Dieser Tage erfuhr ich, wie uninteressant ich für den Sicherheitsdienst Securitate war. Der Nationalrat für das Studium der Archive der Securitate (CNSAS) teilte mir vergangenen Freitag mit, dass "keine Akte identifiziert wurde, die auf Ihren Namen zusammengestellt worden war“. Das Schreiben ist am 15. Juni 2012 unter Nr. P 8822/11 verfasst und vom CNSAS-Vizepräsidenten Virgiliu-Leon Ţărău unterzeichnet. Eingetroffen auf der Post in Reschitza ist es am 29. Juni 2012, auf meinem Postfach. Der Briefumschlag trägt den Bukarester Poststempel mit Datum 19.06.12, aber keinen Eingangsstempel vom Reschitzaer Hauptpostamt.
William Totok, der wohl bestinformierte Securitate-Fachmann des deutschen Sprachraums, der bei CNSAS als Forscher akkreditiert ist, hatte mich bereits am Abend des 27. April, während des Tagung zum 40jährigen Bestehen der Aktionsgruppe Banat, vorgewarnt: „Über dich gibt es bei CNSAS keine Akte!“ Ich spontan: „Das ist eine Beleidigung seitens des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes!“ Nun ist es aber Fakt.
Und doch: ich habe meine Akte – etwa vom Format einer 500-A/4-Blatt-Packung und ziemlich zerfleddert, also „benutzt“ – gesehen. Das war 1987 in einem Büroraum der Reschitzaer Securitate, als mich der für die deutsche Minderheit im Banater Bergland zuständige (damalige) Major Murdeală zu einem „freundschaftlichen Gespräch“ geladen hatte und dabei immer wieder darin blätterte.
Sein Interesse damals: die Funktionsweise der deutschen Tageszeitung „Neuer Weg“. Keine einzige Frage zur Aktionsgruppe Banat, die sich gerade mehrheitlich zur Selbstliquidierung durch Auswanderung anschickte. Die Akte nutze der nicht übertrieben clevere Major als vermeintliche Drohgeste: „Wir wissen nur zu gut, wer du bist, vor uns kannst du nichts verheimlichen!“
Das zweite Mal, als ich mit meiner Akte konfrontiert wurde, war im März 1990. Auf dem Weg zur Post sprach mich ein Unbekannter, gut gekleideter älterer Herr an. Ob ich Werner Kremm sei, Gründungsmitglied der Aktionsgruppe Banat? Ob ich an meinem Securitate-Dossier interessiert sei? Den könne ich mir, jetzt in der Freiheit, kaufen. Er zeigte mir diskret den Inhalt einer schmierigen Ledertasche: mein dickes Dossier!
Wer er sei, wollte ich wissen. Und wie teuer mich die Akte zu stehen komme – damals gab es ja noch keinen CNSAS, wo man die Akte, mit Schwärzungen und Geduldaufwand, erhalten kann. Er sei der Kreischef der wiedergegründeten National-Liberalen Partei, heiße XY (ein falscher Name) und die Akte sei um 5000 Lei zu haben. Seine Partei brauche Geld. Etwas mehr als zwei meiner Monatslöhne hatte ich, ein von der Hand zum Mund lebender Zeitungsangestellter, nicht.
Gelegenheiten kommen selten wieder, so stehe ich nun ohne Securitate-Akte da. Willi Totok im April: „Wahrscheinlich ist deine Akte vernichtet – zerschreddert oder verbrannt – worden.“
Als Normalbürger habe ich im Kommunismus nicht existiert.