lesen. Verkündet durch eure Taten (benutzt manchmal auch Worte!). Durch eure Taten, damit man klar sehen kann, was Gott in eurem Leben gewirkt hat! Verkündet durch eure Taten, damit die Menschen spürren sollen, daß das Reich des Herrn wahrhaftig nahe ist. So überzeugend und kräftig sind Taten, daß, zum Beispiel, in den ersten Jahrhunderten des Christentums, Pachomios selber, in der Nähe von Theben, sich taufen lässt und Christ wird. Und das, nur weil er die konkrete Liebe der Christen zu den Nächsten, zu den Toten wie zu den Verwundeten gesehen, mit eigenem Verstand erlebt hat.
Wir müssen die Kraft und die Liebe Gottes in unserem Leben arbeiten lassen, daß diese sich in konkrete Taten verwandeln!
8. Wir danken Gott auch für den Ökumenismus. Es führte uns zusammen, so daß wir heute gemeinsam für die Heilung der Wunden – heute besonders für die Heilung der Wunden der Russlanddeportation und des Todes in der Verbannung vieler unseren Mitbrüder und Mitschwestern – beten können. Gemeinsam können wir viel wirksamer für den Heil der ganzen Welt arbeiten. Amen!
Reschitza, den 25. Januar 2020,
✠Josef Csaba Pál
Bischof von Temeswar