Mit „Etelka“ blieb vieles stehen

Busiasch in der Sich-Finder-Phase

Herbert Zirk kann nicht verstehen, „warum jemand gar nicht mehr heimkommt“.

In Biberach in Deutschland ist der Esel Stadtsymbol. In Busiasch soll er den Tourismus mitfördern.

Der ehemalige Armeeoffizier Ion Andrei verkauft heute Trauben auf Bestellung.

Herbertino soll Gäste auf Pilgerwanderungen aus einem Banater Kurortstädtchen ins andere begleiten. Läuft alles nach Plan, wird Herbertino zusammen mit kleinen Gruppen von ausländischen Touristen über den Hügel etwa 50 Kilometer zu einer beschaulichen Pilgerwanderung ansetzen und von Busiasch/Buziaş aus über Topolovăţu Mare und über Brestovăţ bis in den Wallfahrtsort Maria Radna ziehen. Noch darf Herbertino am Stadtrand von Busiasch ausruhen. Er kann sich jedoch weder auf die touristische Perspektive freuen, vorbereiten oder diese gar verweisen: Herbertino ist ein Esel.

 

Heimkehrer mit alten Nostalgien und neuen Ideen

Herbert Zirk wanderte vor einem Vierteljahrhundert aus dem westrumänischen Busiasch nach Deutschland aus, doch ein Busiascher ist er scheinbar immer geblieben. Obwohl er noch 2-3 Jahre bis zur Rente hat, bereitet er seinen Lebensabend vor: In Busiasch natürlich und sein Herbertino gehört mit zu Plänen und Inventar. Ein schmiedeeisernes Tor, dahinter entsteht ein „dako-romanisch-germanischer Brunnen“, eine mit Holz ausgetäfelte Innenarchitektur des Hauses, ein schlichtes Schlafgemach und Heimatpoesie an den Wänden: Ein Konglomerat an Heimatverbundenheit und Nostalgie bespickt mit Modernismus reihen sich derzeit noch in ungeordneter Form in seinem Haus aneinander. Haus und Hof von Herbert Zirk sind derzeit eine einzige Baustelle und die freie Stelle im Garten ist zumindest verplant: Eine „Ulmer Schachtel“ wird bald den nostalgiegetränkten Anstrich des Hauses fortsetzen und soll in Zukunft Rumänienreisende eine Übernachtungsalternative zum Hotel bieten. Freitzeitspiele sollen das Programm im Garten von Zirk vervollständigen: Und zum ersten Mal ist Zirk dabei weder nostalgisch noch traditionell: Die französische Kugelsportart Boule würde er gerne spielen lassen. „Meine Frau ist nicht immer mit meinen Plänen einverstanden“, resümiert Herbert Zirk. Draußen auf der Weide grast inzwischen Herbertino und hebt erwartungsvoll die Nüstern, wenn Herbert Zirk, sein Herr, auf ihn zugeht.

 

Neue Winzergeneration ist angekommen

 

