Offizialisierung durch Vertrödeln

Die Verzögerung der Genehmigung von Managmentplänen für Nationalparks schafft rechtsfreie Räume für den Kahlschlag

Es wird leider nicht nur zum Alltag, solche Bilder vom Semenik zu sehen, es wird auch zur gleichgültigen Gewohnheit, sie wahrzunehmen. Deshalb muss, trotz des Status eines Naturschutzgebiets, der Nationalpark Semenik - Karasch-Schluchten aktiv geschützt werden gegen diejenigen, die beauftragt sind, sie zu schützen: die Forstverwaltung Romsilva und die von ihr eingesetzte Verwaltung des Nationalparks.

An den Südosthängen des Semenik-Massivs gibt es die ausgedehntesten Buchenforste in Rumänien, die zum Teil - im Quellgebiet der Nera - identisch sind mit den letzten Resten des europäischen Buchenurwalds, ein Studienobjekt für europäische Forstleute, eine unwiderstehliche Begehrlichkeit der Holzschlagunternehmen. Und so lange es keinen Managementplan des Naturschutzgebiets gibt - seit elf Jahren wird drum gerungen - so lange kann jede Wirtschaftstätigkeit hier irgendwie als legal dargestellt werden.
Fotos: Zoltán Pázmány

Infolge der massiven Kahlschläge in den Verwaltungskreisen Sutschawa/Suceava und Harghita-Covasna heißt es heute unter den Forstleuten, dass das Banater Bergland – der Verwaltungskreis Karasch-Severin – „an erster oder zweiter Stelle in Rumänien liegt, was die bewaldeten Flächen betrifft“. Fakt ist auch, dass es einer der Verwaltungskreise ist, wo die meisten bewaldeten Flächen (20 Prozent) unter Naturschutz gestellt sind und als solche in den Übersichten der EU fungieren. Doch bereits seit einem Jahrzehnt stellen Naturschützer zunehmend erfüllte Begehrlichkeiten der Holzschlagunternehmen auf die geschützten Areale fest, weil gerade dort die ältesten Bäume und die teuersten Hölzer – vor allem jahrhundertealte Buchen - zu schlagen sind. „Als ob ein schöner und wertvoller Wald nur zum Fällen durch Rüpel da ist“, pflegte der leider viel zu früh verstorbene ehemalige Oberförster und Naturschützer Walter Frank aus Rußkberg/Rusca Montan² zu sagen.

 

Unter den im Banater Bergland aus gutem Grund immer aktiveren Umweltschutzorganisationen (GEC Nera, Agent Green, mit Einschränkungen auch Bike Attack) verhärtet sich die Überzeugung, dass der Hauptgrund für die immer öfter konstatierten und dokumentierten illegalen Holzeinschläge aus geschützten Arealen einerseits der Interessenskonflikt ist, der dem Management der Natur- und Nationalparks innewohnt, das aufgrund von Verträgen mit dem Ministerium für Umweltschutz und Klimatische Veränderungen über das staatliche Forstunternehmen Romsilva bestellt wird – das ein profitorientiertes Unternehmen ist, welches seine Einkünfte aus der Bewirtschaft (und darunter versteht man bei Romsilva nahezu ausschließlich: aus dem Schlagen) der Wälder bezieht – andrerseits durch die vorgetäuschte Nachlässigkeit, in mehr als 20 Jahren der Verwaltung der Natur- und Nationalparks keine Managementpläne dafür vorgelegt und genehmigt bekommen zu haben. Eine eindeutige Vertrödelungstaktik.

 

Willkür durch Auslassung

 

Wo aber in Natur- und Nationalparks keine Managementpläne vorliegen, dort sind deren Areale nicht klar topografisch abgegrenzt. Weil es laut Gesetz „streng geschützte“ und „geschützte“ Areale gibt, wobei in letzteren einiges an „Wirtschaftsaktivitäten“ erlaubt ist. Doch gibt es wegen fehlender Managementpläne keine klaren Übersichten darüber, wo was in voller Legalität möglich ist – einschließlich Bewirtschaftung, also Holzeinschlag oder die oft in den Vordergrund gestellten Säuberungsschläge, die als Auslichtungsschläge missbraucht werden zum selektiven Schlagen der gesündesten, schönsten und ältesten Hölzer. Und dort herrscht dann die offensichtlich geduldete skrupellose Willkür der Holzschlagunternehmen (wobei niemand weiß, ob dabei nicht auch massiv Schmiergelder an die Schutzverantwortlichen und deren Chefs bei Romsilva fließen, weil sich auch die für solcherlei Dinge gegründeten Untersuchungsorgane – DIICOT, DNA, ANAF - aus Mangel an Fachleuten aus allzu tiefgreifenden Schürfungen nach den realen Vorgängen heraushalten, so weit das irgendwie glaubhaft vertretbar ist. Immerhin weiß man inzwischen, dass aus dem gesunden Stamm einer zweihundertjährigen Buche, Esche, eines Bergahorns oder einer Eiche problemlos bis zu mehreren Dutzend tausend Euro zu machen sind.

 

Pläne bedeuten Beschränkungen

 

Laut Umweltschutzorganisationen wird der Managementplan der Natur- und Nationalparks als „das Dokument“ definiert, „das dem illegalen Holzeinschlag in den geschützten Arealen definitiv Einhalt gebieten kann“. Die Höhe der Ungereimtheit: diese Pläne sind längst fertig ausgearbeitet, aber in keinem der 16 Nationalparks Rumäniens bisher deren Wissenschaftlichen Beiräten zwecks Genehmigung vorgelegt worden. Genehmigt hätten sie aber schon vor elf Jahren werden müssen – seither liegen sie herum in Schubladen diverser Schreibtische der Direktoren der Nationalparks, von Romsilva und des Ministeriums für Umweltschutz – dies die Hierarchie.

