„Am Schlimmsten war, dass wir nicht genügend Wasser hatten. (...) So kam es, dass Bewohner der umliegenden Dörfer uns Trinkwasser gegen eine Gebühr anboten. 50 Bani für einen Eimer. Wer das dafür notwendige Geld hatte, der kaufte sich das Wasser“. Dies ein Auszug eines Zeitzeugen über der Zwangsumsiedlung in den 1950er Jahren in die Baragan-Steppe. Der Text ist in der Broschüre „Begegnung der Generationen in der Zeitzeugenbefragung“ erschienen. 40 Schüler aus den Temeswarer Lyzeen Calderon, Loga, Nikolaus Lenau, aus dem Lyzeum für Lebensmittelindustrie, aus dem Banater Kolleg, aber auch aus Berufsschulklassen mit dualer Ausbildung der Bildungseinrichtungen Regele Ferdinand und I.C. Brătianu haben sich am Projekt beteiligt. Die teilnehmenden Schüler und ihre betreuenden Lehrer haben mit ihren Interviews Neuland in der Aufarbeitung und beim Erlernen ihrer räumlich und zeitlich näheren Geschichte betreten. Sie befragten Zeitzeugen zur Deportation in die ehemalige Sowjetunion, zur Zwangsumsiedlung in die Baragan-Steppe und über die Revolution von 1989. Auch „Lebensgeschichten“ und „Erinnerungen an Temeswar“ standen als Thema an.
„Erkennen der nahen und entfernteren Vergangenheit des Banats sowie die Brückenfunktion zwischen den Generationen“, so die Zielsetzung der Temeswarer Geschichtslehrerin und Projektkoordinatorin Simona Hochmuth. Das Projekt wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Kulturverein Agora Unit durchgeführt. Die Herausgabe der 85 Seiten umfassenden und mit einer CD versehenen Broschüre wurde aus Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland finanziert.
Die Methode der Zeitzeugenbefragung – Oral History – sei zwar seit den 1980er Jahren ein etabliertes Instrument der schulischen Geschichtsschreibung, in Rumänien werde sie jedoch noch nicht mit Selbstverständlichkeit angewandt, sagte Daniel Seiberling, Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Rumänien, der Ukraine und der Republik Moldau, zum Abschluss des Projektes der Oral History in Temeswar.
Für den ebenfalls anwesenden Botschafter Deutschlands in Rumänien, Werner Hans Lauk, ist diese Art der erzählten Geschichte schon deshalb wichtig, weil solche Schilderungen nicht die sogenannt großen, in die Geschichte eingegangen Figuren erfassen, sondern auch die gewöhnlichen Leute. “Es ist nicht zuletzt die Geschichte der Opfer, um die es ja in unserem heutigen Kontext in erster Linie geht”, so der Botschafter in seiner Ansprache. Dabei könne gerade die „erzählte Geschichte auch aus einer möglicherweise je nach Befragtem sehr subjektiven Perspektive eine wichtige Rolle spielen“.
In ihrer Annahme, dass solche Methoden der Geschichtserfassung durchaus Sinn machen, ist die Hanns-Seidel-Stiftung auch vom Botschafter Lauk und dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ ermutigt worden. Die beiden haben die Projektförderer „in dem Ansatz bestärkt, auch in solchen kleinen, regionalen Projekten auf die Jugendlichen des Landes zuzugehen und sie dazu zu ermuntern, sich mit den Fragen ihrer Identität auseinanderzusetzen“, so Daniel Seiberling über die moralische Unterstützung aus Politik und Diplomatie. Nach Ansicht des Parlamentariers Ovidiu Ganţ kann zumindest im Banat die Geschichte der rumänischen Mehrheitsbevölkerung nicht von jener der nationalen Minderheiten getrennt behandelt werden. "Sicherlich gibt es Eigenheiten und Unterschiede, aber auch viele Gemein"amkeiten. Deshalb glaube ich, müsste sich die Art und Weise ändern, wie der jungen Generation Geschichte vorgetragen und beigebracht wird", so der Abgeordnete.