Europamüde

Als Emil Constantinescu und seine hauptsächlich von Intellektuellen erfundene Demokratische Konvention 1996 die Wahlen gewonnen hatte, begannen in den – damals unter anderen Besitzverhältnissen stehenden – Medien kontrovers geführte Diskussionen über Europa, die („immer schon dagewesene“) Zugehörigkeit Rumäniens zu Europa und die Notwendigkeit, der EU-Staatengemeinschaft beizutreten. Lies: das Land und seine Politik so zu modellieren, dass es in die EU passt. Zeitweise hat man das sehr ernst genommen, indem man sich bemühte, Regeln der EU – „der zivilisierten Welt“ – zu respektieren.

Zeitgleich entdeckte Westeuropa – nach dem Sympathieschock und der toleranten Blindheit, die auf das Jahr 1989 folgten – auch die dunklen und bedrohlichen Seiten des Ostens, der „dazu gehörte“, etwa in Form des „polnischen Installateurs“, der Zigeunerhorden und der Erdbeerpflücker, der Kriminellen. Aber auch der neuen Gastarbeiter und der Altenpfleger, mittels derer man sich Gewissensalibis in einem sozialmüden System verschaffte.

Inzwischen ist „unser Platz in Europa“ in einer radikal veränderten Medienlandschaft kein Diskussionsthema mehr, denn das Thema fesselt weder Leser noch Fernsehzuschauer, schafft also kein Rating. Denn Medien sind zum reinen Geschäft geworden und nur eine Höchstzahl an Zuschauern und Lesern ist von Interesse. Europathemen halten keinen Vergleich aus mit Hochzeiten Neureicher, spektakulären Scheidungen oder wechselnden „Betthaserln“ von Möchtegern-Stars und Starletts.  Europa muss höchstens hinhalten, wenn die Regierung unpopuläre Maßnahmen trifft – dann „hat das Brüssel von uns gefordert.“

Dass Rumänien inzwischen EU-Mitglied ist, erklärt den Interessensabfall für das Thema Europa nur teilweise. Thematisiert, ohne Emotionen zu wecken, wird das Entwicklungsgefälle Rumäniens gegenüber den westeuropäischen Staaten, halbherzig sogar gegenüber den Musterschülern der Beitritte von nach 1989, Polen, Estland, Slowenien oder die Slowakei. Ungarn wird von rumänischen Medienaugen sowieso übersehen, auch wenn man vom westlichen Nachbarn noch so viel lernen könnte.

Der nationale bis nationalistische, tief populistische Diskurs der Politik hat weitgehend Oberwasser gewonnen, seit Rumänien EU-Mitglied ist. Europa kann sich uns nicht mehr verschließen, so beschäftigen wir uns mit unserem liebsten Thema: wie schön, gut, gescheit, kreativ, intelligent und heldisch wir selber sind. Es schon immer waren. Ansonsten sind wir im Spiegel der Medien europamüde und polemikensatt.

Dazu haben auch die langen Jahre erfolgloser „Reformen“ und Quatschdiskurse beigetragen sowie das ununterbrochene verfassungsbrecherische Handeln des Staatspräsidenten, der sich zunehmend benimmt, als sei er das Alpha und Omega der politischen Weisheit.

Andrerseits scheint auch Rumänien für Kerneuropa inzwischen wenig Interesse darzustellen, neben der Tatsache, dass die gegenwärtigen Führungsgremien von Brüssel keine Diskussionsimpulse aussenden. Ihre Rolle ist inzwischen von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy übernommen worden – und die wissen nicht, was sie wollen.