Nach drei Jahren nähert sich die Amtszeit des Germanisten und Leiters des Französischen Instituts in der Banater Hauptstadt, Daniel Malbert, dem Ende. „Ich wollte Goethe, Nietzsche, Rilke auf Deutsch lesen können, denn als junger Mann ist man von Nietzsche, Rilke begeistert. Es sind die großen Figuren“, begründet der Gebürtige Pariser, der überhaupt keine deutschen Wurzeln hat, seine Wahl zum Germanistikstudium an der Sorbonne. Die Liebe zur deutschen Sprache entstand auch über den Umgang mit den Filmproduktionen von Rainer Werner Fassbinder, Fritz Lang, Margarethe von Trotta und Werner Herzog. Über die Glanzpunkte und Hürden während seiner Tätigkeit am Französischen Institut in Temeswar (FIT) sprach die BZ-Redakteurin Iulia Sur mit dem Leiter des FIT, Daniel Malbert.
Vor der Übernahme der Leitung des Französischen Instituts in Temeswar standen Sie einer ähnlichen Einrichtung in Köln vor. Gab es Unterschiede zwischen Ihrer Tätigkeit an den beiden Institutionen?
Es war die gleiche Arbeit, nur hier hatte ich mehr Erfahrung. Was mir auffiel z.B, ist dass die Arbeit hier mehr zentralisiert ist. Wir haben die ganze Freiheit, nur was die Finanzierung angeht, da sind alle Betriebe in Bukarest zentralisiert, wir haben keine Ansprechpartner mehr vor Ort. Vor zehn Jahren waren Betriebe, wie BRD, Veolia oder Alcatel, autonom hier und konnten entscheiden, was sie fördern möchten. Das ist der große Unterschied. Unsere Kollegen in Bukarest haben große Sponsoraktionen von den französischen Betrieben, weil sie vor Ort sind. Unsere Sorge ist, wie man aus dieser Sackgasse herauskommen kann, aber das ist schwierig.
Ein großer Unterschied ist auch, dass wir hier sehr viel für das ganz junge Publikum machen, die Veranstaltungen für die Kleinen sind wirklich hervorragend, wie „Das Haus der Zwerge“. Über 500 Kinder sind mit ihren Eltern an einem Wochenende ins Französische Institut gekommen. Es gab Ateliers überall im Haus und die großen Veranstaltungen: Tanz, Zumba, Theater, Oper und Ballett waren im Garten.
Sie erwähnten die Finanzierung. In den letzten Jahren wurden auch bei Ihnen die Gelder gekürzt...
Es gibt weniger Geld, das stimmt. Es war etwas schwierig, wir mussten Entscheidungen treffen, aber wir haben ein sehr gutes Team und konnten diese Zeit überwinden. Ich werde etwas sagen, was ich nicht immer verraten möchte: wir sind für das französische Kulturnetz in Rumänien das einzige Haus, das kein Geld verliert. Meine Kollegen in den anderen Städten haben Defizite, wir nicht. Deshalb haben wir ein bisschen mehr finanzielle Freiheit zum Unternehmen und können mehr Zuschüsse gewinnen. Ich bin ganz stolz, dass wir das errungen haben und hoffe, dass das noch weiterhin geht.
Welche neuen Projekte haben Sie während Ihrer Amtszeit eingeleitet?
Ich hatte Projekte im Bereich Multimedia, aber ich konnte sie wegen Mangel an Finanzierung nicht durchsetzen. Neue Projekte habe ich ansonsten keine. Wir haben das Festival für Performative Kunst eingeleitet, es war die erste Auflage und ich hoffe, dass man es weiter organisieren kann, denn es scheint mir schon eine Priorität zu sein. Ansonsten habe ich die existierenden Projekte weiter unterstützt, wie Cafékultour, weil das so sinnbildhaft für Temeswar ist. Eine große Leistung war auch Art Encounters. Wir waren darin schon von Anfang an sehr engagiert und ich nehme an, dass wir einen guten Beitrag für die Aktion in Richtung Schulen, junges Publikum geleistet haben.
Wie war das Feedback der Lehrer, der Schüler?
Das Feedback war `extraodinaire`. Die Gymnasiasten waren ganz begeistert, moderne Kunst zu entdecken. Ich war sehr überrascht, wie kreativ sie mit moderner Kunst umgehen. Ich habe sie in den Ausstellungshallen gesehen und gemerkt, wie sie selber so erfinderisch sind, wie sie das spontan interpretieren. Sie sind nicht gehemmt, ganz im Gegenteil. Viele von ihnen haben keine Gelegenheit ins Museum, in Kunstgalerien zu gehen und mit Kreativität, mit Kunst konfrontiert zu werden. Über 4000-6000 Schüler und Schülerinnen haben die Ausstellungen während Art Encounters besucht. Das war ein großer Erfolg.
