Zugegeben: Nur wenige von uns haben in den vergangenen Wochen wirklich noch daran geglaubt, dass Temeswar am 16. September zur Kulturhauptstadt Europas 2021 gekürt wird. Die erste Chance schien Klausenburg zu haben, jene Stadt, die in jüngster Zeit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat und die, zumindest in Bukarest, über eine bessere Lobby zu verfügen schien. Wieso es dann Temeswar hieß und nicht Klausenburg, ist seit Freitag angedeutet worden: An der Bega setzte man klugerweise auf Multikulturalität, auf Interkonfessionalität, man wollte sich über Grenzen hinwegsetzen, Nachbarn einbinden, Wege zu- und miteinander bauen. Behält man die Temeswarer Geschichte in den Augen, hätte es anders gar nicht kommen können. In einem krisenerprobten Europa, wo das Miteinander schwieriger geworden ist, könnte Temeswar ein Zeichen setzen. Ein richtiges.
Und nun? Bürgermeister Nicolae Robu, sein Vize Dan Diaconu, die Leiterin des Kulturhauptstadtvereins, Simona Neumann, ihre direkten Mitarbeiter, aber auch alle anderen Kulturinstitutionen der Stadt und des Kreises, der Kreisrat, die Wirtschaft, sie alle werden ab jetzt noch mehr arbeiten müssen, das Ziel 2021 hat nun feste Konturen angenommen. Kultur muss als ein nachhaltiger Wirtschaftsfaktor verstanden werden, so dass über 2021 hinaus eine Entwicklung entsteht und sich festigt, die Temeswar zu der lebenswerten Stadt werden lässt, von der seit so vielen Jahren die Rede ist. Klar: Kulturveranstaltungen an sich werden dafür nicht ausreichen, aber sie bieten den bestmöglichen Rahmen, um Infrastrukturprojekte voranzubringen, um alte Stadtteile behutsam zu sanieren oder die Stadt umweltfreundlicher zu gestalten. Letztendlich um die soziale Kohäsion zu fördern, die dem so oft heraufbeschwörten, manchmal aber unterzugehen drohenden Temeswarer Geist entspricht.
Von dem Kulturhauptstadt-Projekt müsste auch das Umland profitieren; die Möglichkeit, das Banat aus dem touristischen Schattendasein zu befreien, ist nun gegeben und muss entsprechend genutzt werden. Und weil im Sinne der grenzüberschreitenden Kooperation argumentiert wurde, müssten auch die ungarischen und serbischen Nachbarn eingebunden werden, der wirtschaftliche und kulturelle Austausch im ungarisch-serbisch-rumänischem Banat sollte jetzt wieder belebt werden. Außerdem: Sind die Kulturhauptstädte aus Montenegro und Griechenland erst einmal bekannt, ist auf sie zuzugehen, Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es viele.
Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden vier Jahren die Regierung in Bukarest den Geldhahn aufdreht und das Projekt kräftig mitfinanziert. Eine Temeswarer und Banater Lobby hat dafür zu sorgen. Denn eine solch ungeheure Chance darf nicht vertan werden, so schnell kommt sie nicht wieder.