Mein Freund und ehemaliger Klassenkollege William Totok, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des „Elie Wiesel“-Zentrums, schickte mir dessen Protest angesichts der Reaktionen und Drohungen zu, die das Verbotsgesetz faschistischer, rassistischer, legionaristischer, xenophober und antisemitischer Symbole, Manifestationen und Apologien hervorgerufen hat. Ich vermerkte den Protest in der ADZ, obwohl das Gesetz 217/2015 meiner Meinung nach Lücken aufweist. Zwei davon: es definiert die einzelnen inkriminierten Begriffe nicht deutungsimmun; und es nimmt keinen Bezug auf die anderen Verbrechen des XX. und XXI. Jahrhunderts, die kommunistischen, neokommunistischen, den islamischen Fundamentalismus, die auch in Rumänien schwelen. Abgesehen von den hochkochenden revanchistischen Tendenzen („Basarabia e România“ - wer hat noch keinen solchen Aufkleber gesehen?).
Der Schriftsteller und Politiker Radu F. Alexandru („das ist ein literarisches Pseudonym, mein Name ist Feldman Radu Alexandru und ich bin Jude“, schreibt er) weist in seiner Stellungnahme zum kürzlich vom Staatspräsidenten gegengezeichneten Gesetz darauf hin, dass der Antisemitismus in Rumänien laut einer amerikanischen Studie von 35 Prozent der Bevölkerung auf 47 Prozent angestiegen ist. Übrigens: die strammsten Judenhasser leben, laut der Anti-Defamation League (ADL), in der Türkei (71 Prozent), gefolgt von Griechenland mit 67 Prozent...
Statistische Erhebungen aufgrund von Umfragen machen bloß Entwicklungstendenzen deutlich, ohne Zusammenhänge aufzuzeigen, etwa die Sympathiebekundungen für die faschistischen Führer der rumänischen Zwischenkriegszeit, allen voran Antonescu, die heroisiert und zu Nationalhelden hochstilisiert werden, die Errichtung von Statuen und die Straßenbenennungen, die trotz gesetzlichem Verbot nicht zurückgenommen/abmontiert werden, die Leugnung von Holocaust und Transnistriendeportation der Zigeuner oder der Massenmorde an Juden in der Moldau. Oder eine nuanciertere und objektive Betrachtung profaschistischer Spitzenintellektueller wie Emil Cioran, Constantin Noica, Mircea Eliade, Nechifor Crainic, Radu Gyr, Nae Ionescu oder Corneliu Zelea-Codreanu, die von ihren Apologeten als „die größten Rumänen“ definiert werden, „welche das XX. Jahrhundert hervorgebracht hat“.
Wenn die heutigen ideologischen Auseinandersetzungen gutgläubig geführt wären und nicht mit dem Ziel, Behauptungen als unumstößliche Wahr- und Weisheiten hinzustellen – also von unverrückbar festgefahrenen Positionen aus – wäre das Gesetz 217/015 unnötig gewesen. Unbegrenzte Meinungsfreiheit wäre garantiert, wie sie John Stuart Mill 1859 in seinem Essay „Über die Freiheit“ in einer freien, liberalen Gesellschaft definiert hatte.
So was haben wir hierzulande nicht. Keine Meinungsfreiheit im Mill´schen Sinn darf hier gelten. Wir brauchen die gesetzliche Fesselung der Meinungsäußerung.
Und auch seine Extension auf die kommunistischen Verbrechen.