Leiderhabe ich Alexander Tietz nicht persönlich gekannt. Wir waren nur ein halbes Jahr lang Zeitgenossen: Ich kam Ende des Jahres 1977 auf der Welt und er verließ sie Mitte 1978. Er war jedoch eine stetige Präsenz in unserer Familie, dank der häufigen Erinnerungen meiner Mutter, Doina Bogdan Dascălu, deren Tante die Frau des Schriftstellers war. OnchiŞandi und Tanti Stella begleiteten mich seit meiner Kindheit und ihre Anwesenheit wurde mir mit den Jahren immer offensichtlicher.
Ich lernte den Schriftsteller Alexander Tietz kennen, als ich ein Jugendlicher war, als ich anfing, seine Bücher, die einen Ehrenplatz in unserer Bibliothek einnahmen, zu lesen, und als ich dann später einige der von ihm gesammelten Texte ins Rumänische übersetzte. Meine Mutter entdeckteseine rumänischen Werke, Briefe von der Alm (Scrisori de la sălaș),in der Zeitung „Reșita“, die von meinem Großvater George C. Bogdan herausgegeben wurde. Doina Bogdan Dascălu sammelte diese Briefe, die Alexander Tietz in der Zeitschrift meines Großvaters veröffentlicht hatte und sie erschienen im Jahr 2000, in einer zweisprachigen Ausgabe die Erwin Josef Țigla herausgegeben hatte.
Eine meiner nächsten Begegnungen mit Alexander Tietz fand 2012 statt, als die handschriftlichen Notizbücher dieser Briefe in unserem Familienarchiv wiederentdeckt wurden. Sie spiegelten Alexander Tietz Arbeit am Text wider, bzw. die Korrekturen, Streichungen und Ergänzungen, die der Schriftstellerim Laufe der Zeit gemacht hatte. Die meisten davon wurden von ihm durchgeführt, wobeiandere später von seiner Frau mit einer anderen Schrift und Farbe vorgenommen worden sind.
Nachdem ich als Herausgeber einiger Editionen – unter anderem des umfangreichen Tagebuchs von TituMaiorescu (TituMaiorescu, Opere. I. Jurnal, vol. I. 1855-1882. Ediţiecriticăcoordonată de Bogdan Mihai Dascălu, prefață de Eugen Simion, AcademiaRomână, FundaţiaNaţionalăpentruŞtiinţăşiArtă, București, 2013), das ich im Rahmen eines Projektes an der Rumänischen Akademie in Bukarest koordiniert und publiziert hatte –viel Erfahrung in der Arbeit an wissenschaftlichen Editionen sammelte, nahm ich mir vor, eine wissenschaftliche Ausgabe der Briefevon Alexander Tietz zu erarbeiten, ausgehend vom bereits bekannten Manuskript. So erschien 2013 in derReiheBibliothecabanatica(Institut für Banater Studien „TituMaiorescu“, Rumänische Akademie, Zweigstelle Temeswar), die kritischeAusgabeAlexandruTietz:Scrisori de la sălaş, in welcher ich neben der genauen Transkribierung und Wiederherstellung des Originaltextes der Briefe, auch einige Fehler in der Biografie des Schriftstellers und seiner Familie erkannte und korrigierte.DieseWerkevon Alexander Tietz sind literaturhistorisch von großer Bedeutung, denn der ReschitzaerAutorwarvor allem als Volkskundler bekannt, wobei durch diese Edition seine Tätigkeit als Schriftsteller und Prosaautor in den Vordergrund gebracht wird. Durch die Herausgabe dieser Textehabe ich mir vorgenommen, einen Beitrag zur Vervollständigung des Kulturgutes zu leisten, das Alexander Tietz seinen Lesern hinterlassen hatte und damit das literarische Erbe des bekannten Banater Kulturmenschen zu ergänzen und ans Licht zu bringen. (Alexandru Tietz: Scrisori de la sălaş. Ediţiecritică, studiuintroductiv, tabelcronologic, notăasupraediţiei, addenda et corrigenda, noteşiglosar de Bogdan Mihai Dascălu, EdituraDavid Press Print, Timişoara, 2013)
Meine Begegnungen mit Alexander Tietz setzten sich auch in den nächsten Jahren fort, bei den Deutschen Literaturtagen in Reschitz, bei den „Alexander Tietz“-Jubiläumsveranstaltungen in Reschitz oder in Temeswar und bei vielen gemeinsamen Veranstaltungen, die vom Demokratischen Forum der Banater Berglanddeutschen und der Deutschen Bibliothek „Alexander Tietz“ organisiert wurden.
