Am 12. August 2017 erfüllten sich 300 Jahre seit der Geburt, in Venedig, eines der bedeutendsten Universalgelehrten, des Autors des 18-bändigen Dizionario delle arti de´mestieri (1768-1778) und der ersten umfassenden Beschreibung des Banats.
Francesco Griselini debütierte als Kartenzeichner 1740, um bald vom Dogen den Auftrag zu bekommen, die auf Tuch gezeichneten Karten aus dem 16. Jh. in der sala dello scudo im Dogenpalast zu restaurieren. Die Kartografie trat im Rahmen seiner Beschäftigungen zunehmend zurück zugunsten Geschichte, Geografie, Natur- und humanistischen Wissenschaften. Ein Theologiestudium in Venedig hatte er abgebrochen und Liberia Pompiglia geheiratet. Zunehmend wendet er sich journalistischen Aktivitäten zu, schreibt literarische und wissenschaftliche Beiträge und arbeitet am Giornale d`Italia mit, den er sich auch während seines Banat-Aufenthalts 1774-77 zuschicken lässt. Äusserst fruchtbare Tätigkeit entfaltet er im Bereich der Agronomie und der Landwirtschaftsökonomie – womit er mitteleuropäischen Theorien des Merkantilismus entgegenkommt.
Er wird zum Mitglied vieler Akademien und Wissenschaftlergesellschaften und ist Sekretär der Mailänder Gesellschaft zur Förderung der Landwirtschaft, der Künste, Manufakturen und des Handels. Eine Zierpflanze, die aus Südamerika akklimatisiert wurde, erhält den Namen Griseliana.
In relativ fortgeschrittenem Alter und als bereits weit bekannter Gelehrter begibt sich Francesco Griselini auf seine Banatreise. Eingeladen dazu hat ihn Baron Josef Brigido de Bresowitz und dessen Bruder Pompejus, die er 1770 im Haus des Grafen Jakob/Giaccomi de Durazzo, des kaiserlichen Gesandten in der Republik Venedig, kennenlernte. Josef Brigido wurde Gouverneur des Banats. Am 24. August 1774 machte sich Griselini dorthin auf die Reise. In Temeswar kommt er gemeinsam mit Baron Josef de Brigido in der Nacht des 21.-22. Septembers an. Untergebracht wird er im Präsidentschaftspalais am Domplatz, wo er bis 1777 wohnt.
Das Interesse Griselinis fürs Banat war, wie auch Dr. Costin Feneșan vermutet, vom Buch Ignaz von Borns „Briefe über mineralogische Gegenstände auf seiner Reise durch das Temescher Bannat, Siebenbürgen, Ober- und Niederungarn“ (Born wurde 1742 in Alba Iulia geboren) geweckt, was Giselini indirekt zugibt: „...sapevo già per fama che questo paese andava ricco...“, aber auch vom Mineralogen Johann Jakob Ferber, der 1773 alle Bergbaugebiete von Schweden bis Italien besucht hatte. Alexander Krischan schließt nicht aus, dass Griselinis Banat-Aufenthalt, ausser dem wissenschaftlichen Interesse, auch ein praktisches, einen Auftrag des Wiener Hofs barg, auch wenn er zu jener Zeit keinerlei Funktion dort bekleidete. Aber sein Ruf als Landwirtschaftsfachmann kam dem merkantilistischen Hof sicher entgegen, indem man ihn als Berater von Gouverneur Brigido schätzte, in einer Zeit aufklärerischer Reformen – man denke bloß an den Reisanbau, die Maulbeerbaum- und Seidenraupenzucht, wo Griselini europaweit als Fachmann galt.
Griselini verließ das Banat Ende Januar 1777 und verweilte erst in Wien, wo ihn Anfang März Maria Theresia zu einer Audienz empfing. Ihr widmet er die italienische Version seiner Banat-Beschreibung. Maria Theresia entschädigt Griselini für seine Bemühungen mit 400 Fl., die dieser beabsichtigt, für die Veröffentlichung eines zweiten Bands der Banat-Beschreibung, mit von ihm angefertigten Illustrationen, zu verwenden. Dazu kommt es leider nicht mehr. Er lässt sich in Mailand nieder und geht 1780 in Rente. Er stirbt 1784 in einer Nervenheilanstalt.
Seit seiner Erstveröffentlichung ist Griselinis Werk übers Banat oft nachgedruckt worden, ganz oder teilweise. Die erste Übersetzung ins Rumänische lieferte der Protopope von Temeswar, Melentie Drăghici 1881-82, die nächste Übersetzung kommt 1930 durch Nicolae Bolocan. Übersetzungen ins Serbische gibt es seit 1827 (im Banatski Almanah), einen Nachdruck im Tamisvarski Kalendar 1854. Die beste Rumänischübersetzung liefert Dr.Costin Fene{an im Temeswarer Facla-Verlag 1984.
Griselinis Banat-Buch besteht aus zwei Teilen, einer politischen und einer natürlichen Geschichte des Banats, alles geschrieben als „Briefe” an diverse Persönlichkeiten seiner Zeit. Ursprung und Charakteristika des Rumänischen untersucht Griselini im Brief VIII, gerichtet an Girolamo Tiraboschi, einer Berühmtheit der italienischen Literatur. Archäologisches ist Gegenstand des IX.Briefs, gerichtet an den kaiserlichen Diplomaten Graf Karl Joseph von Firmian, usw. In Teil II, der Naturgeschichte des Banats, schreibt er an den Mönch Lazzaro Spallazano, der selbst eine glänzende Beschreibung einer Rumänienreise verfasst hat. Nur der letzte Brief ist an Giovanni Antonio Scopoli gerichtet (über die Kolumbatscher Fliege, die periodische Rinderplage im Banat), ein Professor an der Universität Pavia.
