Sie sind wohl die „bösen Radfahrer“ Temeswars, denn sie haben sich zum Protest versammelt: Ein paar Hundert Fahrradfahrer trafen sich am Freitag Abend vor der orthodoxen Kathedrale in Temeswar/Timişoara, um gemeinsam einen Spaziergang neben dem Fahrrad zu unternehmen. In den Händen trugen einige von ihnen Plakate mit den Aufschriften: „Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit“, „Ich bin Radfahrer in Temeswar“ oder aber auch: „Böser Radfahrer“. Mit ihrem Marsch wollten sie ein Zeichen setzen: Nämlich, dass sie die Initiative des Bürgermeisters, die Fahrradfahrten in der Innenstadt zu untersagen, ganz und gar nicht begrüßen.
„Überall in West- und Mitteleuropa dürfen die Fahrradfahrer in der Fußgängerzone verkehren, Fußgänger und Fahrradfahrer kommen also gut miteinander klar. Bei uns ist das nicht erwünscht. Die Fahrradwege, die wir haben, sind ein Witz, und die Kommune rühmt sich sogar damit“, sagte eine Teilnehmerin an der Protestaktion. Im Zentrum von Temeswar gibt es zwar einige Radwege, allerdings sind diese nur etwa 60-70 Zentimeter breit und direkt neben der Fahrbahn angelegt worden. Die Radfahrer, die sich darauf wagen, laufen regelrecht Gefahr, von den anderen Verkehrsmitteln angefahren zu werden. Zudem passiert es mehrmals pro Tag, dass die Autos auf diesen Fahrradwegen parken und somit die Weiterfahrt der Velos verhindern. Es ist nicht lange her, dass Bürgermeister Nicolae Robu auf seiner Facebook-Seite die Fahrradfahrer in zwei Kategorien unterteilte: in gute und böse Radfahrer, wobei die sogenannten „bösen Radfahrer“ jene seien, die nicht verstehen würden, dass die durch die Fußgängerzone verkehrenden Fahrräder die Passanten stören oder gar in Gefahr bringen würden.
Zur Protestaktion gesellten sich auch viele Mitglieder des Vereins „Grün für Fahrräder“. Der Temeswarer Verein fördert seit etwa sieben Jahren das Fahrrad als umweltfreundliche Verkehrsalternative in Temeswar. „Wir fordern frei fur Fahrräder durch alle Stadtteile Temeswars. Durch unsere künftigen Aktionen wollen wir beweisen, dass die Fahrradfahrer eine Kraft und ein wichtiger Teil der Gesellschaft sind. Wir haben nicht umsonst die größte Gemeinschaft von Fahrradfahrern in ganz Rumänien gegründet“, heißt es in einer Pressemitteilung von „Grün für Fahrräder“. Der Verein möchte bei der Kommunalverwaltung eine Dokumentation einreichen, um seine Stellungnahme zu begründen. Darin sollen relevante Argumente für die Wiedereröffnung der Fußgängerzone für Fahrräder festgehalten werden, die von Landschaftsgestaltern, Fahrradladenbesitzern, Umweltfreunden und Fahrradfahrern eingesammelt werden. Eine Kampagne zur Verkehrserziehung der Bürger soll ebenfalls stattfinden. Zudem wollen die Mitglieder des Vereins „Grün für Fahrräder“ dem Bürgermeister Nicolae Robu Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten präsentieren. In einigen österreichischen Städten, wie beispielsweise in Bad Ischl, dürfen die Fahrräder durch die Fußgängerzone verkehren, allerdings ist „Schrittgeschwindigkeit“ auf den Schildern eingetragen.
Die Protestaktion „Spaziergang neben dem Fahrrad“ wurde als Ereignis im Sozialnetzwerk „Facebook“ veröffentlicht. 500 Personen hatten sofort ihre Teilnahme angemeldet. Es ist knapp eine Woche her, seitdem Bürgermeister Nicolae Robu öffentlich bekannt gab, dass Fahrradfahrten in der Innenstadt künftig untersagt sein werden. Dies, da sich seinen Angaben nach viele Fußgänger über die rasenden Radfahrer beklagt hätten. In der Temeswarer Innenstadt wurde im Frühjahr bereits ein Fahrradverbot umgesetzt: Zwischen dem 1. Mai und dem 31. Oktober dürfen von 18 bis 22 Uhr keine Fahrräder in der Fußgängerzone verkehren. Die Geldstrafen für jene, die dieses Verbot nicht ernst nehmen, betragen 100 bis 200 Lei.
Obwohl die Entscheidung, die Fahrräder in der gesamten Innenstadt zu untersagen, noch nicht durch den Stadtrat genehmigt wurde, verordnete Nicolae Robu bereits das Anbringen von Verkehrszeichen mit „Fahrverbot“. Die ersten Schilder erschienen gegenüber der orthodoxen Kathedrale und in der Nähe des Modern-Ladens. Ob der Bürgermeister diese Initiative überdenkt, ist fraglich, jedoch nicht ausgeschlossen. Schließlich finden im nächsten Jahr Kommunalwahlen statt und da sind die Stimmen der Mitglieder der wohl größten Fahrradfahrergemeinschaft Rumäniens nicht unwichtig.