Jeden Morgen fahren Busse aus Temeswar in alle Himmelsrichtungen und wieder zurück. Sie bringen Arbeitskräfte in die Temeswarer Unternehmen. Fachkräfte sind immer schwerer vor Ort zu finden. So sind Firmenbesitzer aus Temeswar und der Region gezwungen, sich im Banater Bergland und sogar in Serbien auf die Suche zu begeben. Aus dieser Notwendigkeit heraus ist auch das duale Schulsystem nach deutschem Vorbild entstanden.
„Vor fünf Jahren konnte man gar nicht mehr über Berufsschulen in Rumänien reden. Die deutschen Unternehmer haben es in den letzten Jahren geschafft, diese Schulen nach deutschem Konzept wieder zu beleben“, sagt Christian von Albrichsfeld, Geschäftsführer von Continental AG in Rumänien und stellvertretender Vorsitzender des deutschsprachigen Wirtschaftsclubs (DWC) in Temeswar. Der DWC hat sich vor Ort in zwei Berufsschulen, im technischen „Regele Ferdinand I“- und im „Ion C. Brătianu“-Kolleg, engagiert und bietet Jugendlichen die Möglichkeit, eine gute Qualifizierung zu bekommen und in einem modernen Unternehmen eine gute Beschäftigung zu finden.
Diese Woche haben die Einschreibungen für die Klassen mit dualer Schulausbildung begonnen. Insgesamt 24 Berufsschulklassen werden fürs kommende Schuljahr in Temeswar bereit gestellt. Elektrik, Elektro-Mechanik, Industriechemie, Handel, Holzverarbeitung, Mechanische Konstruktion, Tourismus und Lebensmittelindustrie, Elektronik und Automation – diese Berufsausbildungen werden in Temeswar, aber auch in Lugosch, Detta, Billed, Großsanktnikolaus und Hatzfeld angeboten. Dafür gibt es Praktika in verschiedenen Betrieben. Je 200 Lei Monatsgeld bekommen die Schüler vom rumänischen Staat, weitere 200 Lei steuern die Unternehmen bei.
Ein Manko an Fachleuten gibt es jedoch auch in Bereichen wie Gastronomie - Fachleute in fleischbearbeitenden , Brot- und Bäckereibetrieben, aber auch Kellner müssten dringend geschult werden, sagt Peter Hochmuth, der DWC-Vorsitzende in Temeswar.
Alin Ciucle ist Absolvent der ersten Generation des dualen Schulsystems in Temeswar. Der junge Mann hat sich vor drei Jahren für eine Berufsausbildung entschieden – „Ich war nicht kein lerneifriger Typ – habe mich aber immer für Technik interessiert“ – ließ er wissen. Nun ist Alin Ciucle Elektroniker bei Continental in Temeswar und hat große Zukunftspläne. Er besucht die Abendkurse des Lyzeums und will nach dem Baccalaureat weiter an der Uni studieren. „Wer weiß, vielleicht werde ich sogar Ingenieur“, sagt der 18-jährige Alin Ciucle optimistisch.
Als Vorbild ist auch Petru Creţu bei der Vorstellung des dualen Ausbildungssystems im Temescher Schulinspektorat dabei. Der 17-Jährige ist Schüler in der 10. Klasse im Ferdinand-Kollegium und kommt aus Boto{ani. Er entschied sich vor zwei Jahren für eine Berufsausbildung, nach einem Besuch bei Verwandten in Temeswar. Seine Entscheidung, hierher zu kommen und zu studieren bereut er keinesfalls. „Ich habe die Praktika im Betrieb sehr gern. Ich werde sogar während des Sommers hier arbeiten“, sagt Petru Creţu. Dass auch er weiter studieren möchte, steht auch für Petru fest. „Conti unterstützt uns, so dass dies eine günstige Ermutigung für uns ist“, schließt der Schüler.
In diesem Jahr werden neben den klassischen Berufen auch drei Anfängerklassen beim Ferdinand-Kollegium bereit gestellt: Elekriker, Mechatroniker und, ganz neu, CNC-Bediener. „Es ist eine gute Chance für Jugendliche, sich von der Masse abzuheben, eine gute Qualifizierung zu machen und in einem modernen Unternehmen eine gute Beschäftigung zu finden. Wir müssen weiter daran arbeiten, dieses Projekt bekannt zu machen und mehr Schulen zu bewegen, nach dem deutschen dualen System zu arbeiten und nicht nur die rumänische Berufsausbildung, die leider nur sehr theoretisch ist – und auch diese Theorie ist ja veraltet! – zu verfolgen“, sagt der DWC-Vorsitzende Peter Hochmuth.
Das duale Schulsystem löst bei weitem nicht das Bedürfnis von Fachkräften vor Ort. „Aus diesem System einer Berufsausbildung sollen sich auch Meisterschulen entwickeln – denn die Meister auf dem Markt sind über 40, 50 Jahre alt – in einigen Jahren werden die Lehrlinge keine Meister haben“, sagt der stellvertretende DWC-Vorsitzende Christian von Albrichsfeld. „Auch mit den aktuellen Bildungsminister gibt es Diskussionen, um das System weiter vorwärts zu bringen. Ein Diskussionsthema ist auch, wie wir die Curricula, angepasst an die Bedürfnissen, moderner gestalten können. Es gibt sehr vieles noch zu tun. Die Regierung ist offen dafür. Die Frage ist, wie kommt man an der Stelle weiter?“ schließt von Albrichsfeld.