Im Weiteren soll von Griselinis Briefen die Rede sein, die mit der römischen Epigraphie und der Bergbaugeschichte zusammenhängen, zwei meiner Fachgebiete. Brief IX geht auf „römische und barbarische” Überreste an beiden Donauufern ein – vor allem die „Tabula Traiana”, die Briefe VI-VII des Teils II auf mineralogische Funde und Fundstätten sowie die Beschreibung von Orawitza und Umgebung und von der freien Bergstadt Dognatschka und „der dortigen berühmten Simon-Judae-Grube”.
Griselini verbrachte 20 Tage in Herkulesbad (Ad Mediam) und beschäftigte sich eingehend mit den Funden und Inschriften aus Römerzeit. Er ist überzeugt, dass die zahlreichen Votivaltäre von Herkulesbad sämtlich aus einem Tempel stammen müssen, der Herkules, Aeskulap und Hygaeea sowie Gottheiten des Thermalwassers gewidmet war, dessen Heilkraft hier genutzt wird.. Der Tempel muss am Cerna-Ufer gestanden sein, an einer Stelle mit mehreren Thermalquellen (Thermae Herculis). Griselini bestätigt, dass die meisten römischen Inschriften 1736, zur Zeit von General Andreas Hamilton aufgezeichnet wurden, der damals Gouverneur des Banats war. Auf Befehl Kaiser Karls VI. war man zu jener Zeit an die Restaurierung des römischen Thermalbads geschritten. Die vorgefundenen Antiquitäten gelangten nach Wien. Sie wurden in der Hofbibliothek, heute Österreichische Nationalbibliothek, ausgestellt. Griselini widergibt den Text von 13 Inschriften, über die vorher der Italiener Pascalis Caryophilus (Pascalo Garafalo) in „De Thermis Herculanis nuper in Dacia detectis” (Wien, 1737) geschrieben hatte.Theodor Mommsen hat sie im Corpus Inscriptionum Latinarum (III) übernommen.
Darauf folgt die ausführliche Beschreibung einer Reihe von Statuen und Statuetten von römischen und ägyptischen Gottheiten, wobei Griselini einige, später berichtigte, Fehler betreffs deren Herkunft macht. Viele sind in Wien erhalten, einige beim Transport auf der Donau gesunken. Griselini beschreibt auch römische Grabsteine, u.a. jenen, nach dem Centum Putae in der Nähe von Deutsch-Saska lokalisiert wird (auch auf der Tabula Peutingeriana).
Géza von Bene, Bergbauingenieur in Steierdorf und Reschitza, später Generaldirektor der StEG, fand, ähnlich wie Griselini, römische Galerien, hatte aber genausolche Zweifel wie der Italiener und betitelte nicht zufällig einen seiner Beiträge in der Österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen (45/1897) „Befahrung einer muthmaßlichen römischen Edelmetallgrube bei Moldova”. Als Arbeitskräfte vermutet Griselini die ad metalla damnati, darunter mit Sicherheit viele frühe Anhänger des Christentums, die „ab Zeiten Trajans” als Zwangsbergleute in die Provinz Dazien verbannt wurden. Trotzdem gab es auch Liberten im Bergbau, was Griselini bezüglich Marcus Ulpius Hermias bestätigt, auf dessen Grabaltar steht, er sei Libert des Trajan und der erste Leiter des Collegium Aurarium im Ampulum/Zlatna gewesen, dem Zentrum des römischen Goldbergbaus in Dazien. Auch die Wachstafeln, die im 18.-19. Jh. in römischen Galerien in Alburnus Maior/Roșia Montană gefunden wurden, bestätigen die Anwesenheit zahlreicher Liberten, meist illyrischen Ursprungs.
Ausführlich beschreibt Griselini die Bergbautätigkeit in den vier Banater Revieren, auch die Gewinnverteilung (von 132 Cuxen bleiben 128 dem Betreiber, zwei dem Kaiser und zwei der Bruderlade), Unterkünfte usw., einschließlich des eingesetzte Personal. In Dognatschka besichtigt Griselini in Begleitung des Bergmeisters die von Ignaz von Born gelobte Simon Judae Grube („das beträchtlichste Kupferwerk, welches vielleicht jemals in Europa entdeckt wurde”). Griselini erlebt die Zeit, da die Bergbaukunst nicht mehr bei Georgius Agricola („De re metallica libri XII”) sondern bei Gegenwartswissenschaftlern erlernt wird, etwa das Auspumpen der Galerien vom eindringenden Wasser, was der Italiener in Dognatschka sehr plastisch beschreibt (nach Jacobus Leopoldus „Theatrum Machinarum generale”, 1724). Reste der zur Zeit Griselinis gebauten Pumpe in Schacht „Christina” („Krummzapfenkunst”) fand ich 1967, einen Dürrejahr, noch vor.
Brief X beschäftigt sich mit den Goldwäschereien im Nera- und im Minisch-Tal, aber auch im Distrikt Karansebesch. Goldhaltiger Alluvionssand wurde auch in den Zuflüssen der Nera gewaschen: Lăpușnicel, Prigor, Șopot. Allerdings findet Griselini, dass die Mengen eine gewerbsmäßige Ausbeutung nicht rechtfertige.
(Der Vortrag wurde zwecks Allgemeinzugänglichkeit in rumänischer Sprache gehalten. Übersetzt und gekürzt von Werner Kremm)