Welche Zukunft haben die deutschen Minderheiten aus Mittel- und Osteuropa? Diese Frage stellen sich nicht nur ihre Vertreter, sondern auch das Bundesministerium des Innern (BMI). Der neue Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und Nationale Minderheiten, MdB Hartmut Koschyk, sprach bei seinem Besuch in Temeswar von einem täglichen Überlebenskampf. Ja, es gibt noch Deutsche in Ländern wie Rumänien, Ungarn, Polen, Tschechien oder der Slowakei. Es sind in den letzten 24 Jahren nicht alle ausgewandert. Doch das Durchschnittsalter derer, die zurückblieben, dürfte inzwischen bei über 80 Jahren liegen. Es muss eine junge Generation nachrücken, die sich besonders in den Organisationen der deutschen Minderheiten einbringen und so die Foren und Verbände weiter am Leben erhalten. Und sie muss auch über die Kompetenzen verfügen, um diese effizient leiten zu können und auch ihre Zukunft zu sichern.
Stichwort „YOU.PA“ oder „Young Potentials Academy“ – das Qualifizierungsprogramm der Otto Benecke Stiftung für junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren, die Angehörige der deutschen Minderheit sind oder sich in der Minderheitenarbeit einbringen.
Das Fernstudium wird vom BMI finanziert und hat inzwischen die vierte Staffel erreicht. Rund 26 Personen aus vier Ländern haben sich für die laufende Staffel eingeschrieben. Darunter auch Marius Rotaru aus Arad. „Ich habe von YOU.PA über eine Freundin erfahren“, sagt er. „Sie erzählte mir von den Inhalten des Programms und das weckte mein Interesse und meine Begeisterung. Ich finde die Idee super.“
Marius besuchte die Adam-Müller-Guttenbrunn-Schule in Arad, studierte nach dem Abitur Politikwissenschaften in deutscher Sprache an der West-Universität Temeswar und arbeitet heute für ein kleines Softwareunternehmen, das eng mit deutschen Kunden zusammenarbeitet. Auch seine Freundin Emma Capotescu hat sich für das YOU.PA-Programm eingeschrieben. Sie stammt aus der Temescher Kleinstadt Lugosch und besitzt einen ähnlichen Werdegang wie Marius: Sie besuchte die deutsche Abteilung des Coriolan-Bradiceanu-Lyzeums in Lugosch und studierte danach Betriebswirtschaftslehre in Temeswar. Zur Zeit arbeitet sie für das deutsche Unternehmen Robert Bosch.
Was Marius und Emma am ehesten mit der deutschen Minderheit verbindet, ist die Sprache. Sie bringen einen Blick von Außen und können dadurch die Organisationen der Minderheiten aufrütteln. Die Veränderung soll nicht unbedingt von innen kommen. Marius und Emma stellen die neue Generation dar, die das demokratische Forum der Deutschen aus Rumänien brauchen wird. Nicht die Abstammung ist wichtig, sondern das Interesse für die deutsche Sprache und Kultur. Diese sind geschichtlich ein Teil des Banats, wo beide aufgewachsen sind.
Das Banater Jugendforum wird auch von einer jungen und engagierten Frau geleitet. Bianca Barbu studierte Germanistik und Politikwissenschaften, arbeitet für das Deutsche Kulturzentrum Temeswar als Bibliothekarin und DaF-Lehrerin und ist auch für die Kinder- und Jugendprojekte zuständig. Daneben arbeitet sie ehrenamtlich für das Banater Jugendforum.
„Das deutsche Forum der Banater Jugend ist ein Dachverband für alle Filialen im Banat“, erklärt Barbu. „Diese bestehen zum größten Teil aus Tanzgruppen. Wir machen aber auch Projekte zu anderen Themen. Wir haben in den letzten Jahren zum Beispiel Seminare zum Thema Projektmanagement gehalten.“
Sie möchte das Angebot des Jugendforums erweitern, um so auch andere junge Menschen als aktive Mitglieder zu gewinnen. „ Der Brauchtum ist sehr wichtig. Wir freuen uns, dass die Jugendlichen sich die Zeit nehmen und jede Woche zu den Proben kommen“, meint sie. „Andererseits ist es eine kleine Gruppe, die sich dafür interessiert. Die anderen wären dafür zu begeistern, sie haben aber kein tänzerisches Talent, das trifft auch auf mich zu, oder sie haben einfach nicht die Zeit dafür. Oder sie machen bereits was anderes. Sie spielen Theater oder sie sind Mitglieder in dem Literaturkreis Stafette.“
Unterstützung könnte Bianca Barbu von den Young Potentials erhalten. Schließlich werden die Teilnehmer auch darin ausgebildet, mit Jugendlichen zu arbeiten und Bildungsprojekte durchzuführen. Auch in Bereichen wie Öffentlichkeitsarbeit werden die YOU.PA-Mitglieder geschult. Denn viele Organisationen der deutschen Minderheit wissen nicht, wie sie sich der Öffentlichkeit verkaufen können. Es würde einfach die Kommunikation fehlen, findet Marius. „Bisher habe ich noch nichts über Programme oder Projekte der deutschen Minderheit gehört.“
Alle vier Wochen erhalten die Young Potentials Lehrbriefe per Post und E-Mail. Die in der Regel 80-seitigen Selbstlernkurse behandeln Themen wie Projektmanagement, Arbeitsaufteilung, Moderations- und Präsentationstechniken. Die Teilnehmer werden von einem Coach, einem Mentor, beraten. Ihm müssen die Teilnehmer auch die Ergebnisse einer Lernkontrolle schicken, die von dem Coach bewertet wird. Neben dem theoretischen Part gibt es auch einen praktischen: Die Young Potentials müssen unter anderem ein Praktikum bei einer Organisation der deutschen Minderheit machen. Am Ende der Ausbildung erwerben die Absolventen Zertifikate als Dozenten, Jugend- und Bildungsmanager.
Wie werden wohl die deutschen Minderheiten in einigen Jahren in Mittel- und Osteuropa ausschauen? Die Antwort auf diese schwierige Frage könnten die Absolventen des YOU.PA Qualifizierungsprogramms geben. Rund 26 Personen haben sich für die neue Staffel eingeschrieben. Viele von ihnen hatten bisher mit den deutschen Foren und Verbänden indirekt zu tun. In einigen Jahren könnten sie allerdings diese Organisationen übernehmen.