„Wären sie rausgerückt worden und den Beiräten zur Genehmigung vorgelegt“, heißt es bei den Umweltschützern, „gäbe es klare Regelungen bezüglich des Holzeinschlags in den geschützten Arealen der Nationalparks. Aber daran haben weder Romsilva noch seine Handlanger aus der Holzindustrie ein Interesse! Folglich: die Fehlende Genehmigung der Managementpläne für die geschützten Areale – einfach, indem sie den Wissenschaftlichen Beiräten nicht vorgelegt werden – bzw. das Hinauszögern von deren Offizialisierung schafft jenen rechtsfreien Raum, der auch in den Nationalparks des Banater Berglands in geschützten Arealen massiven Kahlschlag möglich macht.“ „Offizialisierung durch Vertrödeln“ könnte man diese halblegale Hintertür nennen. Und es funktioniert, denn hierzulande gilt: was nicht ausdrücklich verboten ist – wie es ein Managementplan vorschreiben müsste – das ist immer irgendwie erlaubt. Schlimmstenfalls durch „Nachhelfen“.

 

Wer sagt, was erlaubt ist?

 

Solchen logischen Schlussfolgerungen widersetzt sich – in aller Selbstverständlichkeit und wie eigentlich nicht anders erwartet – Direktor Sorinel Tudorescu, der Manager des Nationalparks Semenik – Karasch-Schluchten, der eines der naturwissenschaftlich und –geschichtlich wertvollsten Areale Rumäniens zu schützen hat, den letzten großflächigen Rest europäischen Urwalds, rund 6000 Hektar Buchenurwald (wenn die offiziell angegebene Fläche heute noch in vollem Umfang gelten sollte...) im Raum der Nera-Quellen, ein Relikt aus der letzten Eiszeit: „Diese NGOs (diejenigen, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben – Anm. wk) sollten wissen, dass Holzeinschläge ausschließlich dort geschehen, wo diese möglich sind, weil die Gesetzgebung es erlaubt. Es stimmt zwar, dass seit elf Jahren keine Managementpläne für die Nationalparks mehr genehmigt wurden. Eine letzte Variante des Managementplans habe ich 2008 ausgearbeitet. Der Nationale Regiebetrieb der Wälder Romsilva hat diese Managementpläne dem Ministerium für Umweltschutz und Nachhaltige Entwicklung (so dessen jüngste BezeichnungAnm. wk) vorgelegt, von wo seither keine Reaktion mehr darauf gekommen ist. Wir haben einfach keine Antwort des Ministeriums. Ein Projekt haben wir, aber keine Reaktion auf den revidierten Plan. Im Wissenschaftlichen Beirat wurde eine Parzellierung des Nationalparks in Zonen besprochen.... Wir haben einen neuen Managementplan ausgearbeitet, doch die im Beirat besprochene Parzellierung müsste da noch eingearbeitet werden, weil dazu auch die Kommunen konsultiert werden müssen, die da gewisse, durchaus verständliche, Interessen haben und die befürchten, dass ihre Entwicklungspläne durch den strengen Schutz gefährdet werden könnten, wie jüngst im Falle Anina und Karaschowa geschehen. Also: den Entwicklungsstrategien der Ortschaften, die wirtschaftliche Interessen im Nationalpark haben, müsste auch in den Managementplänen mehr Beachtung geschenkt werden – schließlich könnten diese sich auch durch Tourismus entwickeln...“

 

Tourismus durch Kahlschlag?

 

Tudorescus Reaktion hat jedoch allseits Unwillen ausgelöst. Die Umweltschützer sagen, dass der Direktor des Nationalparks schon lange nichts anderes verfolgt, als den Boden zu ebnen für „touristische Bauten“ im Nationalpark, unter dem Vorwand der „touristischen Erschließung“ – wozu erst mal Holz geschlagen werden muss, um Lichtungen zu schaffen... Naturlehrpfade oder sonstige schonende Einrichtungen zur Lenkung von Besuchern durch den Nationalpark (auch Tierbeobachtung und fachkundlich geführtes Studieren der Flora) sind noch überhaupt nicht im Gespräch.

Vorläufig sei bloß der Kahlschlag augenfällig, meinen selbst die Verwaltungen der Kommunen, durch welchen klar das Wertvolle der Parks verringert, nicht „genutzt“ wird. Und damit sind die Kommunalverwaltungen auf der selben Wellenlänge mit dem NGO´s für Umweltschutz. Anzeichen für Einrichtungen, die touristischen Aktivitäten entgegenkommen, gäbe es keine, nur Folgen des Fällens der alten Bäume. Und das sei nicht Sinn und Zweck eines Nationalparks, selbst wenn eines sicher ist: jeder gefällte Wald wächst einmal nach. Aber nur, wenn er in Ruhe gelassen wird.

 

Das Neueste:

Vergangene Woche war der Direktor de Nationalparks Semenik-Karasch-Schluchten zu Gesprächen bei der Forstverwaltung Romsilva geladen. Es kam in Reschitza das Gerücht auf, dss Romsilva mit dem von ihm eingesetzten Direktor des Naturschutzgebiets unzufrieden war und von ihm den Rücktritt gefordert hatte. Kurz nach den Gesprächen bei Romsilva war Sorinel Tudorescu nach Bukarest ins Ministerium für Naturschutz gefahren. In Reschitza verdichteten sich die Gerüchte, dass er weg muss, weil dem Druck der Umweltschutzorganisationen nicht gewachsen. Vergangenen Freitag war von Romsilva Karasch-Severin zu hören, dass der Direktor des Nationalparks Semenik – Karasch-Schluchten seinen Rücktritt eingereicht hat.