Der Capitol-Saal der Banater Philharmonie ist voll, Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten haben sich da eingefunden: vom Unternehmer bis zur Putzfrau, vom Jugendlichen bis zum Rentner, von der Nonne bis zum zehn Monate alten Baby. Alle sind heute da, um sich das Konzert anzusehen, das der deutsche Dirigent Dominic Samuel Fritz jedes Jahr aufs Neue bietet. Gospel steht auf dem Programm - “Let it shine!” ist der Titel des diesjährigen Timişoara Gospel Project.
Die Band hat ihren Platz auf der Bühne eingenommen. Da sind die Geschwister Johnny und Daniel Kui an der Gitarre bzw. an der Bass-Gitarre, Cristian Creiniceanu am Klavier, Petre Ionuţescu an der Trompete und am Keyboard und Sergiu Catana am Schlagzeug. Kurz nach 19 Uhr gehen die Lichter aus und der Saal taucht in ein rötliches, dumpfes Licht ein. Die Band beginnt zu spielen und schon erscheinen die Chorsängerinnen und –sänger - tanzend, klatschend, singend. „This little light of mine – I´m gonna let it shine“. Das Publikum ist verzaubert. Bühne frei für das Timişoara Gospel Project!
Es ist das elfte Mal, dass in Temeswar/Timişoara das Gospel-Projekt stattfindet. Das Unterfangen wurde von Dominic Samuel Fritz ins Leben gerufen, der vor mehr als zehn Jahren Rumänien während seines freiwilligen sozialen Jahres kennengelernt hatte. Die Idee dahinter ist einfach: Unbekannte kommen für eine Woche zusammen, proben einige Gospels und Spirituals ein und bieten zum Abschluss ein öffentliches Konzert, das einem guten Zweck gewidmet ist.
Im Chor des Timi{oara Gospel Project darf also jeder mitsingen. Man muss sich im Voraus auf der Seite des TGP-Vereins, www.timisoaragospelproject.ro, bewerben und schließlich eine Woche lang bei den Proben aktiv dabei sein. Die Mehrheit des Chors bilden, wie schon seit Jahren gewohnt, die Frauen. „Von der Neunjährigen bis zur über 70-Jährigen ist vom Alter her alles dabei. Wir haben Deutsche, wie haben eine Dänin, wir haben einen Rumänen, der in Spanien lebt und extra fürs Konzert nach Rumänien kommt. Unser Chor ist multinational”, sagt der Initiator des Projekts. Knapp 100 Leute singen in diesem Jahr mit – der Kern des Chors bilden allerdings immer dieselben Sängerinnen und Sänger, die einen Teil des Repertoires schon sehr gut können. Doch nicht nur die alteingesessenen Teilnehmer des Timi{oara Gospel Project kennen die Lieder. Auch das Publikum ist inzwischen so gut im Gospel-Singen geworden, dass Dominic Samuel Fritz fast nur die Menschen im Saal dirigieren könnte und dabei ein gelungenes Konzert zustande käme. Fast.
„Die Solisten sind in diesem Jahr die ´cireaşa de pe tort´“, hatte Dominic Samuel Fritz im Voraus des Konzerts auf Rumänisch versprochen. (Anm.d.Red.: das Sahnehäubchen) Und recht hatte er, denn als bei „Wade in the water“ Vera Ciocan und Alexandra Giuca zu singen begannen, lief sogar dem ernstesten Zuhörer von allen ein angenehmer Schauer über den Rücken. Aktueller denn je ist “Wade in the water”. In dem Song, der zu den frühen Gospels aus den Tagen der Sklaverei in Amerika gehört, geht es um die Flucht des israelitischen Volkes aus der Sklaverei in Ägypten. Die “Kinder” sollten durchs Wasser waten, denn dort würden sie von den Hunden nicht aufgespürt werden. Dominic Samuel Fritz erinnerte an die Flüchtlinge, die auch heute noch über gefährliche Wasserwege nach Europa kommen.
Zwei Stunden lang begeisterte der Gospel-Chor das Publikum im Capitol-Saal. Von „This little light of mine“ bis zu „Siahamba“ war alles dabei. Doch auch viele neue Lieder konnten die Menschen im Saal genießen, darunter „The Peacemaker“ mit Dominic Samuel Fritz als Solist und R.Kellys „The storm is over“. Auf die Frage, ob der Chor des Timişoara Gospel Project irgendwann mal in dem Land des Gospels, in den USA, auftreten würde, antwortete Dominic Samuel Fritz mit einem Lächeln. „Wir müssten einen großzügigen Menschen mit einem großen, großen Geldbeutel finden, der uns das möglich machen könnte“, sagte er und fügte schnell hinzu: „Ich glaube aber, dass wir mittlerweile unseren ganz eigenen Sound entwickelt haben – ein Sound, der widerspiegelt, dass die Leute hier mit ganz verschiedenen Lebensgeschichten kommen, die in die Musik einfließen. Ich bin überzeugt, dass wir in den USA auf begeisterte Zuhörer treffen würden“.
Es war ein Konzert, das zum Nachdenken anregte, aber auch zum Entspannen einlud. „Der Eintritt ist frei, aber der Austritt kostet Geld“, hatte Dominic Samuel Fritz im BZ-Gespräch bekannt gegeben. Schließlich sollte der Zweck des Events nicht in Vergessenheit geraten. Seit Jahren wird das Timişoara Gospel Project veranstaltet, um Spenden für das Hospiz für Palliativkrankenpflege der Caritas Temeswar einzusammeln.