Rumäniens Wirtschaft hängt in entscheidendem Maße von multinationalen Unternehmen (MNU) ab. Mit einem Anteil von 48 Prozent des Gesamtumsatzes und 44 Prozent der Wertschöpfung steht Rumänien europaweit an erster Stelle im Ranking der Staaten, deren Wirtschaft am meisten von multinationalen Unternehmen bestimmt wird. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die vor Kurzem in der rumänischen Wirtschaftszeitung „Ziarul Financiar“ veröffentlicht wurde. Die Untersuchung, die vom Bukarester Prof. Dr. Cezar Mereuţă durchgeführt wurde, fußt auf die Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat.
„Das Ergebnis der Studie ist überraschend, vor allem für jene Staaten, die der EU nach dem Jahr 2004 beigetreten sind. Die rumänische Regierung sollte den hier angesiedelten multinationalen Unternehmen eine besondere Aufmerksamkeit schenken, eine Monitoring-Abteilung für diese Firmen gründen, um potenzielle Krisen zu vermeiden“, schreibt Cezar Mereuţă, Forscher und Mitarbeiter des Wirtschaftszentrums der Rumänischen Akademie in seiner Studie. Mit „Krise“ bezieht sich der Fachmann auf den potenziellen Umzug dieser Unternehmen in andere Staaten, in denen es günstiger sein könnte, zu wirtschaften.
Das gleiche Problem sieht auch der Temeswarer Wirtschaftswissenschaftler und Rechtsanwalt, Dr. Dan Cărămidariu. „Multinationale Unternehmen bringen zweifelsohne viel Gutes mit sich: sie stellen Hunderte bis Tausende Arbeitsplätze zur Verfügung – manche sind gut, andere sind schlechter bezahlt. Sie investieren in Technologietransfer, Know-how und Organisationskultur, verbessern die organisatorische Praxis und die fachmännische Ausbildung usw. Viele Menschen, die in solchen Unternehmen tätig waren, konnten eigene Geschäfte gründen und setzten dabei ihre Erfahrung aus den multinationalen Unternehmen, in denen sie gearbeitet hatten, um“, sagt Dan Cărămidariu. Doch viele dieser MNU sind nach Rumänien gerade wegen den niedrigen Lohnkosten gekommen, unterstreicht der Wirtschaftswissenschaftler. „Wenn die Löhne steigen würden, ohne dass dabei auch die Arbeitsproduktivität gleicher- oder zumindest ähnlichermaßen wächst, dann werden diese Unternehmen schließlich Rumänien verlassen müssen. Sie würden ein totales Chaos hinterlassen, welches die lokalen Kapitalisten nicht füllen könnten. Das Problem, mit dem sich Rumänien konfrontiert, ist nicht die große Macht der Multis, sondern die zu große Schwäche des inländischen Kapitals“, setzt Dr. Cărămidariu fort. Diesbezüglich sollten sich rumänische Geschäftsleute trauen, zu investieren, kreativ und wettbewerbsfähig zu werden, glaubt der Temeswarer Wirtschaftswissenschaftler und Rechtsanwalt. „Fakt ist jedoch, dass Rumänien zu abhängig von diesen Unternehmen mit ausländischem Kapital ist. Wenn all diese, ad absurdum, innerhalb eines Jahres Rumänien verlassen würden, dann hätte das Land zwei Millionen Arbeitslose. Die Mehrheit dieser würde auswandern, da das Land nicht fähig ist, ihnen neue Arbeitsplätze bereit zu stellen“, erklärt er.
Mehr Lösungen als Probleme
„Natürlich ist Rumänien von diesen Unternehmen anhängig, aber wenn in Deutschland alle Konzerne, wie zum Beispiel jene aus der Automobilindustrie, schließen würden, dann haben wir auch dort ein Problem“, sagt Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs „Banat“ (DWC) und Inhaber einer Consulting-Firma. Deutsche Unternehmen seien nicht nur wegen den niedrigen Gehältern, die sie hierzulande zahlen müssen, gekommen, sondern auch, weil sie vor Ort ausgebildete Fachleute gefunden haben, lässt der in Temeswar tätige Unternehmer wissen. „MNU wie Continental brauchen Ingenieure, aber auch Arbeiter. Die rumänische Regierung muss in dieser Hinsicht auch etwas leisten und die Berufsausbildung unterstützen. In Not bilden die jeweiligen Firmen ihre Leute selber aus, doch das Land darf sich nicht nur darauf verlassen“, sagt der DWC-Vorsitzende. Auch eine gute Infrastruktur sei ein Muss, so Peter Hochmuth. Dennoch ist Hochmuth überzeugt: Rumänien bleibt weiterhin für ausländischen Investoren attraktiv. Entscheidend sind dabei die Nähe zu Europa, die Löhne und eine gewisse Stabilität.
„Rumänien ist nach wie vor Investitionsland. Mit einem Wirtschaftswachstum von nahezu 5 Prozent ist Rumänien wirtschaftlich gut aufgestellt und auch aus dem Steueraspekt betrachtet durchaus attraktiv“, sagt Stephan Rambacher, Geschäftsführer des Holzverarbeitungsbetriebs Werzalit Rumänien, der in Lugosch 230 Mitarbeiter beschäftigt. Eine gewisse politische Unsicherheit und die Tatsache, dass sich die Steuergesetzgebung in den vergangenen Jahren schon oft geändert hat, seien aus seiner Sicht keine Gründe, um das Land zu verlassen. „Rechtssicherheit wird zwar kritisch betrachtet, aber im Grunde wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird“, sagt Stephan Rambacher. „Es gab keine so großen Probleme, dass unser Geschäft gefährdet war. In Rumänien gibt es eigentlich mehr Lösungen, als es Probleme gibt“, fügt er hinzu.
Ausschlaggebend für das gute Funktionieren eines Geschäfts sei unter anderem die gute Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden. Auf die Frage, was er von der Behauptung halten würde, dass multinationale Unternehmen ihre Mitarbeiter zu den Protesten geschickt hätten, sagt Rambacher: „Ich bedauere es sehr, dass es eine Polarisierung gibt und multinationale Unternehmen als negativ einflussnehmende Kräfte identifiziert werden. An den Protesten haben sich ja die Menschen beteiligt! Ich sehe aber auch die Intention, die dahinter steckt, nämlich der Trend zum Populismus, wodurch die niedrigsten Instinkte der Menschen überhand nehmen“, sagt der Unternehmer. Dass diese
Rambacher findet, dass gerade in Rumänien die Wirtschaftstheorie von John Maynard Keynes angewandt wird. „Es ist eine sogenannte Paradiesideologie, die aber noch nie funktioniert hat. Ich bin überzeugt, dass ein Wohlstand durch Investition stattfindet. Es gibt lediglich Unternehmen, die ein Risiko eingehen und durch das Vertrauen in die Zukunft eines Landes diesem Land helfen, sich politisch, wirtschaftlich und sozial weiterzuentwickeln“, schließt Stephan Rambacher.