Der Fußball wird ebenfalls gebührend geehrt, sagt Flavius Sitaru, Vorsitzender der Sportvereins CS Unirea Großsanktnikolaus. In der Stadt an der Aranka fragen sich jedoch nu wenige, warum zum 60. Gründungsjubiläum des Vereins vorerst allein dem Handball die Ehre erwiesen wird. Der Handball ist nun mal das Aushängeschild des Sports in der westrumänischen Kleinstadt, auch wenn die Mannschaften nur seit etwa eineinhalb Jahrzehnten unter diesem Namen agieren. Comerțul, Aranca-Venray, oder Zoppas waren die Namen, mit denen der Handballsport in die oberen Spielklassen aufgestiegen ist.
Namhafte Mannschaften und Legenden des Handballs hatte der Initiator und frühere Vereinspräsident von Aranca-Venray, Tiberiu Muntean, zu den beiden Tagen des Handballfestes eingeladen. Siofok KC und EUbility Group Bekescsaba, HC Zalău und SCM Craiova waren es bei den Damen; die international erfahrene Pick Szeged und Serbiens Landesmeister RK Vojvodina Novi-Sad bei den Herren, die auf dem Parkett ihr Können zeigten. Siofok und Pick Szeged bewiesen sich letztendlich als die besten. Die Pause des Herrenspiels dauerte etwas länger als gewöhnlich bei solchen Treffen, denn vor vollem Haus wurden in der gut in Schuss befindlichen Sporthalle („Wir haben eine sehr gute Sportinfrastruktur“, sagt Vereinspräsident Sitaru) die ehemaligen Handball-Herren ausgezeichnet, die dazu beigetragen haben, dass Comerțul in den Jahren vor der Wende Handballgeschichte geschrieben hat. Außerdem gingen Ehrenplaketten für ganz besondere Verdienste an Vasile Istode, Gheorghe Petkov und Petre Bobocea. Es mag Zufall sein, dass alle drei ihr Leben auch heute, viele Jahre danach, in der Stadt gestalten, in der sie Handball auf hohem bzw. höchstem Niveau gespielt haben.
Heute ist das Sportgeschehen in Großsanktnikolaus vorwiegend eine Sache des Jugendbereichs. Die Fußballer spielen in der 4. Liga, ohne große Hoffnungen und Ambitionen auf höhere Gefilde, die Handballer agieren in der Kreismeisterschaft auf unterstem Niveau. Seniorenvereine mit gewissen spielerischen Ansprüchen sind notwendig, um Anreiz für die Jugend zu schaffen. Das wissen auch die Verantwortlichen aus der Stadt, denn nur so können sie den Junioren eine Plattform bieten, sich sportlich zu entwickeln. Und mittlerweile sind es mehr als 400 Kinder und Jugendliche, die in Großsanktnikolaus in acht Abteilungen Sport treiben. „Die Kreismeisterschaft ist natürlich viel zu schwach für unsere Handballer und die nächsthöhere Liga – die zweite Liga – zu teuer“, sagt der Bürgermeister von Großsanktnikolaus, Dănuț Groza. „Wir überlegen, uns komplett vom rumänischen Handballverband abzunabeln und in der ungarischen Liga zu spielen“. Das habe keinesfalls antinationalen Hintergrund, sondern einen rein ökonomischen, setzt der Bürgermeister fort. „Der Handball in Rumänien ist einfach schlecht organisiert“ (Groza). Um den langen Ausfahrten mit hunderten Kilometern An- und Abreise sowie teuren Übernachtungen zu entgehen, hatten die Unirea-Handballer bereits vor zwei Jahren in der ungarischen Kreisliga Csongrad gespielt und dort einen gute organisatorische Erfahrung gemacht, wurden mit Fair-Play behandelt und hatten mit ihrem Trainer und heutigen Unirea-Handball-Abteilungsleiter Joszef Roos-Suba nicht zuletzt die Staffel gewonnen. Sollte Großsanktnikolaus wahrhaftig seine Abwanderungsgedanken durchsetzen, wäre das ein harter Schlag und möglicherweise ein Trendsetter für viele andere Mannschaften, die sich etwas wie ein regional gebundene Liga wünschen.
„Ihr müsst auf Eure Trainer hören und hart arbeiten. Ich habe immer so trainiert, als sei ich der schlechteste“, sagte die Trainerlegende Hans-Günther Schmidt beim Abendbankett nach den Turniertagen. Dabei hat der Impuls eines Mannes, den Schmidt nie wieder gesehen hat, wahrscheinlich seinen Lebensweg geprägt. Hans Günther Schmidt erinnert sich an das Jahr 1953 zurück. „Ich spielte als Elfjähriger mit der zweiten Marienfelder Mannschaft auswärts in Tschanad und da sagte mir der Wirt aus der Nähe des Stadions ´aus dir wird mal ein ganz Großer´ („Ich kriege Gänsehaut“, sagt er tief gerührt von den Erinnerungen). Dabei hatten wir gerade 1:17 verloren“. Schmidt setzt fort: „Wissen Sie was? Ich habe dem Mann geglaubt“.
„Das Banat bleibt meine Heimat“ – mit solchen Worten hat er bereits ausreichend gesagt, warum sich der ehemalige Weltklassehandballer in diesen Tagen im Banat aufhielt. Dabei wollte sein Trainer in Temeswar aus ihm einen Speerwerfer von Format, einen künftigen Rekordhalter, machen. Eine Verletzung beendete jedoch schnell diese sich anbahnende Karriere. Zehn Jahre nach jenem denkwürdigen Tag in Tschanad entscheidet sich „Hansi“ Schmidt bei einem Turnier der rumänischen Nationalmannschaft in Deutschland zu bleiben. In 13 Bundeligajahren erzielte der Rückraumspieler mehr als 1000 Bundesligatore und war tragende Säule der Erfolge des VfL Gummersbach und der deutschen Nationalmannschaft. Andere geladene einstige Handballgrößen aus Bukarest mussten ihre Präsenz beim Handballfest absagen. Gekommen war jedoch unter anderen der Trainer der großen „Comerțul“ Ende der 1980er Jahre, Victor Țâmpu, der heute in Deutschland lebt.
Obwohl der Frauenhandball in Großsanktnikolaus nie an das Niveau der Männer herankam, brachte die Region auch in diesem Bereich große Sportlerinnen hervor. Die in Tschanad geborene Irene Günther, Mitglied der rumänischen Weltmeistermannschaft 1956 und 1960 wird im farbig bebilderten Präsentationsheft – herausgegeben zum 60. Sportjubiläum – porträtiert. In Großsanktnikolaus ließ sie sich nach der frühen Aufgabe ihrer Sportkarriere (mit 26 Jahren) nieder und sollte hier bis zu ihrer Auswanderung bleiben. Sie verstarb 1986 in Deutschland.
Trotz Konjunktur bedingtem Kreisliganiveau des derzeitigen Handballs in der Stadt an der Aranka ist der Stern dieser Sportart nicht gänzlich verblasst. Der 18 Jahre alte Andrei Buzle hat in Großsanktnikolaus mit dem Handballsport begonnen; zur Zeit ist es beim renommierten CF Barcelona unter Vertrag und spielt voraussichtlich vorerst in dessen zweiten Mannschaft.