2019 wurde Dank der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen meiner Mutter und Erwin Josef ȚigladasSymposium Alexander Tietz(Simpozionomagial „Alexander Tietz“) organisiert, das in der Zweigstelle der Rumänischen Akademie in Temeswar stattfand und zahlreiche Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur, Bildung und Politik zusammenbrachte: Ovidiu Ganț, Rudolf Gräf, JohannFernbach, Doina Bogdan-Dascălu, ErwinJosefȚigla, Damian Vulpe, Ada Cruceanu, Gheorghe Jurma.In meinem Beitrag bin ich im Rahmen des Symposiums auf die Notwendigkeit eingegangen, eine Gesamtausgabe der Werke von Alexander Tietz zu publizieren, um dadurch den Lesern ein Gesamtbild seines literarischen Schaffens zu vermitteln. Die Idee wurde mit Begeisterung aufgenommen, ihre Durchführung erwies sich jedoch als wesentlich schwieriger, da weder kompetente Personen noch Institutionen, die berechtigt waren, sich mit der Transkription von Tausenden von Seiten auf Deutsch oder Rumänisch zu befassen, die Konfrontation des bearbeiteten Textes mit dem einen ermöglichten aus den Manuskripten oder aus den verschiedenen Veröffentlichungen, an denen er mitgearbeitet hat, die Vorbereitung des kritischen Apparats, die Reproduktion von Faksimiles usw. Die oben beschriebenen Ereignisse kamen mir wieder im Sinn, als ich mich am 12. Juni 2023 auf dem Weg nach Reschitzabefand, wo ich auf Einladung des engagierten und stets energischenKulturmanagers und SchriftstellersErwinJosef Țiglaan der Konferenz „Alexander Tietz - 125 Jahre seit der Geburt und 45. Todestag. Erinnerungen, Würdigungen, Projekte“ teilgenommen habe. Die Konferenzwurde auf Initiative des Vorsitzenden des Forums der Banater Berglanddeutschen organisiert und fand traditionsgemäß in der Deutschen „Alexander Tietz”-Bibliothek statt, der Deutschen Abteilung der Kreisbibliothek „Paul Iorgovici“. Gemeinsam mit dem Gastgeber Erwin Josef Țigla, dem Schriftsteller Gheorghe Jurma, der Direktorin des „Diaconovici-Tietz“-Nationalkollegs Viorica Gârtoi und Prof. Sonia-Maria Chwoikahatte ich das Vergnügen, den Lehrer, Schriftsteller und Ethnologen Alexander Tietz zu würdigen und seine Rolle für das kulturelle Erbe des Banater Berglands und banaterdeutsche Literatur hervorzuheben.Gleichzeitig möchte ich das unermüdliche Engagement, die Hingabe und Hartnäckigkeit der Kulturschaffenden aus Reschitza und aus dem gesamten Banater Berglandhervorheben,die sich für die Bewahrung einer alten und wertvollen kulturellen, wissenschaftlichen und künstlerischen Tradition einsetzen und diese durch ihre Tätigkeit an die nächsten Generationen weitergeben. Durch meine Mutter und durch OnchiŞandi (den Kosenamen in unserer Familie für Alexander Tietz), fühle ich mich auch an Reschitzagebundenund ich bin immer wiederstolz und glücklich dies zu fühlen und durch meine eigene Tätigkeit als Schriftsteller und als Wissenschaftler in meiner Arbeit umzusetzen. Durch das Schreiben, durch Sprache, Literatur und Kultur kehre ich immer wieder zu Alexander Tietz zurück und freue mich jetzt schon auf unsere nächsten Begegnungen.