Alle vier, gelegentlich alle fünf Jahre, ist es Zeit für einen Wechsel an der Spitze der Konsulate. Diesmal ging am 4. Juli das Amt von Klaus Christian Olasz als deutscher Konsul nach vier Jahren zu Ende. Ersetzt wurde er von einer bereits in Temeswar/Timişoara bekannten Person: Rolf Maruhn. Der Diplomat war bis vor vier Jahren schon eine Amtszeit lang in der Banater Großstadt als Leiter des Konsulats tätig. Warum er zurückgekommen ist, welches seine Pläne für die kommende Amtsperiode sind und warum er glaubt, dass die Stadt Chancen auf den Titel „Kulturhauptstadt 2021“ hat - zu diesen Themen führten Andreea Oance und Deborah Hermanns ein Gespräch mit Rolf Maruhn, dem neuen Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar.
Kurz vor Ihrem Abschied 2009 meinten Sie, dass ein großer Teil Ihres Herzens in Temeswar bleiben wird. Nun sind Sie erneut als Konsul in Temeswar. Was führt Sie zurück?
Es sind zweifellos die interessanten Arbeitsgebiete, mit denen sich das Konsulat befasst, vielseitig, mit weit gestreuten Aktivitäten und das ganze in einem Arbeitsumfeld, das ich immer wieder als angenehm empfunden habe. Ich glaube, meine Vorgänger haben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Wie lief ihre Arbeit in den letzten vier Jahren ab? Was haben Sie gemacht?
Nach meinen fünf Jahren in Temeswar bin ich nach Deutschland zurück in die Zentrale gegangen. Nach einem Jahr konnte ich dann einen Posten an der Deutschen Botschaft in Aschgabat/Turkmenistan für drei Jahre übernehmen. Als sich dann die Möglichkeit ergab, sich erneut für die Stelle des Leiters des Konsulats in Temeswar zu bewerben, habe ich dies getan.
Sie sind nun nach vier Jahren wieder da. Wie finden Sie Temeswar nach vier Jahren wieder? Hat sich irgend etwas Ihrer Ansicht nach in der Zwischenzeit entscheidend verändert?
Durchaus... Ich habe zum Beispiel feststellen können, dass das Umweltbewusstsein und die sich daraus entwickelnden unterschiedlichen Initiativen deutlicher in der Öffentlichkeit präsent sind. Es ist z. B. klar zu erkennen, dass die Zahl der Fahrradfahrer im Stadtgebiet merklich zugenommen hat. Man erkennt offenbar zusehends, dass in einer von ihrer Topographie her flachen Stadt wie Temeswar das Fahrradfahren eine perfekte Alternative zum Auto darstellen kann. Ich wage zu behaupten, dass, wenn sich Elektrofahrräder hier so erfolgreich durchsetzen wie derzeit in Deutschland, sich dieser Trend noch weiter verstärken wird, da dann auch jeder, unabhängig von dem jeweiligen Grad seiner Fitness, das gesamte Stadtgebiet mit dem Rad erschließen kann.
Während ihrer Abwesenheit wäre das Konsulat 2011 fast geschlossen worden. Letztendlich kam die Entscheidung, das Konsulat in Temeswar trotzdem bestehen zu lassen. Wieso glauben Sie, dass es wichtig ist, ein deutsches Konsulat in Temeswar zu haben?
Ich denke, es ist sicherlich die Gesamtheit der unterschiedlichen Arbeitsgebiete, die immer noch eine Präsenz in Form einer berufskonsularischen Vertretung in West-Rumänien sinnvoll machen. Die Argumente sind ja immer wieder in den verschiedenen offenen Briefen und, wenn ich mich recht erinnere, auch in Ihrer Zeitung dargestellt worden. Temeswar gehört zu den größten Städten Rumäniens und gilt als zweiter Wirtschaftspol Rumäniens, wo sich viele deutsche Unternehmen auch weiterhin ansiedeln und dabei mit der Unterstützung des Konsulats rechnen wollen und können. Auch die bisher durchaus positiv und fruchtbar zu bezeichnende Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit im gesamten Amtsbezirk verdient es, fortgeführt zu werden... und dass wir auch im klassischen Arbeitsfeld eines Konsulats, dem Rechts- und Konsularbereich, noch etwas zu tun haben, konnten Sie soeben 'live' miterleben, als wir einen Reiseausweis zur Rückkehr in das Bundesgebiet ausstellen mussten.
