Im Café D’Arc hatte das ifa am Donnerstag zur Podiumsdiskussion „Wie kann Kultur Minderheiten stärken“ aufgerufen. „Temeswar hat mit der Idee der Vielfalt an Ethnien gewonnen. Sie sind nicht ausreichend im Programm vertreten“, hob Mona Petzek, Leiterin des Deutschen Kulturzentrums hervor. Unterstaatssekretär Thomas [indilariu, meinte, dass es unabhängig davon, ob die Kulturveranstaltungen im offiziellen Programm stehen oder nicht und so gefördert werden, wichtig sei es, diese durchzuziehen.
Inklusion, Mitmachen und weitere Öffnung, das alles waren Schlagwörter auch im Bidbook, mit dem Temeswar den Titel 2016 gewonnen hat. Einiges davon ließ sich schon am ersten Wochenende sehen: Für die Hörbehinderten unter den Teilnehmern an der Eröffnung am Domplatz wurde die Musik in Mimik und Gestik live auf der Bühne von Lavinia Chi]u interpretiert. Auch Rampen für Gehbehinderte wurden mancherorts angebracht, allerdings, wie Bürgermeister Fritz in der Pressekonferenz erwähnte, besteht da noch Bedarf. Mit der Ausstellung (in der Kunsthalle Bega) „Du bist ein anderes Ich. Eine Kathedrale des Körpers“ von Adina Pintilie sprach man das Thema Inklusion noch deutlicher an.
Auch das durchmischte Programm auf der Bühne am Domplatz, das von elektronischer Musik, über Rock zu taraf-Musik führte, sollte wahrscheinlich etwas für jeden bieten. So kam es, dass manchen das eine gefiel und das andere weniger, die meisten der Zuschauer aber sich einfach wohlfühlten. Fakt ist, dass im Augenblick des Auftritts der Voalá-Akrobaten (die Performance war als Muaré Experience zusammen mit den Musikern von Duchamp Pilot vollzogen) alle Augen gen Himmel gerichtet waren, denn diese hingen und tanzten an einem Gestell, das von einem Riesenkran über das Publikum, das den Domplatz nicht zum Überschwappen, aber doch zu 80-90 Prozent gefüllt hatte.
Polarisierende Meinungen löste das Projekt „1306 Pflanzen für Temeswar“ aus, ein Metallgerüst am Opernplatz mit genau 1306 Kübelpflanzen besetzt, das über fünf Etagen geht und neue Perspektiven bietet. Wir kommen darauf in einer folgenden Nummer der BZ zurück.
Auch unzufrieden zeigte sich Ioan Holender, der ehemalige Direktor der Staatsoper Wien und ein großer Temeswarer, der die offizielle Eröffnung frühzeitig verließ und sich zudem über die neue Benennung Kulturpalast äußerte: „Es hieß schon immer ‚Oper’“, eine Meinung die die Verfasserin teilt, denn „Kulturpalast“ erinnert stark an das kommunistische „Kulturheim“.
Die Highlights des Programms waren sicherlich die Victor-Brauner-Ausstellung (lesen Sie über diese Events in folgenden Ausgaben der BZ) und die Präsenz des Philosophen Peter Sloterdijk an der West-Universität Temeswar. Bei Victor Brauner standen die Besucher Schlange – damit wird Geschichte im Kunstmuseum geschrieben – und beim Vortrag von Peter Sloterdijk ergatterten manche Zuschauer nur einen Stehplatz in der Aula Magna.
Ein weiteres Wort aus dem Bidbook ist der Nachlass der Kulturhauptstadt: Es geht darum, dass etwas angekurbelt und aufgebaut wird, dass die Energie und das Strahlen nicht nach einem Jahr floppen. Fazit zum Wochenende: Die Temeswarer sind um viele Bilder, Klänge und Ideen reicher geworden; die Universitäten um zwei Ehrendoktoren – Ioan Holender an der Technischen Universität und Peter Sloterdijk an der West-Universität (ein Bericht von der Zeremonie und ein Interview werden nächste Woche erscheinen).
Das Programm der Kulturhauptstadt in Zahlen: 44 Millionen Euro in Projekte, 150 Millionen Euro in die Kulturinfrastruktur investiert (auch in den folgenden Jahren); 5000 Künstler; 90 Kulturinstitutionen aus Europa, den USA und Tunesien sind beteiligt. Am besten ist Deutschland mit 13 Kulturinstitutionen vertreten, gefolgt von Frankreich und Serbien mit je zehn und Österreich mit neun. Von den europäischen Regierungen, die Kulturprojekte im Rahmen des Programms TM2023 unterstützen, schneidet die deutsche Bundesregierung am besten ab, die mit 500.000 Euro deutsch-rumänische Koproduktionen fördert. Die Temeswarer und die Besucher – Bürgermeister Fritz geht davon aus, dass zwischen 500.000 und einer Million Gäste die Stadt besuchen werden – warten nun auf die kommenden Highlights!