Auch in einem vor Korruption strotzenden Land wie Rumänien wird man ab und zu überrascht. Dieses Aha-Gefühl hatte ich jüngst bei zwei Nachrichten. Jener vom oltenischen Bürgermeister, der vom Gemeindepfarrer regelmäßig die zehn Prozent vom Gemeindezuschuss eingefordert hatte, mit dem auf Beschluss des Gemeinderats eine neue Kirche im Ort gebaut wird. Zum Andren die verächtliche Bemerkung eines hohen PSD-Bonzen, der die Verhaftung des Bukarester Oberbürgermeisters Sorin Oprescu kommentierte: „Wie kann man nur so dumm sein, sich in flagranti erwischen zu lassen!?!“
Das mit dem oltenischen Bürgermeister, der streng „auf sein Recht“ bestand – an dieser Stelle wurde mehrmals die tief in der Mentalität des rumänischen Volkes verwurzelte Überzeugung kommentiert, dass jede Guttat mit Schmiergeld vergolten werden muss, dem „Recht“ des Guttäters, und wenn sie noch so legal vorgeschrieben ist, also dem Bürger von rechts wegen zusteht, bzw. dass jede noch so berechtigte Forderung erst gilt, wenn sie mit einer „gütig stimmenden“ Bestechung einhergeht. Dieses mit Strenge und Pünktlichkeit geforderte „Zustehende“ brachte mich auf die Frage, wieviel Geld schwarz in einem Land fließt, wo zu jeder Stunde 1000 orthodoxe Kirchen im Bau sind? Oder: wie viele der 1000 Bürgermeister, Lokalpotentaten und Kirchenleute, die etwas mit dem frenetischen Kirchenbau der Orthodoxie in Rumänien zu tun haben, kassieren mit, wissend, dass sich die Staatsorgane (und ihre Antikorruptionsinstitutionen) tunlichst heraushalten aus den Angelegenheiten der Kirche und dass ihre einzige Aufgabe darin besteht, (möglichst unauffällig) die orthodoxe Kirche zu unterstützen. Vor allem vor Wahlen.
Das mit dem plötzlich ach so herzkranken Bukarester Oberbürgermeister Oprescu, dessen geschickt aufgebautes und umsichtig getarntes Schmiergeld-Raffsystem (wo angeblich der gesamte Bukarester Stadtrat mitverdienend eingebaut war) ihm ein Kolossalvermögen einbrachte, das jetzt durch die Staatsanwaltschaft Schritt für Schritt identifiziert und seinen Familienmitgliedern zugeordnet wird, das ist genauso sozial übergreifend und erinnert mich an einen traurigen Witz, den ich dieser Tage hörte: Im Parlament führt Chef Valeriu Zgonea eine nominelle Überprüfung der Anwesendenliste durch. Nach jedem Namen, den er aufruft, kommt aus dem Saal ein: „Frei!“ oder „Sitzt!“. Einige: „Noch frei!“
Der zitierte PSD-Bonze sagt also etwas tief mentalitär Verwurzeltes: wer sich beim Stehlen/Schmiergeldnehmen erwischen lässt, ist dumm! Wieviel dieser Dummen gibt`s noch unter den Offiziellen Rumäniens? In Brechts Denke übersetzt: „dumm“, also korrupt sein, ist menschlich. „(...) Andererseits ist Menschlichkeit in unseren Zeitläufen kaum zu erhalten ohne Bestechlichkeit (...). Sie werden Menschlichkeit finden, wenn Sie einen Beamten finden, der nimmt. Mit (...) Bestechung können Sie (...) Gerechtigkeit erlangen. (...) Ich hab einem Beamten am Gesicht angesehen, daß er gütig war und was genommen hat. (...)“ (B.B. - Flüchtlingsgespräche)
Auf die Rede an die Nation von Johannis warte ich immer noch.