In Ihrer Amtszeit als Konsul in Temeswar haben Sie zahlreiche Projekte in die Wege geleitet und unterstützt. Einige wurden weitergeführt, andere nicht. Werden sie ältere Projekte in der neuen Amtszeit wieder aufnehmen?
Ich bin immer noch guten Mutes, dass man dem Landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum in Wojteg/Voiteg doch noch Leben einhauchen kann; es sind bereits sehr viel Energie und Gelder in diese, auch auf nationaler Ebene bedeutende, als Leuchtturmprojekt konzipierte Schule investiert worden und es wäre deshalb wirklich schade, wenn sie nicht letztendlich ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden könnte. Sie soll die Ausbildung im mittleren landwirtschaftlichen Segment, also vom Traktorfahrer bis zum Betriebsmanager, sicherstellen, und zwar nach dem sogenannten „dualen Ausbildungsprinzip“, d.h. theoretische und praktische Ausbildung parallel. Die Bedingungen dort an der Schule sind nahezu ideal und es könnte schon bald auch die beträchtliche Nachfrage seitens der großen und kleinen Betriebe befriedigt werde. Wenn das Projekt erfolgreich verläuft, sollen nach diesem Vorbild weitere Schulen im ganzen Land eingerichtet werden - daher die Bezeichnung: „Leuchtturmprojekt“. Das könnte dann die gesamte Landwirtschaft Rumäniens äußerst positiv beeinflussen und sie fit machen für den europäischen Markt.
Ein zweites wichtiges Projekt, an dem früher die GTZ (die jetzt: „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ heißt) und auch noch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mitwirkt, ist die „Behutsame Erneuerung und Wiederbelebung des Temeswarer Stadtkerns“. Hierzu hat mir Bürgermeister Robu bestätigt, dass in Kürze im Rahmen dieses Gesamtprojektes die Renovierung eines größeren Gebäudekomplexes in der Josefstadt in Angriff genommen werden kann. Und zuletzt freue ich mich natürlich ganz besonders, dass es demnächst - bereits zum sechsten Male - das „Bega Boulevard Festival“ geben wird, was ursprünglich auf eine Initiative der GIZ, des Konsulats und des Bürgermeisteramtes zurückgeht.
Wie kann man diese Projekte bewegen, damit sie tatsächlich passieren?
Erste Voraussetzung ist natürlich der politische Wille von oben, die Erkenntnis, dass z. B. die Schule in Wojteg kein „nice to have" (also: schön zu haben) sondern ein „need to have"(also: notwendig zu haben) ist. In Deutschland gibt es solche Schulen unter dem Namen DEULA, die übers Land verteilt sind. Wir arbeiten hier mit der DEULA in Kirchheim bei Stuttgart zusammen und zusätzlich noch mit der Universität Hohenheim.
Sie waren in Temeswar Mitbegründer und Vorsitzender des Konsularkorps in Temeswar? Wird dieser nun von Ihnen weitergeführt?
