Das wichtigste Ereignis der vergangenen Woche war zweifelsohne die Strafanzeige des (staatlichen) Instituts zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus und des Gedächtsnisses des Rumänischen Exils, IICCMER, gegen den ehemaligen Kommandanten des Gefängnisses von Râmnicu Sărat/Buzău, Alexandru Vi{inescu (88). Der Gefängnisscherge – er geisterte grotesk über die Bildschirme, indem er einen Kameramann zu schlagen versuchte – bezog eine Rente von rund 6000 Lei als pensionierter Oberstleutnant und bewohnte eine Bukarester Blockwohnung. Persönlich begangene Morde konnte ihm das IICCMER in der Begründung der Strafanzeige nicht nachweisen, dafür aber systematisches Vernichten menschlichen Lebens durch unaufhörliche Gewaltanwendung, Aushungern, Isolationshaft, Verprügeln bis zur Bewusstlosigkeit, auch von Kranken und Gelähmten, Verweigerung/Verbieten von Hilfeleistung, psychischen und physischen Terror. Was man den schlimmstbeleumdeten KZ-Lagerkommandanten Hitlerdeutschlands vorgeworfen hat – dieser schmale, noch vitale 88jährige hat es zwischen 1956-1963 als Kommandant des politischen Gefängnisses von Râmnicu S²rat getan. Er lebte als mit Höchstrente dotierter Bürger unter uns.
35 dieser Sorte Überlebender hat das IICCMER im April dieses Jahres bekanntgemacht, weil es der einschlägigen Forschungsgruppe des Instituts unter Leitung von Marius Oprea gelungen ist, die Klarnamen und Adressen ehemaliger Kommandanten der Exterminierungsgefängnisse ausfindig zu machen – trotz vielfältiger Opposition anderer staatlicher Stellen, in erster Linie der Militärarchive – und dass Strafanzeigen gegen sie vorbereitet werden, wegen Mord, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die auf der IICCMER-Liste Stehenden sind gegenwärtig zwischen 81 und 99 Jahre alt. Sämtlich haben sie von der Großzügigkeit Ion Iliescus profitiert, der in seiner ersten Amtszeit – als noch nicht mal gewählter Präsident – alle ehemaligen Securitate-Offiziere in die Armee aufnehmen ließ, mit dem Offiziersgrad, den sie sich „erarbeitet“ hatten und die dann der Staat als Militärrentner mit überaus hohen Renten dotierte.
Wenn heute ein pensionierter Lehrer nach gut 40 Arbeitsjahren froh sein darf, dass er um die 1500-1800 Lei Rente bezieht, dann beziehen diese Schergen des Stalinismus Renten von 6000-7000 Lei monatlich. Eigentlich – und das gehört zu den größten Schweinereien des rumänischen Staats seinen Bürgern gegenüber – kennt man ihre Renten nicht und auch ihre Kaderdossiers sind unzugreiflich, weil sie – aufgrund des (seinerzeit vermuteten) Stillhalteabkommens zwischen dem Korps der Securitate-Offiziere und Iliescu – der Geheimhaltung unterliegen.
Erst jetzt, in dem Maß, wie die (hoffentlich ersten) 35 der Generalstaatsanwaltschaft zwecks Anklageerhebung aufgrund der Recherchen und Strafanzeigen des IICCMER übergeben werden, wird sich zeigen, wie unabhängig und unbeeinflussbar die rumänische Justiz ist. Alles Bisherige – Urteile gegen Ex-Minister, Senatoren, Polit-Gigolos und Ex-Regierungschefs - war Augenauswischerei.