Zuhause ist für Herbert Zirk auch der Weinberg. „Wir hatten bestimmt den besten Wein im Banat“, sagt Herbert Zirk bei der Anspielung auf die Konkurrenz in Sachen Weinbau, eine Konkurrenz, die heute zum Teil Weltruhm erreicht hat. Gerade auf dem flächenmäßig zerstückelten Weinberg bei Busiasch – Zillasch/Silagiu haben Kleinwinzer eine neue Chance. Früher waren die Deutschen vor allem aus Bakowa/Bacova die treibende Kraft im Weingarten, heute gibt es neue Ansätze. Ion Andrei ist aus der Not heraus zum Weinbauern geworden. Mitte der 1990er Jahre hat die Umstrukturierung in der Armee begonnen, die nahe gelegene Panzereinheit wurde aufgelöst und der Offizier i.R. brauchte auch finanziell eine neue Herausforderung. Drei Hektar nennt er heute sein Eigentum, und bearbeitet auch die Weingärten anderer. „Auch von Deutschen“, sagt er irgendwie mit Stolz. Auch er ist längst aufgeklärt, wie sich die Geschichte von Busiasch-Bakowa-Zillasch kurz vor und nach der Wende abgespielt hat: Die Deutschen sind ausgewandert und damit waren auch die Kenner aus dem Weingarten weg. Mittlerweile ist Ion Andrei selbst zum Fachmann geworden. Er weiß Bescheid über Rebkrankheiten, wie man Überproduktion vorbeugt und wie der Reifeprozess beschleunigt werden kann. Tafel- und Weintrauben verkauft der ehemalige Armeeoffizier meist auf Bestellung: „Wer einmal bei mir gekauft hat, ...“ Auch diese grammatikalisch offen gebliebene Aussage ist deutlich. Er ist zugelassener Traubenproduzent – etwa 3.000 Liter Wein macht er jährlich. Mit kleinen Tricks habe er manchen Winzer aus der Gegend beeindruckt: „Als Trauben kurz vor der Ernte immer noch nicht reif waren, schnitt ich ganz einfach die Blätter weg, damit die Sonne intensiver auf den Rebstock scheint“, sagt Ion Andrei. Verträumt blickt der Winzer ins Tal. Noch scheint die Sonne auf seine letzten Rebstöcke, färbt die Traubenblätter bunt und lässt ihn von der Schönheit der Trauben an der Rebe schwärmen. „Das sind gute, traditionsreiche Früchte in unserer Gegend. Ich esse viel lieber Trauben als Bananen“. Eine alte, gut instand gehaltene Traubenpresse steht mehr als Symbol vor seiner Laube auf dem Weinberg. Auf der Bank davor nimmt er eine kurze Pause. Die Traubenlese geht ihrem Ende zu und trotz sommerlicher Temperaturen denkt Ion Andrei bereits an die kalte Jahreszeit: „Im Winter ist Busiasch eine menschenleere Stadt“.

 

Etelka, Wein und Wasser

 

Einige Industrieanlagen da, ein wenig Tourismus dort, die  Mineralwasserabfüllanlage, die ihre Produktion zurückgefahren hat und ein zaghafter Beginn wiederbelebter Winzerei, das ist Busiasch. „Einst kam der Kaiser hierher...“ schwärmt Herbert Zirk in Nostalgie. Lang sind die Zeiten vorbei, als die Schmalspurbahn – von den Busiaschern damals humor- und liebevoll „Etelka“ genannt - vom Bahnhof die Kurgäste abnahm und bis ins Stadtzentrum brachte. Heute bleibt der Kleinbus des Kurunternehmens am Bahnhof meist leer. Auch der einzige Taxifahrer im Ort hat nur selten Fahrgäste zum/vom Bahnhof, der außerhalb der Ortschaft gelegen ist. Massentourismus, oder gehobener Kur- und Unterhaltungstourismus? Das ist die Frage, die die Stadt derzeit beschäftigt. Der Investmentfonds SIF Transilvania hatte alle Kategorien von Kurgästen im Visier, als er ein Zwei-Sterne-Hotel in seinem Portfolio behielt, eine Drei-Sterne-Einrichtung auf den Punkt brachte und derzeit ein Vier-Sterne-Hotel bauen lässt. Herbert Zirk würde lieber heute als morgen die alten Villen, wie die „Vila Imperială“ dem Tourismus zurückgeben. Der Vizebürgermeister Florin Aldan ist unglücklich mit einer Regierungsverordnung: Wenige Tage vor unserem Busiasch-Besuch hatte die Regierung die Stadt nicht als Kurbad anerkannt. Die Kreisverwaltung habe sich nicht richtig dafür eingesetzt, glaubt Aldan. Dabei würden gerade Herz- und Kreislaufstörungen zu den häufigsten Todesfällen führen und dagegen zeige das Busiascher Mineralwasser besonders Wirkung, sagt der Stadtvize. Er weiß, dass es Nachholbedarf in Sachen Freizeit in der Stadt gibt. Für einen Jugendclub und eine Diskothek würde er gerne Investoren entgegenkommen und die Sporthalle wird gerade renoviert. Die Kolonnade im Kurpark - vor 140 Jahren im byzantinischen Stil erbaut - ist angeblich einzigartig in Europa. Ein Antrag zur Sanierung der derzeit stark mitgenommenen Bausubstanz der Kolonnade hat derzeit gute Chancen. „Wir haben positive Signale“, sagt Bürgermeister Viorel Alger Ilaş.

„Als ruhige Stadt“ hatte Florin Aldan am Nachmittag die Kleinstadt bezeichnet, in der er auch schon mal Bürgermeister war. Es regnet leicht, als wir am Abend Busiasch verlassen. Es ist ruhig in Busiasch. Zu ruhig. Das angedeutete „menschenleer“ von Ion Andrei passt besser.