Temeswar/Timişoara möchte 2020 europäische Kulturhauptstadt werden. Im Frühjahr haben sich die Vertreter der wichtigsten kulturellen Einrichtungen der Stadt zusammengeschlossen und einen Verein gegründet, der die Kandidatur Temeswars sichern soll. Im September trafen sich die Mitglieder, um auf organisatorische Probleme einzugehen.
Auf der Tagesordnung stand besonders die Wahl eines Vorstands. Zu den gewählten Vorstandsmitgliedern zählt auch der Spielleiter Radu Alexandru Nica. Der Hermannstädter ist seit dem Frühjahr auch künstlerischer Berater des Deutschen Staatstheaters. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit Nica über seine neue Position im Vorstand des Vereins.
Wie ist es zu Ihrer Kandidatur für den Vorstand gekommen?
Ich hatte mit Lucian Vărşăndan gesprochen und wie wichtig es wäre, dass das Deutsche Staatstheater auch einen Vertreter im Vorstand hätte. Ich habe ursprünglich an ihn gedacht und er dachte an mich. Und da ja der Intendant immer Recht hat, hat er mich zur Wahl gestellt und so ist es dazu gekommen.
Was glauben Sie sind die größten Probleme, die auf den Vorstand warten?
Das kann ich im Moment nicht sagen. Ich kenne die anderen Vorstandsmitglieder vom Hörensagen her, ich bin aber noch neu in Temeswar. Wir müssen uns zuerst treffen und schauen, wie die Chemie zwischen uns stimmt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder mit ganz konkreten Ideen kommen wird.
Ich glaube, meine Erfahrung wird bestimmt nützlich sein, da ich aus Hermannstadt/Sibiu stamme und mich 2007 aktiv an den Vorbereitungen für Hermannstadt als Kulturhauptstadt beteiligt habe. Darum weiß ich, wie die Dinge funktionieren und kann somit in erster Linie mit meinem Know-how dienen. Aber ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht, wie das funktionieren wird. Wir haben uns noch nicht getroffen und darum weiß ich auch nicht, wie wir das anpacken werden.
Womit hatte Hermannstadt in der Bewerbung für den Titel zu kämpfen?
Wir hatten vorher schon eine starke Lobby. Wir hatten das Glück, dass Luxenburg auch miteinbezogen war und Hermannstadt unterstützt hat. Durch die Lobbyarbeit wurde auch Brüssel auf uns aufmerksam. Die eigentlichen Probleme sind nachher entstanden, da das Ministerium das Geld für die Projekte sehr spät überwiesen hat. Dadurch konnten viele Projekte erst spät entstehen. Da waren die meisten Schwierigkeiten.
Wie hoch schätzen Sie die Chance Temeswars ein?
Ich bin mir sicher, dass Temeswar eine Chance hat. Gerade wegen der Entfernung. Temeswar ist wesentlich weiter weg von Hermannstadt als Klausenburg/Cluj-Napoca, die ebenfalls ein Kandidat für den Titel „Kulturhauptstadt 2020” . Bei den Auswahlkriterien wird mitberücksichtigt wie weit der Einflussbereich liegt und diesbezüglich hat Temeswar die größeren Chancen.
Ich glaube nicht, dass die Kultur in Temeswar die zweite Geige spielt, aber die Kultur ist auch von der Wirtschaft abhängig. Die Kultur braucht das Geld. Doch die kulturellen Einrichtungen spielen landesweit ganz oben mit. Und das ist ebenfalls ein Pluspunkt für die Stadt. Was mir aufgefallen ist und ich als ein Problem sehe, ist der Mangel an Teambereitschaft zwischen den einzelnen. Jeder möchte sich durchsetzen und geht nur schwer auf Kompromisse ein. Manchmal muss man schnell und effizient zusammenarbeiten können, denn nur so kann das Ziel, das man sich für Temeswar gesetzt hat, auch wirklich meistern.
Die Journalistin Lia Lucia Epure schlug für den Vorstand zwei Mitglieder vor, die den Lions und den Rotary Club repräsentieren sollten. Ein Vorschlag gegen den Sie Einwände hatten.
Ich glaube, dass das Problem falsch aufgeworfen wurde. Bloß, weil jemand Mitglied im Lions oder Rotary Club ist, muss man ihn nicht automatisch zum Vorstandsmitglied erklären. Sowieso sind viele aus dem gewählten Vorstand implizit Mitglieder im Rotary Club, aber das hat nichts damit zu tun, weshalb sie gewählt wurden. Sie wurden bestimmt, weil sie einen wichtigen Beitrag leisten können. Ich empfand die Denkweise falsch und es hätte zu nichts geführt.
Welche der Künste wäre, rein objektiv betrachtet, das Aushängeschild der Stadt?
Das ist schwierig zu sagen. Ich habe natürlich meine Vorlieben, aber das sollte kein Kriterium sein. Ich finde, dass alle sieben Künste gut repräsentiert werden müssen, solange die Qualität stimmt. Man sollte sie nicht gegenei-nander ausspielen, indem man sagt: „Das Theater hat Vorrang usw.” Denn Kultur bedeutet ja auch nicht ausschließlich Theater, Musik oder bildende Kunst.
Womit kann und sollte sich das Deutsche Staatstheater präsentieren?
Vor allem mit guten Projekten, die die deutsche Sprache fördern, was nicht unwichtig ist für Europa. Das es ein deutsches Theater gibt, ist etwas Einmaliges und ein Fürspruch für Temeswar. Hinzu kommt noch das ungarische Theater und das rumänische Nationaltheater. Alle müssen am gleichen Strang ziehen, um den Kosmopolitismus der Stadt zu unterstreichen. Denn es stellt ein weiteres wichtiges Kriterium für die Kandidatur dar.
Wie glauben Sie wird sich das DSTT in den kommenden Jahren entwickeln?
In fünf bis zehn Jahren wird das Deutsche Staatstheater zu den fünf besten Theatern des Landes gehören. Natürlich hat es wenig Geld, was ein Nachteil ist, dafür aber hat es andere Vorzüge wie z. B. ein sehr gutes Ensemble und es verfolgt eine sehr gute künstlerische Politik. Ich glaube, dass es durchaus realistisch ist, wenn ich behaupte, dass das Theater in den nächsten fünf Jahren zu den besten Theatern des Landes avancieren wird.
Das Publikum spielt dabei keine unwichtige Rolle...
Wenn wir gutes Theater machen, dann kommt das Publikum auch und ich glaube, dass es nicht so ein Problem darstellt, wenn man bessere Möglichkeiten für die Übersetzung findet. Ich glaube, dass der Trend mehrsprachig aufzuwachsen, weiterhin bestehen bleibt. Für die Zukunft wird es praktisch kein wirkliches Problem sein.