So gut ging es dem deutschen Staatstheater Temeswar schon lange nicht mehr: Über Personalmangel kann sich das DSTT kaum beschweren, namhafte Spielleiter und Bühnenbildner haben das Repertoire um einige High-Budget-Produktionen erweitert und es sogar um einige Auszeichnungen reicher gemacht. Das deutsche Theater macht vieles richtig. Die Leitung beweist ein Gespür für aktuelle Trends. Doch obwohl die Anzahl an aufwendigen Produktionen wächst und immer mehr führende Namen daran gebunden sind, bleiben zwei Dinge scheinbar immer öfters auf der Strecke: die deutsche Sprache und die Schauspieler.
Das zumindest war mein persönlicher Eindruck, nachdem ich die Vorpremiere zu der Herta-Müller-Dramatisierung „Niederungen“ sehen durfte. Zweifellos sticht in der neuesten Produktion besonders das Bühnenbild hervor. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Helmut Stürmer die aufwendige Deko konzipiert hat. Während der eineinhalbstündigen Vorstellung stahl Stürmers Bühnenbild den Schauspielern die Show. Unweigerlich stellte sich mir die Frage: Wie würde „Niederungen“ ohne Stürmers Deko auf mich wirken? Denn im Grunde verließ ich nach der Vorpremiere den Saal relativ unberührt. Mir persönlich fehlte es an Spannung und Kraft. Ich erwischte mich öfters dabei, wie ich auf die Uhr schaute, weil mich die Vorführung nicht in ihren Bann zog. Es mag daran liegen, dass Herta Müllers Literatur für die Bühne schwer umsetzbar ist. Vielleicht hätte man einen professionellen Schriftsteller für die Dramatisierung anheuern müssen. Sicherlich hätte es auch nicht geschadet, wenn man nicht versucht hätte, das ganze Ensemble in das Stück einzubauen. Fest steht: Immer öfters nimmt das Begleitende in den DSTT-Stücken eine feste Rolle ein, während das Schauspielerische viel zu kurz kommt. Da würde man sich schon über ein Brooksches Stück freuen, in dem das Bühnenbild gänzlich fehlt. Schluss mit Spezialeffekten und zurück zu den Basics. Denn selbst ein herausragender Regisseur ist nichts ohne die Schauspieler auf der Bühne. Und das Theater verfügt über einige ausbaufähige junge Akteure, denen keine Chance eingeräumt wird, im Rampenlicht zu scheinen. Sicherlich kann die Leitung den Spielleitern nicht vorschreiben, wen sie für ihr Stück besetzen sollen oder nicht. Doch man könnte parallel zu den großen Produktionen, einzelne Schauspieler an Stücken für die kleine Bühne arbeiten lassen. Ähnlich wie es mit „Der Unsichtbare“ oder „Die Zofen“ in anderen Spielzeiten der Fall war. Wie erfolgreich solche Produktionen sein können, hat das unabhängige Aualeu-Theater mehrmals bewiesen. Da steht der Schauspieler und sein Können im Mittelpunkt. Da entstehen Stücke aus dem gegenseitigen Miteinander. Da werden Bühnenbild und Requisite aus dem Stegreif heraus improvisiert. Bestimmt könnte das Deutsche Staatstheater von einem derartigen Angebot nur profitieren. Je kleiner und unkomplizierter die Stücke sind, desto leichter kann man sie an beliebigen Orten spielen: die perfekte Werbung für das Theater, um neue Zuschauer anzulocken. Dafür müsste keine Bühnenbildnerin ein Café umbauen, damit es theatertauglich wird. Zudem könnten diese Mini-Produktionen als Plattform dienen, um neue Sachen auszuprobieren und der Kreativität freien Lauf zu lassen. Es könnte eine Art „Factory“ werden, wo der Entstehungsprozess transparent gehalten und mit Zuschauern geteilt wird. Gleichzeitig könnten die Schauspieler des DSTT spielen und dadurch in ihrem Beruf wachsen. Übung macht bekanntlich den Meister. Das gilt auch für das Beherrschen einer fremden Sprache.
Immer öfters scheint das Theater die deutsche Sprache umgehen zu wollen, obwohl es ihr Aushängeschild ist. Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Denn viele Schauspieler haben ein Problem auf der Bühne: Sie sprechen nicht prägnant genug und immer öfters mit Akzent. Über letzteres könnte man noch hinwegschauen, schließlich schadet ein wenig Lokalkolorit nicht. Doch wenn deutsche Zuschauer auf die rumänische Übertitelung schauen müssen, weil sie das Deutsche auf der Bühne nicht verstehen, dann stimmt etwas nicht.
Robert Tari