Seit Wochen beschäftigt die Gesetzesinitiative des PSD-Chefs Liviu Dragnea die Medien und die Öffentlichkeit. Vergangene Woche ist sie wegen fehlendem Quorum im Parlament durchgefallen, gute Gelegenheit für Dragnea, die in der rumänischen Politik so beliebte Adaption der Dolchstoßlegende aufzuwärmen.
Strammnational zu verkünden, er werde in Bälde neuerlich das Gesetz über die Förderung der Menschenwürde und der Toleranz gegenüber Gruppenunterschieden vorlegen. Es geht dem scheinkommunikativen PSD-Chef um die Förderung der Toleranz (tolerieren kann nur, wer etwas duldet, er-duldet, also Betroffene, die über ihre Betroffenheit hinwegzusehen bereit sind – folglich: „Toleranz“ an sich ist nicht ganz unproblematisch, dessen sollte sich jeder bewusst sein, der über Toleranz spricht...) und die Sanktionierung derjenigen, die „soziale Rufschädigung“ (Rufmord?) betreiben (mit teils hohen Geldstrafen, auch mit Gefängnis).
Dragnea hat zwischenzeitlich Änderungen des Gesetzesentwurfs vorgenommen, unter anderen politischen und persönlichen Rufmord rausgenommen. Letztendlich meint aber die Zivilgesellschaft: grundsätzlich bleibt der PSD-Chef dabei, unbedingt die (wahrscheinlich bis November d.J.) noch bestehende Stimmenmehrheit seiner Parlamentsallianz zum Verpassen eines Maulkorbs für die Medien zu nutzen.
Dabei braucht Rumänien kein doppeltes Nähen, damit´s besser hält. „Toleranz gegenüber minoritären Gruppen“ wird seit 2000 durch den Eilbeschluss 137 der Regierung geregelt, aufgrund dessen der Nationalrat für die Bekämpfung der Diskriminierung (CNDN) gegründet wurde, der auch mehrmals öffentlichkeitswirksam aufgetreten ist, etwa im Falle des Präsidenten Băsescu, der vor offenem Handy eine Journalistin zur „stinkenden Zigeunerin“ herabgewürdigt hatte.
Das Neue Strafgesetzbuch bietet eine andere Handhabe für den Fall der Missachtung des „Toleranz“-Gebots gegenüber ethnischen, sexuellen oder religiösen Minderheiten: Freiheitsstrafen zwischen einem halben und drei Jahren, sowie, zusätzlich oder alternativ, Strafzahlungen (die bereits mehrmals angewandt wurden, teilweise in strammer Höhe).
Es gibt also, zur Auswahl, bereits ausreichend Instrumente, um das zu ahnden, was Liviu Dragnea nun zusätzlich abstrafen will. Ehre und Würde aller kann mit den bereits existierenden Gesetzen hinreichend geschützt werden, meint, ungewöhnlich übereinstimmend, auch die Zivilgesellschaft – es müssen bloß streng die geltenden Gesetze angewandt werden. Also kann auch die Gesamtgesellschaft vor extremen Ausfällen mit dem vorhandenen Gesetzes- und Institutioneninstrumentarium verlässlich geschützt werden. Zusätzliche Ablenkungsmanöver von Dragnea braucht keiner.
Impulse zur Über-Regulierung kommen wohl vom überlebenden national-kommunistischen Gedankengut (der PSD) und dem Bedarf, sich als „Große Nation“ zu etablieren. Von Patriotismus mit Neigung zu Nationalismus. Der „wirklich“ Große fühlt sich verpflichtet, Kleine und Schwache zu schützen.