Zu Allerheiligen werden die Friedhöfe zu Pilgerorten. Viele Leute besuchen bereits am 31. Oktober den Friedhof, um ihrer Toten zu gedenken. Sie zünden Kerzen an, legen Blumenkränze nieder, Priester halten Gedenkmessen. Doch bis zu dem Zeitpunkt sehen die Friedhöfe ziemlich verlassen und unordentlich aus. Schmale Alleen, viel zu eng aneinandergezwängte Gräber, und Müll – dies ist die Ansicht auf dem Temeswarer Heldenfriedhof, jener Ort, wo einige Persönlichkeiten der Stadt, darunter ehemalige Temeswarer Bürgermeister, gefallene Opfer der 1848er Revolution, des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie der Rumänischen Revolution gegen den Kommunismus von 1989 begraben sind.
Das Bild Mitte Oktober auf der Ruhestätte an der Lippaer Straße wird von den bunten Blättern, die von den Bäumen fallen, bemalt. Im knapp über sieben Hektar großen Friedhof herrscht Stille, doch vor allem Unordnung. Getrocknetes Unkraut, Plastiktüten und alte PET-Flaschen stecken zwischen den bloß wenige Zentimeter voneinander entfernten Gräbern. Insgesamt 37.000 Gräber gibt es auf diesem Friedhof – alle sind besetzt. Allein die Angehörigen, die hier Verwandte oder Familienmitglieder beerdigt haben, machen rund um ihren Gräbern sauber. Sonst scheint niemand für Ordnung zu sorgen, auch wenn das Temeswarer Bürgermeisteramt in den jeweiligen Friedhöfen Verträge mit verschiedenen Firmen geschlossen hat. Im Heldenfriedhof ist für Sauberkeit und Ordnung das Unternehmen S.C. DENISALEX S.R.L. zuständig. „Sauber machen? Die Alleen sollten von der Friedhofsverwaltung gereinigt werden, aber darum kümmert sich niemand”, sagt Martha Toth, eine ältere Frau, die gerade am Grab ihres vor Kurzem verstorbenen Mannes ein Licht anzündet. In einer Tüte sammelt sie die verwelkten Blumen und gelöschten Kerzen und trägt sie in die Mülltonne am Friedhofseingang. „Wenn das bloß alle Menschen tün würden...”, sagt die Frau enttäuscht.
Laut Gesetz 102/2014 über die Verwaltung der Friedhöfe müssen die Besitzer der Gräber diese instand halten. Ein ungepflegtes Grab führt nach zwei Jahren zur Enteignung. Die Grabstätte wird entleert und jemand anderem zugeteilt – heißt es seitens des Temeswarer Bürgermeisteramts.
Banater Persönlichkeiten auf dem Heldenfriedhof
Über den banatschwäbischen Kardinal, der hier begraben sei, oder von ehemaligen Bürgermeistern, die ebenfalls hier auf dem Friedhof ihre Gräber haben, davon haben die Angestellten des Friedhofs nur eine vage Vorstellung. Die große, neugotische Kapelle ist nicht zu übersehen. Rechter Hand vom Haupteingang führt eine der wenigen breiten Alleen direkt zur Kapelle. Hier liegt Kardinal Lorenz Schlauch (1824 - 1902) beerdigt. Das imposante Denkmal wurde im 19. Jahrhundert im Auftrag des Donauschwaben Lorenz Schlauch von Linden als Familiengruft erbaut. Lorenz Schlauch war Bischof und Kardinal der römisch-katholischen Kirche. Er war sogar einer der persönlichen Berater von Papst Leo XIII. 1893 wurde Schlauch als Kardinalpriester mit der Titelkirche S. Girolamo degli Schiavoni ins Kardinalskollegium aufgenommen. Nach seinem Tod 1902 wurde Schlauch zunächst in der Barockkathedrale St. Ladislaus von Großwardein/Oradea bestattet. Gemäß seines letzten Willens wurde sein Leichnam später nach Temeswar überführt, wo er in der von ihm erbauten neugotischen Familiengruft neben seinem Vater (Pál Schlauch), einem wohlhabenden Kirchenbaumeister, die letzte Ruhe fand.
Heute dient die Schlauch-Familiengruft als Bestattungskapelle für Katholiken. Informationen zum hier beerdigten Kardinal oder zum Hauptzweck der Kapelle sind jedoch nur im Internet zu finden. Vor Ort erinnert keine einzige Informationstafel an das Leben von Kardinal Lorenz Schlauch. Allein auf seinem Grabstein, links in der Kapelle, kann man mit etwas Anstrengung die verwischten Inschriften erkennen.