In Temeswar kamen zu den drei Berufskonsulaten mit der Zeit immer mehr Honorarkonsuln hinzu, sodass es an der Zeit war, sie in einer Organisation zusammenzufassen, die wir „Konsularkorps“ nannten, mit dem Ziel, ein guter Ansprechpartner für die lokalen Behörden zu sein und dessen Vorsitzender, das ist jeweils der dienstälteste Berufskonsul (auch „Dean“ oder „Doyen“ genannt), als Sprecher der Konsulargemeinde fungieren zu lassen, der z.B. in ihrem Namen bei Feiern oder wichtigen Veranstaltungen das Wort ergreift. Ich habe gehört, dass sich das Korps in den letzten Jahren durchaus bewährt hat. Im Augenblick gibt es keine großen Probleme, aber es gibt viele kleine Probleme, für die es immer gut ist, ein Forum für die lokalen Konsuln zu haben, wo man sich regelmäßig treffen und seine Gedanken austauschen kann. Zur Zeit ist turnusmäßig der serbische Konsul bis zum Ende seines hiesigen Mandats der Doyen. Ich möchte es auch als einen kleinen Erfolg aber auch als Wertschätzung der lokalen Behörden ansehen, dass man eine Konsularallee im Flora-Park angelegt hat, in der für jedes hier konsularisch vertretene Land ein Baum gepflanzt wird. Damit kann sich jeder ein Bild machen, dass wir hier in Temeswar die zahlenmäßig größte Konsularpräsenz, zumindest in Rumänien, haben.
Sie haben die unterschiedlichen Arbeitsgebiete erwähnt. Wo sind die wichtigsten Baustellen, die Sie in den nächsten Jahren angehen müssen?
Baustellen hat so ein bisschen den Beigeschmack, dass irgendwelche großen Probleme existieren, aber da sind mir zur Zeit keine bekannt. Es sind vielmehr die vielen kleinen täglichen Aktivitäten, mit denen wir uns befassen, wobei z. B. fast immer die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rumänien im Spiel ist und zwar im gesamten Amtsbezirk, welcher nicht nur das Banat umfasst, sondern auch noch Teile Nord-Siebenbürgens. Um in der Lage zu sein, auch über diese entfernteren Gebiete eine substanzielle Aussage über die Investitionsmöglichkeiten machen zu können, habe ich mir vorgenommen, dort in Zukunft stärker präsent zu sein.
Im Übrigen sind wir natürlich auch hier, um Werbung für Deutschland als Wirtschaftsstandort zu machen. Ich werde mich in den nächsten Monaten dafür interessieren, ob z. Zt. auch rumänische Unternehmen mehr in Deutschland investieren bzw. entsprechendes Interesse zeigen; denn auch dies fördert die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, die ja keine Einbahnstraße sein sollen, sondern eine wirtschaftliche Kooperation, die sich in beiden Ländern entfaltet.
Seit einigen Jahren scheint die Anzahl ausländischer Unternehmen in der Gegend zu stagnieren. Glauben Sie, dass Rumänien im Bereich der Wirtschaft noch attraktiv ist für ausländische Investoren?
Das soll jetzt nicht Anlass zur Unruhe geben. Ich kenne auch die diesbezüglichen Statistiken nicht. Ich habe aber erst kürzlich eine Anfrage gehabt von einem Investor, der schon seit Jahren in China investiert und produziert. Nun möchte er wieder zurückkommen nach Europa und ist auch speziell an Rumänien interessiert. Es könnte sein, dass sich hier eine Trendwende ankündigt, was eine erneute Chance für die Gegend hier darstellen könnte.
Zum Ende ihrer Amtszeit vor vier Jahren war Rumänien gerade erst seit Kurzem EU-Mitglied. Nun sind einige Jahre vergangen. Wie hat sich ihrer Meinung nach das Land und vor allem seine Beziehung zu Deutschland in dieser Zeit entwickelt?
Das kann ich aufgrund meiner kurzen Zeit in Rumänien noch nicht beurteilen. Es gab ja in der entscheidenden Beitrittsphase großes Interesse auf beiden Seiten, sowie eine rege Reisetätigkeit deutscher Besuchergruppen nach Rumänien, um das Land kennen zu lernen. Rumänien ist mittlerweile beigetreten und jetzt habe ich den Eindruck, dass sich die Reisetätigkeiten auf ein „normales“ Maß eingependelt haben.
Temeswar bewirbt sich für den Titel „Europäische Kulturhaupstadt 2021". Wie stehen die Chancen auf den Titel? Wird die Multikulturalität ein entscheidender Faktor sein?
