Im Dezember 2012 - Januar 2013 hatten wir den Fall des Diebstahls eines mehr als eine Tonne schweres Tresors, der – laut Besitzer – 370.000 Euro und 160.000 Lei enthielt. Die Kriminalpolizei und die Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und Terrorismusbekämpfung DIICOT Temeswar tappt auch heute im Dunkeln. Das ist wohl peinlich, in unserem Kontext aber nebensächlich. Auffallend, dass nach zaghaften Fragen nach der Herkunft der enormen Summen bei einem Staatsangestellten niemand der Sache nachging. Heute wird nur der Diebstahl an sich, nicht aber die Ursache des selben untersucht.
Man hat sich daran gewöhnt, dass zwielichtige Individuen in Bescheidendienst praktisch über Nacht als steinreiche Ehrenmenschen auftreten und fragt nicht nach dem Woher. Trotz der Tatsache, dass es ein (mehr oder weniger entsprechendes) Gesetz zur Überprüfung der Vernögensherkunft gibt.
Damit hat sich in Rumänien eine Geldklasse herausgebildet, die, hauptsächlich durch freche und geschickte Manipulation von EU- und/oder Steuergeldern (aber auch die EU-Gelder sind Steuergelder) in die eigene Tasche scheffelt.
Zu dieser Geldklasse gehören nicht nur die legalen Absahner. Etwa Consultingunternehmen, die EU-Projekte schreiben und dafür Prozente der Projektfinanzierung ganz legal kassieren. Hierher gehören auch die vielen kleinen und illegalen Absahner, die einfach beim Umgang mit viel Geld etwas davon so „umleiten“, dass es wie zufällig in ihrer eigenen Tasche landet. Hier kommt es auf die Masse der Individuen an, die an den Rahmtöpfen schlecken und sich gegenseitig von deren Rand wegzudrängen versuchen. So spaltet sich allmählich von der Geldklasse Rumäniens die Schicht der Überwendigen ab, die es nicht nur immer besser verstehen, Moneten in die eigene Tasche kullern zu lassen (möglichst ohne sie direkt zu berühren...), sondern deren Selbstbewusstsein (und mit ihm ihr sociales Selbst-Verständnis) mit jeder gelungenen „Transaktion“ entsprechend steigt. Alle anderen werden in ihren Augen zunehmend zu Sozialtrotteln, die arbeiten und ihre Abgaben leisten, um ihnen, den Auserwählten, die Zusatzverdienste zu sichern, die ihnen auf die selbstverständlichste Art - einfach qua Amt - zustehen. Meinen sie. Und sind Teil der verallgemeinerten systemimmanenten Korruption Rumäniens, die es auch meisterhaft versteht, jede Kontrolle zu überstehen. Durch Korruption. Genau nach dem rumänischen Sprichwort „Ciu pe cui se scoate“ (=etwa: „Nägel zieht man mit Nägeln.“/“Nägel werden mit Nägeln rausgeschlagen.“).
Korruption wird zur sozialen Norm, zu Recht (Sprachformel: „Ich habe ihm sein Recht gegeben!“): es ist völlig normal, dem Doktor ein fettes Trinkgeld in die Kitteltasche zu schieben, den Lehrer vor der Reifeprüfung zu „ehren“, dem orthodoxen Pfarrer für jede lithurgische Geste Geld ohne Quittung zu zahlen, gesellschaftsrelevanten Projekten mittels Geld „nachzuhelfen“, öffentliche Ausschreibungen zu „arragieren“.
Auch die Redlichkeit hat ihre Gebühr. Korrektheit ist ein Luxus in der Gaunerwelt. Korruption das Gesetz.