In unmittelbarer Nähe der neugotischen Kapelle befinden sich auch die Gräber zweier ehemaligen Bürgermeister von Temeswar. Verlassen, ungepflegt und vergessen stehen die Grabmale von János Török und Karl Telbisz da. Die Aufzeichnungen in ungarischer Sprache können nur wenige Temeswarer von den Grabsteinen ablesen und verstehen. Allein die Namen könnten bei manchen Passanten als bekannt klingen.
János Török lebte zwischen 1843 und 1892 und war zehn Jahre lang Bürgermeister von Temeswar (1876-85). Er spielt eine wichtige Rolle im Leben der Stadt. In seiner Zeit als Bürgermeister wurde die Gewerbeschule sowie ein städtisches Schauspielensemble gegründet und die elektrische Beleuchtung in einigen Wohnhäusern und in einigen Straßen der Stadt eingeführt. Während Töröks Amtszeit wurde das Gebäude des heutigen Nikolaus-Lenau-Lyzeums gebaut. János Török starb am 4. September 1892 in Barlangliget bei Budapest. Seine sterblichen Überreste wurden nach Temeswar gebracht und sind auf dem Heldenfriedhof in der Nähe der Zentralkapelle, auf deren linker Seite, beerdigt.
Karl/Carol/Károly Telbisz (1854 - 1914) war Jurist und zwischen 1885 und 1914 Bürgermeister von Temeswar. Als Telbisz, ein Banater Bulgare (den Namen Telbisz/Telbis tragen in Altbeschenowa/Dudeștii Vechi noch viele Bulgaren) im Alter von 31 Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde, war Temeswar noch eine Festung. In den drei Jahrzehnten seiner Amtszeit als Bürgermeister ließ Karl Telbisz die Stadtmauern abtragen und das Stadtbild nach dem Vorbild der westlichen Metropolen gestalten. Zu seiner Zeit entstand u.a. der heutige Opernplatz mit seinen bekannten Gebäuden, u.a. das Lloyd-, Löffler-, Dauerbachpalais, das Postpalais und eine große Anzahl an Schulgebäuden (darunter das heutige C.D. Loga- und das Pädagogische Carmen-Sylva-Lyzeum). Während seiner Amtszeit wurde auch die erste asphaltierte Straße in Ungarn gebaut (1895) und die elektrische Straßenbahn eingeführt (1899). Karl Telbisz hatte eine der längsten Amtszeiten als Bürgermeister von Temeswar. Nach seinem Tod wurde er ebenfalls auf dem Friedhof in der Temeswarer Innenstadt beerdigt. Sein Grab ist rechter Hand der neugotischen Kapelle zu finden. Auch wenn sein Grabstein ziemlich groß und imposant ist, sieht das Grab recht ungepflegt aus.
Das Revolutionsdenkmal ist sanierungsbedürftig
Eine Sanierung haben auch die Denkmäler für die Opfer der rumänischen Revolution von 1989 notwendig. Auf dem Vorplatz, am Haupteingang zum Heldenfriedhof, wurde kurz nach der Wende ein Denkmalkomplex errichtet: ein großes Monument aus schwarz-weißen Marmorplatten, wo die „ewige Flamme” zum Gedenken an die Märtyrer brennt, sowie einige Dutzend Grabsteine und eine Kapelle, ebenfalls aus Marmorsteinen. Um die Instandhaltung des Monuments sollte sich das Bürgermeisteramt kümmern. Im Vorjahr hat aber „Das Revolutionsmemorial 16.-22. Dezember“ aus eigenen Mitteln die Gräber sanieren lassen. Auch das Denkmal mit der ewigen Flamme hat eine Sanierung dringend nötig - die schwarz-weißen Marmorsteine lösen sich an manchen Stellen vom großen Denkmal ab und Rostflecken sind zwischen den Marmorplatten zu erkennen. Ob eine Reparatur bis zum Gedenken der Revolutionsopfer Mitte Dezember vorgesehen ist, das war auf Anfrage nirgends zu erfahren.
Im hinteren Teil des Friedhofs sind auch Denkmäler für gefallene sowjetische, serbische, deutsche und französische Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu finden. Ein gepflegtes Aussehen hat allein der Bereich der französischen Soldaten. Die Inschrift auf den Grabsteinen wurde mit neuer Farbe übermalt und frische Blumen wurden hier vor Kurzem gepflanzt. Ein Mann kümmert sich gerade darum, dass die schwarzen Ketten, die die Gräber umringen, wieder in Ordnung gebracht werden. Er arbeitet im Auftrag der Französischen Botschaft.
In Temeswar ist der Bau neuer Ruhestätten dringend nötig – neue Gelände für diesen Zweck werden demnächst von der Abteilung für Stadtentwicklung gesucht, heißt es auf BZ-Anfrage seitens des Temeswarer Bürgermeisteramts.