Das Jahresende 2015 steht im Zeichen einer EU, die sich am Scheideweg befindet. Sie ist erschüttert und belagert durch drei „seit der Völkerwanderung nicht mehr gekannten Krisen“ (Neagu Djuvara): die Krise der Staatsschulden der Südländer, dem Druck der Krise der Flüchtlinge aus Asien und Nordafrika und die Krise in den Beziehungen zu Russland.
Anfang 2016 ist Europa nicht nur gespalten zwischen einem pfennigsucherischen Norden und dem hedonistischen Süden, sondern auch zwischen einem (ur-christlichen?) Westeuropa, das angsterstarrt auf den sich radikalisierenden Islam glotzt, und einem zwischen Nationalismus und religiös-ethnischer Radikalisierung zerrissenen Osteuropa, das hasshypnotisiert auf den russischen Bären starrt, dessen Revisionismus keine Bremsen kennt. Außer jenen, die vor rund 70 Jahren in Jalta auf einen Papierfetzen skizziert wurden.
Das Jahresende 2015 stand auch im Zeichen von einem Jahr seit Amtsübernahme durch Klaus Johannis. Mit Verständnis bewertet: unser Physiklehrer im Dienste der hohen Politik verdient nur mittelmäßige Zensuren. Zu wenig öffentliche Kommunikationsbereitschaft hat er gezeigt – und ist dafür in seinen Popularitätswerten hart abgestraft worden. Mit minus einem Viertel des Ursprungskredits. Die paar Kohlen, die Johannis mit einer prompten und prägenden Reaktion auf den Brand im „Colectiv“ aus dem Feuer reißen konnte, haben sein Bild nicht gerettet. Zu sehr hat der hinterlistige Ponta ein Jahr lang an seinem Image gekratzt und Johannis dessen Schmutzkrieg geduldet. Der große Schweiger vom Schloss Cotroceni hat Tiefen politischer Funkstille ausgelotet. Er ist damit schlecht gefahren bei einem Volk, das, mangels politischer Eigenmeinung, Bildung, nach dem Übervater lechzt. Den empfand man bei der Einsetzung der Ciolo{-Regierung – aber grad da war er nicht am Platz.
Auch außenpolitisch – seine konstitutionelle Kernaufgabe – hat der schweigende Aussitzer keine Bäume ausgerissen. Besonders peinlich sein Agieren rund um die Flüchtlingszahlen, die Rumänien aufzunehmen bereit ist: fast wäre das Land ochsenstirnig in die europäische Schandecke zu Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Kazcynski-Polen gerutscht, zu Rechtsnationalen. Die Kurskorrektur war denkbar stotterig. Auch die Reaktion auf die Füllhornausschüttung der Ponta-Regierung und die drohende Perspektive hoher Staatsschulden ab 2017 – ein Griechenlandphantom - war bar der nötigen Entschlossenheit. Eine entschiedene Ablehnung der parlamentarischen Selbst- und Volksbedienungstendenzen wäre der Popularitätsverlust wert gewesen. Zu Russland, Moldawien und der Ukraine gibt es kaum entschiedene Stellungnahmen, nicht nur, weil die drei das eh jedem schwer machen. Durch Treue zum Nordatlantikpakt und (mit Abstrichen) Bindung an Westeuropa bekam die Außenpolitik immerhin Kohärenz und Effektivität. Bei der Korruptionsbekämpfung bleibt es. Erfreulicherweise. Die Zukunft ist nicht so dunkel.
Trotzdem: alle drei Monate wäre eine Rede an die Nation goldrichtig.