Über 120 Germanisten aus 19 Ländern der Welt kamen vor Kurzem in Temeswar zusammen: In der Stadt an der Bega wurden 60 Jahre, seitdem man hier Germanistik studieren kann, begangen. Im Jubiläumsjahr veranstaltete die Germanistik-Abteilung an der West-Universität die Internationale Tagung „Germanistik zwischen Regionalität und Internationalität“. Den Studiengang „Germanistik“ hatten im Laufe der Zeit zahlreiche Persönlichkeiten aus den Reihen der Rumäniendeutschen abgeschlossen. Dazu gehören, zum Beispiel, die Nobelpreisträgerin Herta Müller, aber auch Gründungsmitglieder der Aktionsgruppe Banat wie etwa Richard Wagner, Werner Kremm, William Totok oder Johann Lippet.
Eine Lesung mit den Banater deutschen Autoren Johann Lippet, William Totok und Balthasar Waitz, in der Moderation des Journalisten Werner Kremm, rundete den ersten Konferenztag ab. Es war ein voller Tag, an dem man in Plenarvorträgen in der Aula Magna aktuelle Themen der Germanistik diskutiert hatte. Ehrengäste, wie etwa der Abgeordnete der Deutschen Minderheit im Rumänischen Parlament, Ovidiu Ganţ, der deutsche Konsul in Temeswar, Rolf Maruhn, oder die Schriftstellerin Doz. Dr. habil. Carmen Elisabeth Puchianu, geschäftsführende Vorsitzende der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, waren dabei und hoben die Bedeutung der Germanistik-Abteilung hervor. Das Herz der Temeswarer Germanistik ist seit 20 Jahren Prof. Dr. Roxana Nubert. „Die Hauptrolle unseres Lehrstuhls ist, Deutschlehrerinnen und –lehrer auszubilden. Der Lehrstuhl spielt aber auch in kultureller Hinsicht eine bedeutende Rolle: Wir müssen dazu beitragen, dass unsere Studierenden im Geiste der Banater Literatur ausgebildet werden“, sagte Prof. Dr. Nubert.
Gegründet wurde die Germanistik-Abteilung 1956 im Rahmen der Philologie-Fakultät des Pädagogischen Instituts, die Vorgängereinrichtung der West-Universität. Gründungsmitglieder waren die Professoren Dr. Stefan Binder, Dr. Hans Weresch und Dr. Rudolf Hollinger. Nicht immer hatte es die Germanistik-Abteilung leicht gehabt: Im Kommunismus wurden einige Lehrer und Studierende verfolgt und verhaftet. 1980 kam es wegen der politischen Situation sogar so weit, dass Germanistik als Hauptfach nicht mehr angeboten werden konnte. Viele berühmte Germanisten zogen damals in die Bundesrepublik Deutschland. Die Erinnerung an seine ehemaligen Lehrer ist bei Dr. Walter Engel aus Neuss bei Düsseldorf auch heute noch lebendig. „Ich habe eine große Achtung vor meinen Universitätslehrern, denn sie haben mir und meinen Kollegen das Rüstzeug für die berufliche Existenz gegeben“, sagte Dr. Walter Engel, der in Temeswar Germanistik studiert hat und später auch als Lehrkraft an dieser Abteilung tätig war.
Im Anschluss an die Tagung setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, in Sektionen, mit spezifischen Themen auseinander. Unter anderen ging es um die rumäniendeutsche Literatur (zwei Abteilungen waren Richard Wagner und Herta Müller gewidmet), um Exil und Migration in Literatur und Film, um österreichische Literatur, um Linguistik und Didaktik, und vieles mehr. Eine Sondersektion war den deutschen Regionalsprachen und dem ehemaligen Dozent an der Germanistik-Abteilung, Peter Kottler, der vor drei Jahren gestorben ist, gewidmet. Peter Kottler, der zur ersten Germanisten-Generation aus Temeswar gehörte, hatte sich ein Leben lang intensiv mit Forschungen zum Wörterbuch der Banater Mundarten beschäftigt. Prof. Dr. Hermann Scheuringer vom Forschungszentrum Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa der Universität Regensburg ließ das Leben und Schaffen von Peter Kottler Revue passieren.
Nach 1990 erlebte die Germanistik-Abteilung eine Wiedergeburt. Man konnte erneut Deutsch als Hauptfach studieren. Die Zahl der Lehrkräfte wuchs stetig, so dass heute 15 Unterrichtende an dieser Abteilung tätig sind. Verantwortlich für die Germanistik-Abteilung ist aktuell Dozentin Dr. Laura Cheie. „Über das Thema Interdisziplinarität, also die Stelle der Germanistik in der heutigen Welt in Beziehung zu den anderen Wissenschaften, wird viel diskutiert, auch ´Interkulturalität´ ist immer wieder und vor allem wegen der aktuellen politischen Situation in Europa, ein aktuelles Thema“, sagte Doz. Dr. Laura Cheie.
Dass die Germanistik ein gefragter Studiengang in Temeswar ist, wurde während der Tagung mehrmals hervorgehoben. Schließlich erlebt auch das Interesse für das Erlernen der deutschen Sprache einen Aufwind wie nie zuvor. Doz. Dr. Laura Cheie, wie auch Prof. Dr. Roxana Nubert, betonten, dass es unter den Absolventen der Germanistik keine Arbeitslosen gäbe. Auch wenn die meisten nicht den Lehrerberuf wählen, so finden sie gut bezahlte Arbeitsplätze in Wirtschaft und Industrie. In Temeswar kann man Germanistik als Bachelor studieren, es gibt aber auch die Möglichkeit, den Masterstudiengang „Deutsch in europäischem Kontext – interdisziplinäre und multikulturelle Studien“ zu besuchen. Zudem betreut Prof. Dr. Roxana Nubert Promotionen im Bereich „Germanistik“.