Die Sehnsucht nach Sauerstoff und nach dem Sattsehen an dem Grün ist in den letzten „indoor“ verbrachten Monaten unglaublich gestiegen. Außerdem ist nach den vielen, viel zu vielen online verbrachten Stunden eine Detox-Kur nur angebracht, eine Detox-Kur von den Pixeln, dem Multitasking und dem Glotzen vor der Glotze oder den Gadgets, und die auch etwas Anderes mitbringt: mehr Achtsamkeit. Achtsamkeit ist das, was der heutigen Generation von Menschen, die von Technologie umgeben sind, immer mehr fehlt und wieder gelernt sein will: Es geht darum, im Hier und Jetzt zu sein und das wahrzunehmen, was um einen herum passiert oder einfach den Ist-Zustand von kleinen Dingen wahrnehmen, zum Beispiel den Wind fühlen, die Blumen blühen sehen, all jenes, an dem man in dem Vorbeihasten und dem Sich-von-Task-zu-Task-Hangeln vorbeisieht.
So nah…
Das Arboretum in Basosch bietet für Temeswarer die Zuflucht, die nach so vielen Monaten Abschottung die Lust, den Wunsch nach unmittelbarem Kontakt mit der Natur erfüllen kann. Knapp sechzehn Kilometer Autofahrt und man entkommt all dem, von dem man in den letzten Monaten genug hatte: den vier Wänden, der Stadt, der Technologie.
Der Park ist am Frühnachmittag unter der Woche fast menschenleer, am Eingang parken drei Autos. Gleich wenn man den Park betritt, wird man von einem Meer von Grün umgeben, von so vielen Grünnuancen, dass einem die Worte fehlen: Blattgrün und Grasgrün reichen nicht aus, denn es gibt Blätter und Blätter, es gibt Gräser und Gräser und in einem in den letzten Monaten verwilderten Arboretum sind sie zwar verwoben, lassen aber doch eine breite Palette an Grün erkennen. Es gibt also, wie der aufmerksame Spaziergänger erkennen wird: Nussbaumgrün, Birkenblattgrün, Tannengrün, Holunderbuschgrün und so geht es in einem fort. Hie und da wird das Grün von einer Farbe durchbrochen, hier das Weiß des Holunders, dort das Rot einer einzelnen Heckenrose. Hie und da, sehr selten, aber gerade genug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
… und so anders
Zum Spazieren lädt der Park ein, und wem das nicht aktiv genug ist, auch zu genüsslichem Badminton oder zum Frisbee-Zuwerfen in einer Lichtung. Stört nur, dass hier einige Baumstämme liegen. Beim Eingang war ein Blatt Papier, das besagte, dass hier legal abgeholzt wird und trotzdem macht das traurig. Das Arboretum lädt auch zum Entdecken ein: Nicht alles ist zugewuchert und bedeckt. Man kann noch die Schildchen erkennen und über die Bäume und Büsche lesen, die einem auf dem Weg zukommen. Name, lateinische Bezeichnung und Herkunft – und hier sind die Kontinente in einem Park vereint: Europa, Amerika, Asien. Das Arboretum ist vor dem Ersten Weltkrieg angelegt worden: Ludovic Ambrozy, der damalige Besitzer, hat zwischen 1909 und 1914 zig Bäume vom nordamerikanischen Kontinent anpflanzen lassen.
Nur wenige Schritte weiter: Den vermissten Park haben wir verwildert gefunden, pflegebedürftig auf jeden Fall, um als Park dazustehen. Aber das Wort Wäldchen, das nun besser dazu passt, stört den Spaziergänger nicht, das bisschen Chaos der Natur tut gut. Das Wäldchen lädt zum Verlaufen ein. Hie und da hängt in den alten Ästen ein Vogelhäuschen. Vogelgezwitscher und Insektensummen sind außer den raschelnden Blättern unter den Füßen die einzigen Geräusche, wenn wir nicht reden. Das Lauschen tut gut. Es sind Geräusche, die man nur in der Natur so prägnant wiederfindet. Man kann sie in sich hineinsaugen, wie die Luft, die unglaublich nach Sauerstoff riecht, nach Wald und Freiheit.
Die ersten Menschen nach einer halben Stunde spazieren. Sie haben denselben Zweck: Luft, Natur, Stadtlosigkeit, Betonlosigkeit. Kein Grau, nur Grün. Die Lichtung, an deren Rand die Bäumchen des diplomatischen Korps aus Temeswar stehen, ist einladend in Sonnenlicht getaucht, das Grün schimmert wärmer. Unter einer riesigen Eiche in der Mitte der Lichtung ist eine Bank und ein menschenhohes Insektenhaus, riesig für Insekten. Es ist einladend auf der Bank zu sitzen, dem zuzuschauen, was die Natur hier zu bieten hat.
Der Spaziergang zurück ist mit mehr Sorglosigkeit verbunden und Übermut, denn das Wäldchen ist nun ausgelotst. Es ist 17 Uhr, vor dem Wäldchen in Basosch halten dreimal so viele Autos an wie vor zwei Stunden.