Es ist ein sonniger Augusttag, an dem Peter Trimper (78) die BZ-Redakteure in seinem Hof in Charlottenburg empfängt. Ein unangekündigter Besuch, denn der Deutsche ist telefonisch nicht erreichbar. Er besitzt weder ein Festnetz-, noch ein Mobiltelefon. Doch im Dorf kennt ihn jeder, sodass es überhaupt nicht schwer fällt, sein Haus zu finden.
Peter Trimper stammt aus einer Familie mit acht Geschwistern. Alle seine sieben Geschwister leben in Deutschland. Er selber hat es seinerzeit vorgezogen, „heimattreu zu bleiben, meine Eltern im Alter zu pflegen, und jetzt meine alten Tage in Rumänien, in Charlottenburg, in dem Haus, wo ich auf die Welt gekommen bin, zu verbringen“.
Nach Abschluss eines zehnklassigen Mittelschulstudiums im naheliegenden Lippa/Lipova nahm ihn sein älterer Bruder mit nach Reschitza, in die Schwerindustriewerke. Hier arbeitete Peter Trimper als Hilfselektriker und als Hilfsarbeiter im damaligen Stahlwerk CSR. Von hier aus wurde er zum Wehrdienst eingezogen, den er, als Deutscher, in einem Arbeitsbataillon – einem Bautrupp, der Staudämme für Wasserkraftwerke baute – verbracht hat, als Bausoldat/Arbeitssoldat, eine Art der Zwangsarbeit, da man Deutsche und andere „verdächtige Elemente“ (so der damalige Sprachusus) nicht unter Waffen dienen ließ. Danach kam er nach Charlottenburg zurück, wo er zuerst wegen des Lehrermangels einspringen konnte und „beiläufig acht Jahre lang“ als Hilfslehrer in Charlottenburg, Blumenau, Altringen und Buzad tätig war. In dieser Zeit begann er, sein Einkommen und das seiner Familie mit Seidenraupenzucht aufzubessern und spezialisierte sich bald auf diese „schöne Nebenbeschäftigung“, wie er sie nennt, „auch, weil wir aus den Zeiten von Maria Theresia hier in der Gegend sehr viele Maulbeerbäume geerbt haben – die aber heute fast alle abgeholzt sind“, sagt Trimper. Später arbeitete er vorwiegend in der 1956 in Charlottenburg gegründeten Kollektivwirtschaft, als einer, den man überall hinstellen konnte: Tierzucht, Feldhacken, Seidenraupen züchten, Melkerei, usw.
„Wenn es mir heute auch noch so schlecht geht“, sagt derjenige, der sich mit der Rente eines ehemaligen Kollektivbauern – das sind rund 400 Lei, keine 100 Euro monatlich – durchschlagen muss, „es tut mir trotzdem nicht leid, als einziger Deutscher in Charlottenburg nicht ausgewandert zu sein. Ich bin bei meinen Eltern geblieben, habe sie bis zu ihrem Tod gepflegt. Bis die große Abkauferei der Rumäniendeutschen durch die Bundesrepublik begonnen hat, so zu Anfang der 1980er Jahre, hatten wir eigentlich ein gutes Leben, auch wenn es voller Entbehrungen war: Wir Deutsche waren meist unter uns, haben uns gegenseitig unterstützt und trotz der kommunistischen Schwierigkeiten und Verhöhnungen gute Arbeit geleistet“, sagt Trimper heute. Und weiter: „Manchmal fragt man mich, warum ich, trotz der vielen Arbeit, die ich geleistet habe und noch leiste, arm geblieben bin? Das ist ganz einfach: ich helfe immer anderen, denn ich lebe mein Christentum. Christen helfen ihren Mitmenschen“, betont er. Ein paar Mal im Monat begibt er sich nach Radna, um den Gottesdiensten in der Basilika Minor beizuwohnen.
„Neben der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und der Banater Zeitung – gute Zeitungen! – höre ich die deutsche Sendung bei Radio Temeswar und lese regelmäßig in der Bibel. Deshalb helfe ich anderen gern, so erfordert es mein Christentum und dazu hält mich die Bibel an. Und wenn man sein letztes Hemd hergibt, um andren zu helfen, bleibt man eben arm“, sagt Peter Trimper, der sich seit etwa 40 Jahren um den Dorffriedhof – ebenfalls ehrenamtlich - kümmert. „Ich glaube auch, dass es ein Paradies gibt. Aber ich glaube nicht, dass das Paradies in Deutschland ist. Auch deshalb bin ich nicht hin, ich wollte nicht einfach so ins Paradies reisen. Das wirkliche Paradies muss man sich als gläubiger Christ tagtäglich verdienen“, fügt er hinzu.
Auch wenn er das nicht offen zugibt, so scheint er schon, die Auswanderung der Banater Deutschen zu bedauern. „Seit die Deutschen alle sich haben abkaufen lassen – die Westdeutschen wissen schon, warum sie den Hüsch, der damals die Verhandlungen für Helmut Schmidt und Genscher geführt hat, ausgezeichnet haben, die haben sich prima Arbeiter eingekauft! – lebe ich unter Rumänen. Das ist was anderes, als früher. Die Rumänen scheinen mir weniger aufrichtig, als es früher die Deutschen hier waren. Und auch die Gärten und Felder sind nicht mehr so in Schuss, wie das bei uns früher mal war. Zudem wird sehr viel gestohlen: mir sind Sensen, die Holzhacke, Heugabeln, Rechen, allerhand so im Haus Nützliches gestohlen worden. Als wir 1970 noch 110 Deutsche hier gelebt haben, war das kein Thema. Na ja, heute leben keine 120 Leute insgesamt mehr in Charlottenburg...“, fährt Peter Trimper fort.
Wie man als Deutscher in einem nun rumänischen Dorf Deutscher bleibt? „Ganz eenfach: Immer Obacht gen, dass mer net anfangt, rumänisch denke! Wann man anfangt, in eener anri Sproch denke, dann vergesst mer sei Mottersproch!“