Voll online mit dem großen Minus, dass die Schriftsteller nicht mehr „zum Anfassen“ nahe waren und dass es dann auch keine großen Unterschriftenaktionen auf den Büchern geben konnte, aber doch mit dem ganz großen Plus, dass einem sehr interessierten Besucher nun nichts mehr entgeht,auch Veranstaltungen, die man aus den verschiedensten Gründen nicht live mitbekommen kann, sind nun „zugänglich“ und „abrufbar“ zu jeder Zeit: So hat die 9. Auflage des Literaturfestivals in Temeswar FILTM vergangener Tage stattgefunden.
Reich guten Gesprächen präsentierte sich das nun schon beim Publikum stark beliebte Event wie jedes Mal. Wie eine starke Infusion Tee wirkten sich die Diskussionen bei den Besuchern aus; voll bepackt und bereichert mit Kultur, erfrischt von ihrfühlte sich der Zuschauer auch diesmal.
Der Dichter Robert [erban, einer der Mitbegründer des Festivals, erwähnte in der Einleitung das diesjährige Thema, das mit dem Überschreiten der Grenzen und dem Zerschmelzen der Grenzen zu tun hatte: „Grenzen: flüchten, Zuflucht finden, wiederfinden“.
Grenzen und ein grenzüberschreitendes Projekt
In der Eröffnung ging es bereits um ein Buch-Event des Jahres 2020 in Rumänien, um ein „spektakuläres Thema, weil es sich um ein spektakuläres Buch handelt“, wie schon Robert [erban unterstrich: „Dic]ionarul romanului central-european din secolul XX“ („Das Wörterbuch des zentraleuropäischen Romans im 20. Jahrhundert), das demnächst im Polirom-Verlag erscheinen soll. Adriana Babe]i, die Koordinatorin des Bandes, Balázs Imre, Daciana Branea, Dorian Branea, Gabriel Kohn und Marius Lazurca haben sich aus Temeswar, Klausenburg, Budapest, New York und Mexiko zugeschaltet. Es handelt sich um ein Werk, das sicherlich das Interesse der Spezialisten, aber auch der Literaturliebhaber finden wird und das vor Jahren im Rahmen der Literaturforschungsgruppe der Stiftung „A treia Europ²“ („Das dritte Europa“) initiiert wurde.
Wie Adriana Babe]i unterstrich, wäre es wahrscheinlich angebracht gewesen, an die 100 Leute auf dem Bildschirm zu sehen, die alle an diesem Projekt gearbeitet haben. Das Buch ist nicht nur für die Wissenschaftler von Interesse, es stellt auch ein Stück Kulturgeschichte dar und spricht von der Arbeit der Forschungsgruppe im Temeswar der 1990er Jahre, von dem spezifischen Kontext: „‚A treiaEurop²‘ war eine Utopie, worüber ich im Vorwort auch spreche; viele haben sich über dieses Vorwort gewundert“, unterstrich Adriana Babe]i, die daran erinnerte, dass „es sich um eine Initiativehandelt, die nur hier geboren werden konnte, in dem Kontext, in diesem Multi-Kulti-Raum, wie ich ihngernezu nennen pflege“. In der monumentalen Arbeit ist „der besondere Geist dieser Region, diese Neugierdeauf das Neue, das Gespürfür Innovation zu ersehen, auch der Teamgeist“.Und umdie Verdienste der Forschergruppe hervorzuheben, erklärte Adriana Babe]i, was diese ausgemacht hat: „unsere Solidarität, unsere Beziehungen, die authentische Interdisziplinarität“. Die Literaturwissenschaftlerin und Autorin erinnerte auch an das, was sie angeregt hat, das Projekt zu Ende zu führen: „In einem Interview hat Czesław Miłosz gesagt, dass uns Zentraleuropäer die Unfähigkeit charakterisiert, unsere Projekte zu verwirklichen. Damals habe ich mir gesagt: Das kann nicht sein! Jetzt hoffe ich, dass wir das erreicht haben, was wir wollten“.
Deutscher Roman ins Rumänische übersetzt
Wenn es sich bei diesem Wörterbuch um ein in Temeswar geborenes, aber bis zuletzt landesweites und sogar länderübergreifendes Projekt handelt, sind auch bei dieser Auflage der Internationalen Literaturfestivals auch Autoren aus dem In- und Ausland zu Wort gekommen. Aus dem deutschsprachigen Raum war es diesmal der deutsch-bulgarische Schriftsteller Ilija Trojanow, der von der AutorinJana Volkmann interviewt wurde. Dabei ging es um Trojanows Roman „Macht und Widerstand“, der ins Rumänische übersetzt worden ist und demnächst unter dem Titel „Putere {i rezisten]²“ im Cartier-Verlag in Kischinow/Chi{in²u erschienen wird. Ein Roman, der von zwei Figuren geprägt wird, Konstantin und Metodi, deren Lebenswege sich mehrmals kreuzen und die sehr unterschiedliche Lebensauffassungen haben: Konstantin ist Widerstandskämpfer und einIdealist, Metodi hingegen ein Opportunist und ein Mann des Regimes. Gespräche mit Zeitzeugen sowie Dokumente sind in den Roman hineingeflossen, das von Bulgarien in der kommunistischen Zeit erzählt.
Nicht zuletzt machten Gespräche wie das mit dem Philosophen Pascal Bruckner auf das Festival aufmerksam. Das Schöne an der diesjährigen Auflage ist vielleicht auch, dass man sich diese Gespräche auch Tage später im Online ansehen und anhören kann.