Sie haben die Multikulturalität erwähnt. Das ist tatsächlich das Merkmal, mit dem gerade Temeswar sich profilieren und vorteilhaft positionieren kann. In der Kampagne wird es wahrscheinlich auch wichtig sein, dass man die Alleinstellungsmerkmale, also die kulturellen und historischen Besonderheiten, mit denen nur Temeswar allein aufwarten kann, besonders hervorhebt und herausstreicht. Das sind die Kriterien, mit denen man gegenüber den Konkurrenten wahrscheinlich am besten punkten kann. Als ein solches Alleinstellungsmerkmal fällt mir spontan das hiesige Theater ein. Allein das Gebäude selbst ist das einzige auf der ganzen Welt, dass drei Staatstheater auf einmal beherbegt, u.a. gibt es eben auch das deutsche Staatstheater. So etwas sollte im Ausland weiter publik gemacht werden und für Theater gibt es dafür die elegante Möglichkeit der Theateraufführungen im Ausland. Da wird dann jeder einzelne Teilnehmer zum Kulturbotschafter seiner Stadt.
Aber kann Temeswar sich nur auf diese Multikulturalität verlassen? Wie kann die Stadt noch für sich werben?
Es gibt schon Tendenzen, dass sich die Stadt besser präsentiert. Ich war z. B. auf der Internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin und dort konnte ich feststellen, dass Rumänien wesentlich präsenter war als zu früheren Gelegenheiten, und auch Temeswar war gegenüber früher besser vertreten und wahrnehmbar. Ich habe gesehen, dass es auch viele neue Prospekte gibt und man im PR-Bereich einiges getan hat um auf dem internationalen Markt präsenter zu sein. Als Hauptstadt des Banats wird es unumgänglich sein, auch die interessante und mit Temeswar unzertrennlich verbundene Kulturgeschichte der Region einzubeziehen
Kann das Konsulat der Kandidatur der Stadt helfen?
Im Rahmen seiner Möglichkeiten wird das Konsulat helfen können. Wie, wird sich erst im Laufe der Zeit und in der Praxis erweisen. Wir könnten z. B. dabei helfen, die Präsenz hiesiger Kulturträger im Ausland zu verstärken. In diesem Bereich können wir Kontakte herstellen und „Türöffner“ spielen.
In den letzten Jahren hat in Temeswar der Andrang an deutschen Schulen und Schulen mit deutschsprachigen Abteilungen stark zugenommen. Was sind ihrer Meinung nach die Hauptursachen?
Also erst einmal ist das eine ganz erfreuliche Entwicklung, an der wir ja auch gearbeitet haben; denn es ist auch Teil unseres Aufgabenbereichs, den Deutschunterricht zu fördern. Insofern ist diese Entwicklung positiv und sollte auch weiter mit entsprechenden Maßnahmen flankiert werden. Ich möchte in Erinnerung bringen, dass Deutsch eben auch die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa ist. Da kann ich mir vorstellen, dass dies auch eine gewisse Attraktion ausübt für Schüler im Ausland, diese Sprache zu lernen. Englisch wird sowieso gelernt, das ist die etablierte Wirtschafts- und Verkehrssprache, aber offenbar rückt die deutsche Sprache zunehmend in den Fokus der Jugend. Hoffen wir, dass dieser Trend bestehen bleibt.
Während dieser Jahre ist der Lehrermangel an deutschen Schulen immer größer geworden. Viele Lehrer sind dem Ruf der Wirtschaft gefolgt, wo sie wesentlich bessere finanzielle Bedingungen erwarten. Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Das Problem ist bekannt. Natürlich gibt es eine Abwanderung und eine Abwerbung durch die Wirtschaft von Lehrern, die gute Deutschkenntnisse haben. Das ist ein normaler Prozess, den man nicht verhindern kann, wenn man ihm nicht rechtzeitig entgegenwirkt. Umso wichtiger ist es, den Lehrerberuf attraktiver zu machen; denn so lange der Lehrerberuf nicht attraktiv genug ist, um den verlockenden Angeboten der Wirtschaft zu widerstehen, wird dieses Problem weiter bestehen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nochmal auf das Informationsangebot hinweisen, das die Webseiten der Deutschen Botschaft Bukarest und der Konsulat in Temeswar und Hermannstadt bereithalten.