In den Disputen rund um die Wegsperrung des Gutmenschen Gheorghe/Gigi/Jiji Becali kam sehr oft die Formel vor: „un om valoros“, „ein wertvoller Mensch“. Nur ist in diesem Kontext und im Inhalterkennungscode des Gegenwartsrumänischen dieses „Valoros“-„Wertvoll“ nicht so zu verstehen wie im Deutschen.
Die Fügung „un om valoros“ gehört zum neurumänischen politischen Wortschatz, zum „limbaj de lemn“, dem „hölzernen Wortschatz“ derer, die von der Wende hochgespült wurden und die heute die erfolgreichen (und also ...einflussreichen) Politiker Rumäniens sind. Die Fügung ist Teil der Wiederkäuerei inhaltsleerer Worte und Floskeln, dadurch ein Code, den niemand mehr zu entschlüsseln braucht, es sei denn durch Herumdösen, Kreuzworträtsellösen, Simsen oder Zeitungendurchblättern, wie von den Erwählten im Parlament vorgemacht.
Der hölzerne Wortschaft hat neben seinem Hauptfehler, der Inhaltsleere, zahlreiche Vorteile. Wer ihn beherrscht, muss nicht mehr denken, wird also in den Augen der LeereWorteDrescher zum Idealbürger. Wer ihn beherrscht, passt sich an den schönen Schein des schlechten Alltags an – den er miterschaffen hat – und tut etwas zum Aufrechterhalten des selben. „Ein wertvoller Mensch“ ist im Inhaltscode des hölzernen Wortschatzes ein Bild, ein Image. Dahinter muss sich gar kein realer Mensch mit seinen Stärken und Schwächen verbergen. Allein schon die Nennung der Fügung lenkt die Zuhörer in eine Richtung, in der man sich gar nicht mehr fragen muss, warum jemand und für wen wertvoll ist oder gar, um was für Werte es sich handelt, mit denen er angeblich voll ist.
Also: es muss auf der Ebene der Rezeption des hölzernen Wortschatzes à priori die Bereitschaft geben, den standardisierten Inhalt, der vermittelt wird, nicht zu hinterfragen, sondern einfach zu akzeptieren. Hinunterzuschlucken. Wie eine Kröte. Neben der Akzeptanz der Botschaft durch die Rezipienten muss auch eine gewisse Wertschätzung für die „Inhalte“ des hölzernen Wortschatzes im voraus existieren, die Bereitschaft zum Nichtdenken, die Ab-Neigung gegen kritisches, also reflektiertes Denken – was einen guten Bürger jedes gescheiten Staates ausmachen sollte.
Ist unser Staat, in dem der hölzerne Wortschatz so in Ehren gehalten wird und in dem niemand die Karriereleiter hochsteigt, wenn er diesen Wortschatz und dessen Entschlüsselungscode nicht verinnerlicht hat, ist dieser Staat also ein dummer Staat? Wenn man darüber nachdenkt, wie er sich von einem Gheorghe/Gigi/Jiji Becali übertölpeln hat lassen: ja.
Andrerseits: dieser Staat lebt durch die Menschen, seine Bürger, die Staats-Bürger. Fragt man sich, logisch, wieso die Staats-Bürger den hölzernen Wortschatz, den Karrierecode in Rumänien, akzeptieren, dann gibt es nur eine logische Antwort: sie verweigern sich dem kritischen Denken, der Hinterfragung von Inhalts-Images. Sie lernen es in der Schule nicht, weil ihre Lehrer es nicht beherrschen, sie lernen es im Leben nicht, weil sie Karriere machen wollen. An diesem Punkt müsste jede Verfassungsnovellierung und jede Unterrichtsreform ansetzen, sofern sie mit gutgemeinter Absicht startet.