„Temeswar erlebt jetzt das Schönste, was einer Stadt widerfahren kann, und das wird die Stadt von Grund auf verändern. Sie haben die Mission, die Stadt in eine Bühne zu verwandeln (...)“. So Staatspräsident Klaus Johannis Anfang Oktober in Temeswar, als er im Banater Kunstmuseum die Vertreter des Kulturhauptstadt-Vereins traf, um ihnen aus seiner Hermannstädter Erfahrung mitzuteilen (die ADZ/BZ berichtete).
In der Tat, der Banater Metropole ist etwas Schönes passiert: Der Titel der Europäischen Kulturhauptstadt ist nun gesichert, die wahre Arbeit beginnt jetzt. Auch das hatte der Staatschef angedeutet, seine Temeswarer Gastgeber, allen voran der Bürgermeister, sollten die Botschaft auch richtig begreifen, denn die Probe, auf die die Stadt nun gestellt wird, ist eine harte.
Das, was bis zum 31. Dezember 2020 vorbereitet werden muss, all das, was geplant und umgesetzt werden muss, erfordert ein tatkräftiges, konzentriertes, konzeptuell zusammenhängendes Handeln vieler Akteure. Der Kulturhauptstadt-Verein wird selbst nicht alles schaffen können und muss es auch nicht. Denn nicht alles, was in Temeswar bis zum Kulturhauptstadtjahr gemacht werden muss, gehört in den Kompetenzbereich des Vereins, das Bürgermeisteramt ist wie nie zuvor gefordert. Stadtvater Robu scheint dies verstanden zu haben, hatte er doch kurz nach der Wahl seiner Stadt zur Europäischen Kulturhauptstadt gesagt, dass ab nun viel Arbeit auf die Behörden zukommen wird, dass in Temeswar im verstärkten Rhythmus gebaut, saniert, modernisiert werden muss. Und sogleich drohte er den Eigentümern verwahrloster Altbausubstanz in der Innenstadt mit saftigen Steuerstrafen, die das neue Steuergesetzbuch nun auch erlaubt, sollten sie ihre Häuser nicht wieder renovieren. Ob der Bürgermeister auch die Eigentümer des Miksa-Steiner-Hauses am Domplatz (heute unter anderem Sitz der Temescher PNL, der Robu angehört) bestrafen wird, darf aber vorerst bezweifelt werden.
Die Liste, der sich die Stadt Temeswar annehmen sollte, ist lang: Die Sanierung der Innenstadt muss fortgesetzt werden, bis 2021 sollte am Rande der Innenstadt mindestens ein mehrgeschössiges Parkhaus stehen, die Sanierung der Schulbauten in der Innenstadt muss abgeschlossen werden. Eine wahre Gedenk- und Ausstellungsstätte für die 1989er Revolution muss endlich eröffnet werden; der innerstädtische Einzelhandel bedarf einer Neuordnung. Und viele Altbauten sind weiterhin stark sanierungsbedürftig, manche verfallen zusehends. Der 700er Markt gehört saniert oder geschlossen und abgerissen, der Kabelsalat verunstaltet noch immer sowohl die gesamte Innenstadt als auch andere Stadtteile. Die Fabrik- und die Josefstadt fristen weiterhin ein trauriges Dasein, die Zerstörung ehemals florierender, geschichtsträchtiger Stadtteile setzt sich unvermindert fort. Von einer Gentrifizierung kann nicht die Rede sein, weder dort, noch in der Elisabethstadt, einem Stadtteil, dem es jedoch ansatzweise besser geht als den anderen beiden historischen Quartieren, die außerhalb der Stadtmauern liegen.
Auch der Kreisrat ist gefordert: Das Banater Museum am Opernplatz ist eine jahrzehntealte Baustelle; das Kunstmuseum am Domplatz kann nicht alle Räume des Barockpalais nutzen, die 1980 gestartete Sanierung ist noch immer nicht fertig. Eine Lösung für den Platz, wo das Militärkommissariat stand, ein paar Meter hinter der Nationaloper, hat der Kreisrat noch immer nicht. Am Freiheitsplatz hat man zwar von der Armee die ehemalige Stadtkommandatur übernommen, was man aber damit anfangen soll, scheint man im Kreisrat nicht recht zu wissen. Im Innenhof wuchert das Unkraut.
Projektlisten könnte man also über ganze Seiten erstellen. Klar, Vieles ist zu tun, und nicht alles wird bis 2021 gemacht werden können, aus vielerlei Gründen. Vielleicht muss auch nicht alles bis dann gemacht werden, wichtiger ist, dass am Projekt Kulturhauptstadt die gesamte Gesellschaft mitzieht. Allen voran die Behörden, die Wirtschaft und die Universitäten. Jede noch so kleine, internationale Konferenz, jedes Symposium, das 2021 in Rumänien veranstaltet werden soll, müsste nach Temeswar geholt werden. Berufsverbände, Forschungsgesellschaften, Handelskammern, Wirtschaftsvereinigungen, andere NGOs müssten, über ihre Temeswarer Vertretungen, 2021 in das Banat kommen. Aber nur wenn die Temeswarer begreifen, dass das Kulturhauptstadt-Jahr zwar vor allem die Kultur im Mittelpunkt rückt, dass aber die Kultur gleichzeitig Vorwand und Mittel sein kann, um nach Temeswar Menschen und Gelder zu locken, deren positive Effekte weit über 2021 hinaus zu spüren wären, wäre die Mission erfüllt, von der Präsident Johannis sprach. Die Stadt wäre dann zu einer Bühne geworden. Einer erfolgreichen. Und lebenswerten.