Pressekonferenzen sind meist einseitige Informationsquellen, haben einen tendenziösen Anstrich und der Opponent hat keine Möglichkeit, ins Geschehen einzugreifen. Eben deshalb hat wohl der seit drei Wochen im Amt befindliche Sorin Supuran, Direktor des Temeswarer öffentlichen Nahverkehrsbetriebs STPT (Societate de Transport Public Timișoara) in das Unternehmen eingeladen, einen Rundgang durch die Standorte am Dâmbovița- bzw. Take-Ionescu-Boulevard veranstaltet und auf die Fragen geantwortet, die sich die Temeswarer Medien und auch die Bevölkerung seit Jahren stellen. Zusammengefasst würde sich das so formulieren lassen: ´Warum geht es mit dem Temeswarer Nahverkehr finanziell und qualitätsmäßig stetig abwärts?`
Straßenbahnschrott auf fast allen möglichen Abstellgleisen, Werkstätten, deren Inhalt mindestens zur Hälfte in die Schrottpresse gehört und Werkbänke die zum Teil aus Beständen aus dem Vorsozialismus in Rumänien stammen. Dazu nur ganz wenige Arbeiter in den maroden Hallen, die im Winter kaum heizbar sind. So stehen die Arbeitsplätze im Nahverkehrsbetrieb da, für Aufräumen, neue Produktionsflächen schaffen, oder den Mitarbeitern ein halbwegs vernünftiges Dasein schaffen, dazu scheint bisher niemand zuständig gewesen zu sein. Dabei gehört etwa jeder fünfte Angestellte des Unternehmens zum Nichtproduktiven Personal - und bei insgesamt 972 Mitarbeitern tragen 92 den Titel eines Chefs und ihr Lohn ist ebenfalls dementsprechend. Für die Bus- und Bahnfahrer muss die neue Führungsriege jedoch einen Kredit aufnehmen, damit diese ihre im Verzug befindlichen Löhne erhalten. „Überlegen Sie mal, es gibt Fälle, in denen Mann und Frau bei uns als Fahrer angestellt sind, und wenn dann der Lohn ausfällt…“, sagt der stellvertretende Direktor Nicolae Bitea. Sicherlich sollten Busfahrer und Tramlenker auch einiges zum Thema Benehmen hinzuzulernen: „Ich habe ihnen gesagt, sie mögen doch nicht die Türen schließen, wenn sie sehen, dass jemand dem Fahrzeug hinterherrennt. Um die halbe Minute kommt es bestimmt nicht an“. Bitea selbst hat unter dem ehemaligen Direktor Ioan Goia nur eineinhalb Monate im Amt überlebt. „Ich hatte ihm mal eine Statistik verlangt. Als stellvertretender Direktor wähnte ich mich berechtigt dazu. Bekommen habe ich sie nie“. Er habe begonnen, „eine Bestandsaufnahme durchzuführen“, sagt seinerseits Direktor Sorin Supuran, die dann allen zuständigen Stellen und nicht zuletzt dem Rechnungshof vorgelegt wird. Genau genommen geht es um die Zukunft des Unternehmens, denn seit die Finanzbehörde die Güter des Unternehmens unter Beschlag genommen hat, haben möglicherweise so einige am ursprünglichen Wert verloren. Die verwahrlosten Gebäude sprechen Bände.
Entscheidungen wurden in den letzten Jahren nach Gutdünken getroffen – auch was die Besetzung von Stellen betrifft und mit den Finanzen hatte scheinbar so mancher freie Hand, und der marode Betrieb zeigte sich großzügig und trat sogar als Sponsor auf. “Es wurden Bordcomputer von Volvo gekauft, dabei kommen unsere Fahrzeuge von Mercedes und Iveco“, zeigt Direktor Supuran auf, wie es mitunter zu den horrenden Summen kommen konnte, die STPT schuldet, ein Schuldenberg, der sich seit Jahren immer weiter häuft. 50 Millionen Lei sind es allein an den Fiskus, andere 14 Millionen setzen sich aus ausstehenden Löhnen und Schulden an Zulieferer zusammen. „Ich habe momentan jedwelchen Einkauf gestoppt. So kann man nicht mit öffentlichen Geldern umgehen“, weist Supuran auf eine Sofortmaßnahme hin. Etwas Geld wäre auch über das betriebseigene Museum, mit Pferdebahnen, die einst in Temeswaer verkehrten, oder mit Straßenbahnen, die im eigenen Betrieb hergestellt wurden, zu verdienen. Doch das Museum kann derzeit nicht besucht werden, da die Betriebsgenehmigungen fehlen. So auch eine vom Katastrophenschutz, ISU, wegen des maroden Daches. Auch sonst gähnen Löcher, die einst Fenster und Türen gewesen waren, aus vielen Gebäuden des Betriebs. Wie tief die Angst vor den Medien und vor dem eigenen Unvermögen bei der ehemaligen Betriebsleitung gesessen haben muss, zeigt der Dialog des Beauftragten, der mit einem großen Schlüsselbund an diesem Tag die Medien durch das Unternehmen führt. Zunächst macht er an allen Türen ersteinmal Halt und fragt dienstbeflissen seinen Direktor, ob er auch da, und dort aufsperren solle. Direktor Supuran hingegen will jedoch die gesamte Wahrheit und den tristen Zustand des verschuldeten Unternehmens aufzeigen und lässt alle Türen öffnen. Sollte es Direktor Supuran gelingen, hier irgendwann Ordnung reinzubringen, und die Geschäftsziffern aus ihren derzeit tiefroten Zahlen zu holen, dann könnte er sich freuen, dass er erneut nur gute 30 Kilometer von seinem Heimatort Billed seinen Job versehen kann, da wo er einst seine politische Karriere als Bürgermeister begann. Der ehemalige Direktor der Rumänischen Verkehrsbehörde ARR muss Kredite aufnehmen, Stellen abbauen, neues Fachpersonal finden und im Betrieb selbst, aber auch im Aufsichtsrat zum Teil mit Leuten klarkommen, die ihren alten Gepflogenheiten nachgehen wollen. Gegen all dies muss Supuran ankämpfen und bestehen. „So schlimm habe ich mir die Gesamtlage nicht vorgestellt“, resümiert er. Trotzdem zeigt er sich optimistisch: „Bis Ende des Jahres werden Sie erhebliche Verbesserungen im Temeswarer Nahverkehr erkennen.“