Sie sprachen über das Projekt Cafékultour. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturzentrum?
Sehr gut. Das war eine große Freude schon von Anfang an. Es ist sehr gut, dass Deutsche und Franzosen hier diese enge Zusammenarbeit haben, das ist beispielhaft für die deutsch-französische Zusammenarbeit im europäischen Rahmen. Die Arbeit ist so selbstverständlich, dass wir, als beide Hauptkulturinstitutionen in Temeswar zusammenarbeiten, dass es kein Problem gibt. Wir haben sogar vor im künftigen Projekt der Stadt Temeswar, im Europäischen Kulturzentrum in der Stadtmitte, zusammen zu wohnen. Das künftige Haus muss noch restauriert werden, das wird noch ein bisschen Zeit nehmen, aber es ist die Zukunftsvision und die Stadt, der Oberbürgermeister, hat sich schon dafür engagiert.
Wie steht es um den jetzigen Sitz des Französischen Instituts, der Kimmel-Villa? Man hört ab und zu, dass das FIT umziehen muss.
Wir haben die Sache schon einigermaßen geklärt, obwohl wir noch nicht am Ende aller unserer Bemühungen sind. Ich bin sicher, dass wir noch einige Jahre in der Villa Kimmel leben werden, aber unsere Zukunftsvision ist, gemeinsam mit unseren Freunden vom Deutschen Kulturzentrum in ein neues Bauprojekt zusammen einzuziehen. Das ist eine gute Lösung, weil wir dann mitten in der Stadt sind und das ganz praktisch für die Werbung, für die Visibilität ist. Die Leute können dann einfacher den Weg ins Französische Institut finden und wir werden dadurch ein großes Kulturangebot in die Stadt bringen. Selbstverständlich möchte man ewig in der Villa Kimmel bleiben, ich und das Team, sowie unsere Besucher und Freunde, hängen alle sehr an diesem Haus, es gibt so viel Geschichte, so viele Erinnerungen hier. Vielleicht findet man noch eine Lösung. Ich wünsche mir wirklich eine gute Zukunft für dieses Haus.
Wie fanden Sie die Stadt Temeswar, das Land und die Leute?
Sehr offen. Es war sehr einfach sich hier einzuleben. Am Angang erlebten wir eine komische Zeit, wir kamen in die Stadt und sagten uns, das ist wunderbar, diese alten Häuser und plötzlich nach sechs Wochen war alles zerstört. Das war der Anfang der Straßenarbeiten und wir lebten zwei Jahre lang im Dunkeln und alle Straßen waren zerstört. Es war eine ganz traurige Zeit, aber jetzt, wo alles wieder belebt ist, sehe ich ein großes Potenzial in dieser Stadt.
Wie schätzen Sie das Kultur- und Kunstangebot Temeswars jetzt, nach drei Jahren, ein, besonders da sich die Stadt für den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2021 bewirbt?
Das hat sich sehr gebessert, z.B. für zeitgenössische Kunst, es gibt jetzt eine reiche, dynamische Kunstszene mit den Galerien, wie Triade, Calina und vielleicht weitere; die Musikszene ist auch sehr reich, das Orchester der Philharmoniker und das Festival für alte Musik sind sehr gut, auch das Festival für Barockmusik. Ich glaube, es sieht wie eine Wiedergeburt von Temeswar aus, diese aktuelle Kreativität ist nichts im Vergleich zu dem, was Temeswar früher war, in den 1980er Jahren und in den Jahren direkt nach der Revolution. Es war sehr lebendig und ist dann ein bisschen zurückgegangen, jetzt gibt es aber eine Wiedergeburt. Das Problem ist wirklich das Kino. Ich habe aber gute Hoffnung, dass bald eine Lösung gefunden wird, um ein oder zwei Kinos in der Stadt wieder zu eröffnen, denn ein Multiplex in einer Mall ist kein Kino, das ist mehr Konsum, es werden mehr Cornflakes und Coca Cola verkauft als Kunst und Film.
Wissen Sie schon welche Aufgabe Ihnen nach der Amtszeit am FIT bevorsteht?
Ich habe ein Projekt mit einer Kulturanstalt in Deutschland und das wird eine neue berufliche Erfahrung sein, eine Erfahrung in deutsch-französischem Dialog. Und wenn ich noch etwas mehr verraten darf, es wird in einer Partnerstadt von Temeswar sein.
Karlsruhe vielleicht?
Ja, ich freue mich sehr, ich bin sehr gespannt darauf.